Experten erwarten die Rückkehr des Wolfs im nordöstlichen Kreis Pinneberg. “Wir sind gut auf die Rückkehr der Wölfe vorbereitet.“

Kreis Pinneberg . Der Wolf ist da. Die Rückkehr des Jägers nach Schleswig-Holstein sorgte überregional für Schlagzeilen. Im Kreis Segeberg ist der Wolf zweifelsfrei nachgewiesen worden. Was im benachbarten Kreis Pinneberg bisher kaum bekannt ist: Der gesamte Nordosten des Kreisgebietes, von Brande-Hörnerkirchen im Norden über Barmstedt bis hinunter an die Hamburger Stadtgrenze wurde von schleswig-holsteinischen Wolfsexperten bereits offiziell als Gebiet eingestuft, in dem mit dem Vorkommen eines Wolfes gerechnet werden muss. "Ein Wolf macht nicht an der Kreisgrenze halt", sagt Hans-Albrecht Hewicker, Vorsitzender der Kreisjägerschaft und amtlicher Wolfsbetreuer im Kreis Pinneberg. In den vergangenen Wochen hatten hiesige Jäger angesichts mehrerer getöteter Rehe rund um Barmstedt und Borstel-Hohenraden wiederholt den Verdacht gehabt, ein Wolf könne die Tiere gerissen haben.

Das Umweltministerium in Kiel hält sich angesichts der Meldungen aus dem Kreis Pinneberg bedeckt. "Wir haben keinen offiziellen Nachweis", sagt Anke Schwarz-Kaack aus dem Ministerium. Die Fachfrau bestätigt aber, dass es für einen Wolf keine Schwierigkeit ist, vom westlichen Kreis Segeberg in den Nachbarkreis zu gelangen: "Der Wolf legt in einer Nacht locker 50 Kilometer zurück." Umweltminister Robert Habeck von den Grünen sagte in dieser Woche beim Kreisbauerntag in Ellerhoop beinahe beiläufig: "Der Wolf ist wohl auch hier bei Ihnen."

Jäger und Wolfsbetreuer Hewicker aus Bokholt-Hanredder sagt, dass ein zweifelsfreier Nachweis, ein Wolf habe die Rehe gerissen, nicht erbracht werden konnte. Ihm seien seit September zwei Angriffe auf Schafherden und sieben Fälle getöteter Rehe bekannt geworden. Alle zwischen Barmstedt, Hemdingen und Borstel-Hohenraden. Er habe unter anderem Trittspuren dokumentiert. "Die Bedingungen waren aber nicht so gut, dass man Hunde- und Wolfsspuren zweifelsfrei auseinanderhalten konnte", so Hewicker. Er schließt nicht aus, dass wildernde Hunde die Rehe angefallen haben.

"Was dazu aber nicht passt, sind bestimmte Tötungsbilder", sagt der Vorsitzende der Jägerschaft. Am meisten stört ihn an der Theorie, wildernde Hunde hätten die Rehe getötet, die große Menge Fleisch, die in einigen Fällen gefressen worden sei. "Das muss ein ordentlich großer Hund, der regelrecht wild lebt und lange nichts von Menschen zu fressen bekommen hat, sein." Hunde seien in der Lage, wie ein Wolf Rehe oder Schafe zu töten. "Ein solcher Hund findet das immer interessanter, stellt sich immer schlauer an."

Habe ein Hund den Bogen raus, mache er das immer wieder. Dann sei der Wolf in ihm wieder da, sagt Günter Heitmann, Jäger aus Borstel-Hohenraden. Er und seine Kollegen vom dortigen Hegering hatten zwischen September und Ende Dezember in ihrem Revier mehrere Fälle getöteter Rehe zu verzeichnen. Wegen der großen Verluste haben die Waidmänner sogar eine Belohnung für Hinweise auf Hundehalter ausgesetzt, deren Vierbeiner gewildert haben könnten. "Wir stellen immer wieder freilaufende Hunde fest. Deren Besitzer bekommen es häufig gar nicht mit, wenn die Hunde Rehe hetzen", sagt der Jäger. Einige Tatorte haben allerdings auch Heitmann stutzig werden lassen. "In einem Fall hatten haben wir ein ganz frisches Stück Wild gefunden. Drei, vier Kilogramm Fleisch waren in einem Rutsch gefressen worden." Das Reh sei mit gezieltem Biss in den Hals getötet worden - dem sogenannten Wolfsgriff.

Der für Borstel-Hohenraden zuständige Polizist Michael Brandt sagt, ihm sei keiner der Fälle gemeldet worden. Wolf-Gunthram Freiherr von Schenck und seine Kollegen sind bei ihrer Ermittlungsarbeit ebenfalls auf eine zügige Benachrichtigung angewiesen. "Ich habe von einer Häufung von Hinweisen aus dem Kreis Pinneberg gehört, bei uns ist leider nichts angekommen", sagt der Geschäftsführer des Wildparks Eekholt und Leiter des dortigen Wolfsinformationszentrums Schleswig-Holstein. Werden die Wolfsexperten schnell hinzugezogen, könnten sie vor Ort genetische Proben, insbesondere in Form von Speichelresten, nehmen. "Bis jetzt ist das Bild für den Kreis Pinneberg unvollständig", so von Schenck.

Das könnte sich schnell ändern, wenn der Wolf, wie im westlichen Kreis Segeberg mehrfach geschehen, in eine der sogenannten Fotofallen tappt. Diese selbstauslösenden Kameras sind auch im Kreis Pinneberg längst aufgestellt. "Wir bekommen regelmäßig Hinweise überall aus Schleswig-Holstein", sagt von Schenck als einer von landesweit 35 Wolfsbetreuern. Die Autobahn 7 zwischen den Kreisen Segeberg und Pinneberg stelle für den Wolf keine Grenze da. "Wir haben nachgewiesene Fälle, in denen Wölfe auf ihren Wanderungen mehrere große Fernstraßen überquert haben. Andere Tiere laufen auch nachts über Autobahnbrücken. Warum nicht der Wolf?" Der Geschäftsführer des Wildparks am Segeberger Forst, in dem es seit dem Vorjahr ein neues Wolfsgehege mit inzwischen wieder vier Tieren gibt, erinnert an den Wolf, der im November tot in Hanstholm im Nordwesten Dänemarks gefunden worden war. Wie sich herausstellte, stammte das Tier aus der Lausitz im südlichen Brandenburg, wo die meisten der mehr als 120 in Deutschland frei lebenden Wölfe beheimatet sind. Der Wolf war mehr als 800 Kilometer weit gewandert.

"Wir sind gut auf die Rückkehr der Wölfe vorbereitet", sagt der Leiter des Wolfsinformationszentrums. Von dort aus werden kostenlose Beratungen zum Beispiel für Schafhalter organisiert. Das Land gewährt finanzielle Hilfe für Tierhalter, die spezielle Zäune zum Schutz gegen Wölfe aufstellen. Angst vorm bösen Wolf habe heutzutage kaum noch jemand, sagt von Schenck. Vielmehr seien die allermeisten Menschen neugierig und interessiert.

Hans-Albrecht Hewicker von der hiesigen Jägerschaft sagt: "Unter heutigen Bedingungen ist die Gefahr, die vom Wolf für den Menschen ausgeht, minimal bis gegen Null."