SPD-Wahlerfolge wie der in Barmstedt sind kein Zufall. Wie Stratege Thies Thiessen im Land für Triumphe sorgt. Wahlkampf müsse “ein Maßanzug sein, der sich an die örtlichen Gegebenheiten anpasst.

Barmstedt/Meldorf. Er ist der Bürgermeister-Macher für die SPD in Schleswig-Holstein. Seit 2005 hat Thies Thiessen 23 Wahlkämpfe für Bürgermeister- und Landratskandidaten der SPD bestritten. 15 davon erfolgreich, so in Schenefeld (2005: Christiane Küchenhof), Uetersen (2008: Andrea Hansen) und Pinneberg (2008: Kristin Alheit). Jüngstes Bravourstück des 65 Jahre alten Juristen und Ex-Bürgermeisters von Meldorf (1991 bis 2002) war der Wahlsieg von Heike Döpke, 52. Die in Barmstedt vorher völlig unbekannte Frau aus Hannover schaffte es in der Stichwahl, die Mehrheit für sich zu gewinnen und drei Barmstedter Gegenkandidaten aus dem Rennen zu werfen.

Diese Wahlsiege sind kein Zufall. Sie haben eine klare Strategie, erklärt Thiessen. So sei zwar jede Stadt, jeder Ortsverein und jeder Kandidat anders. Darum müsse der Wahlkampf "ein Maßanzug sein, der sich an die örtlichen Gegebenheiten anpasst. Aber man muss das Rad nicht in jeder Gemeinde neu erfinden." Sein Konzept, das von der Kandidatenauswahl bis zum Wahlabend durchgeplant ist, garantiere den Sieg nicht. Aber seine Erfolgsquote von 65 Prozent ist vielversprechend.

Das sah 2004 noch ganz anders aus. Damals stellte sich die SPD die Frage, warum sie bei den 1998 eingeführten Direktwahlen von Bürgermeistern keinen Fuß ins Rathaus kriegte. "Die SPD hatte jede Direktwahl verloren", erinnert sich Thiessen. Darum schlug Landeschef Claus Möller vor, einen Ex-Bürgermeister zum Geschäftsführer der Sozialdemokratischen Gemeinschaft Kommunalpolitik (SGK) zu machen, der die Ortsvereine bei den Wahlen unterstützen sollte. Das war Thiessen. Als erstes räumte dieser dann mit der Verlierer-Strategie auf, den Fraktionschef zum Kandidaten küren.

"Die besten Erfolgsaussichten hat ein parteiunabhängiger, auswärtiger Verwaltungsfachmann", so Thiessen. Auf Parteisoldaten laste die Bürde, den Wählern erklären zu müssen, warum sie ein Bürgermeister für alle sein wollen. Daran könnte in Barmstedt auch CDU-Fraktionschef Ortwin Schmidt gescheitert sein.

Sein Erfolgsrezept nennt Thiessen griffig Ko-Cha Ko-La. Dies stehe für Kompetenz, Charisma, Kommunikation und Landschaft. Mit seinem beruflichen Werdegang müsse der Kandidat den Wähler davon überzeugen, dass er eine Verwaltung leiten kann. Idealerweise kommt er aus einer Stadtverwaltung mit Personalverantwortung oder ist Verwaltungsjurist. Auch eine gewisse Kleiderordnung gehöre dazu. "Sie darf nicht zu lässig sein", warnt er. Zudem müsse der Kandidat Ausstrahlung haben und sich in der Öffentlichkeit frei bewegen können, sagt Thiessen. Wenn er einen Saal betritt, sollte er den Leuten die Hand schütteln und ihnen dabei in die Augen sehen. "Der Wähler hat ein feines Gespür dafür, was authentisch ist. Der Kandidat muss Respekt vor dem Wähler haben. Wahlerfolg und Wertschätzung gehören zusammen."

Dritte und wichtigste Komponente ist die Kommunikationsfähigkeit. Der Kandidat sollte überall präsent sein, sich auf öffentlichen Plätzen zeigen, Hausbesuche machen, Vereine und Geschäftsleute treffen, mit den Bürgern ins Gespräch kommen, sie persönlich anschreiben, rät Thiessen. Die persönliche Note und das Schriftliche seien dabei besonders wichtig.

Idealerweise fasst der Kandidat das Ergebnis des geführten Gesprächs hinterher in einer E-Mail noch mal zusammen und bedankt sich für den leckeren Apfelkuchen bei der Gastgeberin. So hat Heike Döpke morgens Geschäftsleute aufgesucht, sich vorgestellt, die Bedeutung der Innenstadt herausgestellt und ihre Flyer hinterlegt, damit die sich hinterher an sie erinnern und die Info an ihre Kollegen weitergeben konnten.

Mit Landschaft ist die Örtlichkeit gemeint. Selbst wenn der Kandidat die Stadt anfangs nicht kennt, sollte er sie loben und für schön befinden, weil dies die meisten Bürger täten. Am Ende des Wahlkampfes muss der Kandidat die zwölf dringendsten Probleme der Stadt benennen und dafür Lösungsansätze aufzeigen können. Zudem ist ein einheitliches Erscheinungsbild wichtig. Thiessen arbeitet immer mit denselben Fotografen und Internetexperten zusammen, die vom Wahlplakat über den handgeschriebenen Brief bis zur Homepage-Gestaltung den Kandidaten im Wahlkampf professionell unterstützen.

Wer sich an diese Regeln hält, kann, wie es der muslimische Juristin Hatice Kara, 32, in der CDU-Hochburg Timmendorfer Strand 2012 gelang, in 85 Tagen Bürgermeisterin werden. Heike Döpke hat es in 108 Tagen von der ersten Pressekonferenz bis in die Stichwahl geschafft. Man müsse die Wahl immer bis zum Ende, bis zur möglichen Stichwahl begreifen, erklärt Thiessen. Wer die letzten Wochen vor der Wahl nicht alles gebe, habe bereits verloren. So nahm sich Heike Döpke unbezahlten Urlaub, um zuletzt ständig vor Ort zu sein. Diese Präsenz sei es auch gewesen, die ihr wohl den Wahlsieg gebracht hat, glaubt Heike Döpke. "Thies Thiessen hat einen außerordentlichen Anteil daran. Er hat mir einen Leitfaden gegeben, nach dem ich vorgehen konnte. Natürlich musste ich selber vor Ort sein." Auch Christiane Küchenhof sagt: "Thiessen hat mir wertvolle Tipps gegeben." Für Andrea Hansen war es wichtig, Ortsverein, Kandidat und Fraktion auf eine Wahlkampflinie zu bringen.

Thiessen sagt: "80 Prozent macht der Kandidat aus, je zehn Prozent der Ortsverein und das Coaching." Die nächste Bürgermeisterwahl steht bereits an. 2014, sagt Thiessen, ohne den Ort zu nennen. Der Kandidat müsse noch gefunden werden. Dafür hat er aber 40 geeignete Personen im Computer, die er zum Teil seit Jahren auf die künftige Aufgabe vorbereitet.