Abteilung “Weimarer Republik“ komplettiert Ausstellung im Pinneberg Museum

Pinneberg. Ottilie Franck fällt auf den Schwarz-Weiß-Fotografien im Pinneberg Museum auf. Ihre dunklen Augen blicken gelassen auf den Betrachter. Das Jugendbild der 1882 als Ottilie Jessen geborenen Pinnebergerin ist Teil der gerade fertig gestellten Abteilung "Weimarer Republik", mit deren Eröffnung die Neugestaltung der stadtgeschichtlichen Dauerausstellung abgeschlossen ist.

Es lohnt sich, der Spur dieses Fotos zu folgen. Ottilie Franck spielte eine denkwürdige Rolle in der Kleinstadt. Sie war als Mitglied der Bürgerlichen Partei von 1919 bis 1924 die erste gewählte Frau in der Pinneberger Stadtvertretung. 1965 starb sie, ihr Elternhaus am Fahltskamp 2 wurde noch im gleichen Jahr abgerissen.

Das Original der Aufnahme liegt bei einem Pinneberger, der die engagierte Frau und die geräumige Familienvilla direkt neben dem ebenfalls längst abgerissenen damaligen Pinneberger Rathaus bestens kannte: Hans Wilhelm Claussen, 74, ist ihr Enkel.

Dutzende von Familienfotos in seinem Haus machen den Menschen hinter dem Ausstellungsfoto greifbar. Sie zeigen "Tile" als krausköpfigen Steppke, als Mädchen aus gutem Hause, als junge Mutter und Ehefrau des Korvettenkapitäns Georg-Wilhelm Franck, schließlich als Großmutter mit dem gerade einjährigen Enkel Hans Wilhelm auf dem Arm. "Großmutter war sehr großzügig und lieb mit uns, wir waren sehr gern bei ihr", sagt Claussen, bis zu seiner Pensionierung 30 Jahre lang Chef des Pinneberger Gartenbauamts. Mit Begeisterung erinnert er sich zum Beispiel an die so genannte Pustedose. "Da war eine kleine, silberne Dose, die sich in der Hand meiner Großmutter öffnete, wenn ein Kind darauf pustete. Dann durfte man sich einen sauren Drops herausnehmen." Auch an den riesigen Garten mit Obstbäumen, Gemüsebeeten und Blumen erinnert er sich gern. "Der Garten reichte bis an die heutige Karl-Sörensen-Schule. Das Haus war mit wildem Wein begrünt." Mit fünf älteren Schwestern und einem Bruder wuchs Ottilie als Nesthäkchen in dem 1731 erbauten Haus in gutbürgerlichen Verhältnissen auf.

Sie lebte in Paris und in England, beherrschte beide Sprachen fließend. Die Hochzeit mit dem Korvettenkapitän Georg-Wilhelm Franck und die Geburt der drei Kinder Marianne, Brigitte und Georg-Wilhelm junior schienen das junge Familienglück komplett zu machen. Doch dann kam der Erste Weltkrieg. Kapitän Franck fiel schon 1914 vor Helgoland, als erster Pinneberger überhaupt. Ottilie war mit ihren erst ein, drei und vier Jahre alten Kleinkindern allein. Sie zog zurück ins Elternhaus, sah zu, wie sie in den von Inflation, Arbeitslosigkeit und Hunger geprägten Nachkriegsjahren mit den Kleinen über die Runden kam.

Claussen ist erstaunt über ihr politisches Engagement, vor allem in der schwierigen Situation als alleinerziehende Mutter. "Ich hatte einen eher unpolitischen Eindruck von ihr." Sie sei selbstbewusst, warmherzig und enorm gelassen gewesen. "Sie war der Mittelpunkt in dem großen Haus", sagt ihr Enkel. Ottilie verlor im Krieg auch ihren Sohn, einen U-Boot-Kommandanten. Zum Haushalt gehörten nach dem Zweiten Weltkrieg auch die unverheiratete Schwester Anne, die ältere Tochter und die Schwiegertochter mit ihren drei Kindern. Zudem nahm Ottilie viele Flüchtlinge auf. Bis ins hohe Alter übernahm sie soziale Verantwortung, leitete in den 30er-Jahren den Vaterländischen Frauenverein und bis 1949 dessen Nachfolger, den DRK-Ortsverband. 1954 bekam Claussens Vater die Pastorenstelle an der Pinneberger Lutherkirche, die Familie zog an die Pinnau. Im Pastorat am Kirchhofsweg, verbrachte Ottilie Franck ihre beiden letzten Lebensjahre. "Sie war bettlägerig, aber bis zuletzt geistig voll da", sagt ihr Enkel.

Die neu gestaltete Dauerausstellung mit vielen Fotos und Exponaten aus der Weimarer Republik im Stadtmuseum Pinneberg, Dingstätte 25, ist dienstags, mittwochs und freitags jeweils von 17 bis 19 Uhr geöffnet. Donnerstags ist sie von 10 bis 12 Uhr und von 15 bis 17 Uhr zu sehen, sonnabends von 11 bis 13 Uhr. Der Eintritt ist frei.