Die langjährige Bürgermeisterin Brigitte Fronzek gibt ihr Amt ab. Sie will sich um ihre Familie kümmern. Eine Frau und ein Mann kämpfen am Sonntag um ihre Nachfolge.

Elmshorn. Die Schüler der Käthe-Kollwitz-Schule in Kiel waren sich sicher: „Kunsti wird mal Kanzlerin!“ Kunsti war der Spitzname von Brigitte Kunstmann, die heute Fronzek heißt. Und Kunsti diskutierte schon in jungen Jahren gern leidenschaftlich über Politik, war Wortführerin in politischen Debatten.

Kanzlerin ist Brigitte Fronzek nicht geworden, aber die erste hauptamtliche Bürgermeisterin im Kreis Pinneberg und damit die erste auf dem schleswig-holsteinischen Festland: in Elmshorn, der mit knapp 50.000 Einwohnern sechstgrößten Stadt des nördlichsten Bundeslandes. An diesem Sonntag wählen die Elmshorner auch einen neuen Bürgermeister oder eine neue Bürgermeisterin. Die Sozialdemokratin Brigitte Fronzek ist 61 Jahre alt und hat nach 17 Jahren und neun Monaten im Amt nicht wieder kandidiert. Silvester ist ihr letzter Arbeitstag. „18 Jahre sind genug für mich und für die Stadt“, sagt Brigitte Fronzek, „jetzt muss jemand mit neuen Ideen das Ruder übernehmen, sonst wird es langweilig.“

Dieser „jemand“ wird ein parteiloser Mann oder eine grüne Frau werden: Volker Hatje, 52, Elmshorns Erster Stadtrat und stellvertretender Bürgermeister, der sich selbst als „Elmshorner Urgestein“ bezeichnet und Kandidat von SPD, CDU und FDP ist. Oder die Diplom-Ökonomin Katja Wolframm, 34, die in Hamburg als selbstständige Hutmacherin arbeitet.

Welchem Kandidaten Brigitte Fronzek am Sonntag die Daumen drückt, möchte sie kurz vor der Wahl nicht sagen. Was sie ihrem Nachfolger oder ihrer Nachfolgerin sagen kann, ist indes: „Aller Anfang als Bürgermeister ist schwer!“ Die kleine Frau kam als Seiteneinsteigerin auf den Posten, sie arbeitete vorher als promovierte Fachanwältin für Verwaltungsrecht und Notarin in Elmshorn. Ihre Freundin sagte ihr, sie habe während ihres ersten Amtsjahres „einen ängstlichen Gesichtsausdruck“ gehabt. „Erst nach einem Sitzungszyklus“, sagt Brigitte Fronzek, „habe ich mehr Sicherheit gewonnen.“

Brigitte Fronzek wollte politisch auch höher hinaus in ihrer Amtszeit

Als eine ihrer ersten Amtshandlungen ließ die Sozialdemokratin ein Ölgemälde in ihrem Arbeitszimmer abhängen: Es zeigte eine Kuh vor einer Gewitterfront. „Das war mir zu allegorisch und nicht nach meinem Geschmack“, sagt Brigitte Fronzek. Sie kaufte ein neues Bild, das noch immer an der Wand hängt: Es heißt „frische Brise“ und zeigt Segelboote auf dem Wasser – das gefällt der passionierten Seglerin.

Noch ein Bild hängte Brigitte Fronzek an die Wand: Es heißt „Stuhlhocker“ und zeigt fünf Männer, die auf hohen Stühlen sitzen und in verschiedene Richtungen schauen. „Diese Männer kommunizieren nicht miteinander, und es weht ein scharfer Wind“, analysiert die Bürgermeisterin. Auch dieses Bild pläsiert der Genossin: „Es erinnert daran, dass alles fragil ist. Für die Frau gibt es eine frohe Botschaft: Wenn ein Mann fällt, dann fallen die anderen auch.“

Das Stuhlhockerbild passt zum Kreis Pinneberg: Als eine „gute Entwicklung“ ihrer fast 18-jährigen Amtszeit – „länger als die Helmut Kohls!“, O-Ton Fronzek – wertet die Sozialdemokratin, dass mittlerweile sieben hauptamtliche Bürgermeisterinnen im Kreis Pinneberg im Amt sind: in Barmstedt, Elmshorn, Halstenbek, Pinneberg, Rellingen, Schenefeld und Uetersen. Als ihre größten Erfolge – „erreicht natürlich im Kollektiv“ – nennt sie die Sanierung des früheren Elmshorner Problemstadtteils Hainholz, den Neubau der Erich Kästner Gemeinschaftsschule für 36 Millionen Euro und den Bau einer Klappbrücke über die Krückau samt Hafenspange für 13 Millionen Euro, die den Verkehrsfluss in der Elmshorner Innenstadt verbessert hat.

Brigitte Fronzek wollte politisch auch höher hinaus in ihrer Amtszeit. 2003 wollte sie Landrätin im Kreis Pinneberg werden. Sie scheiterte in einer Direktwahl gegen den Christdemokraten Wolfgang Grimme. 2005 bis 2007 war sie stellvertretende Parteivorsitzende der schleswig-holsteinischen SPD. „Ich wollte mich für eine Abkehr von der Basta-Politik nach der Agenda 2010 einsetzen“, sagt die 61-Jährige. „Den Armen zu nehmen und den Reichen zu geben, das entsprach nicht sozialdemokratischer Programmatik.“ 2007 kam sie dann aber zur Einsicht, dass das zeitraubende Parteiamt nicht mit ihrem zeitraubenden Job als Bürgermeisterin vereinbar sei.

Und dann wollte Brigitte Fronzek Ministerpräsidentin im nördlichsten Bundesland werden. Sie trat Ende 2010 im sozialdemokratischen Auswahlverfahren für die Spitzenkandidatur an – als einzige Frau gegen drei Männer: den damals unbekannten Mathias Stein, den Landesvorsitzenden Ralf Stegner und den Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig; Letzterer gewann den Mitgliederentscheid und wurde Ministerpräsident.

Jetzt will sich Brigitte Fronzek um ihre Eltern und ihre Familie kümmern

„Ich habe mir aufgrund meiner Erfahrung als Bürgermeisterin und Anwältin zugetraut, Ministerpräsidentin zu werden“, sagt Brigitte Fronzek in ihrem Dienstzimmer im zweiten Stock des Elmshorner Rathauses. „Mein Mann hat immer gesagt, dass ich nicht Ministerpräsidentin geworden bin, weil es mir nicht wichtig genug war.“

Jetzt will Brigitte Fronzek vor allem Privatfrau werden. „Ich bin 61 Jahre alt und finde es gut, dass das Berufsleben langsam endet.“ Sie will sich um ihre Eltern kümmern, die sie ihr ganzes Leben unterstützt haben. Sie möchte mit ihrem Mann Thomas, 60, segeln, wenn der nicht in seiner Arztpraxis in Elmshorn arbeitet. Und sie möchte ihre Kinder und ihren Enkel besuchen: Sohn Christopher, 27, der in der deutschen Botschaft im georgischen Tiflis beschäftigt ist, und dessen Sohn Ole, 1. Und Tochter Dorothee, 24, die im australischen Perth ihren Master in „Social Work“ macht.

Wenn Brigitte Fronzek in Kiel mit ihren ehemaligen Mitschülern auf Klassentreffen zusammenkommt, pflegen die immer noch zu sagen, dass sie „nun aber mal Kanzlerin werden muss“. Im Elmshorner Rathaus muss die Bürgermeisterin darüber lachen: „Mit 61 Jahren bin ich ja noch fünf Jahre jünger als der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Ich kann mich also in vier Jahren um das Amt der Bundeskanzlerin bewerben. Dann bin ich auch ausgeruht.“