Schon 150 Widersprüche gegen Gebührenbescheide. FDP-Politiker und Bürger fordern seit 2008 Geld zurück. Doch die Stadt sieht sich im Recht.

Uetersen. In Uetersen tobt ein heftiger Streit um die Regenwassergebühr. Sie wird für versiegelte Flächen erhoben, auf denen der Regen nicht im Boden versickern kann, sondern in das städtische Kanalnetz läuft. 150 Grundstücksbesitzer haben bis Jahresende ihrem Gebührenbescheid schriftlich widersprochen, sagt Kämmerin Bettina Horn. "Jeden Tag sind es sechs neue mehr." Die Stadt hat inzwischen einen Fachanwalt in Kiel eingeschaltet. Die Uetersener Ratsversammlung hat auf ihrer Dezember-Sitzung zudem eine neue Satzung für die Regensteuer erlassen, die zum Januar 2013 den Beitrag um ein Viertel von 92,7 Cent je Quadratmeter versiegelter Fläche auf 69 Cent senkt.

Doch das reicht den Widerspruchs-Bürgern nicht. Sie fordern wie der FDP-Fraktionschef Rolf Maßow die Erstattung aller Niederschlagsgebühren seit 2008, weil diese unrechtmäßig erhoben worden seien. Bürgermeisterin Andrea Hansen widerspricht: "Unsere Satzung ist nicht rechtswidrig."

Auslöser dieses Gebührenstreits ist die Klage eines Uetersener Grundstückseigentümers. Dieser widersprach 2010 seiner Regenwassergebühr in Höhe von 138,12 Euro und klagte vor dem Verwaltungsgericht, nachdem der Widerspruch von der Verwaltung abgelehnt worden war. Der Rechtsstreit sollte Ende August 2012 mit einem Ortstermin seinen Abschluss finden. Zuvor riet die Richterin der Stadtverwaltung, den Widerspruch anzunehmen, weil sie die Argumentation des Klägers nachvollziehen könne. Das tat die Stadtverwaltung und zahlte dem Kläger sein Geld zurück. Doch damit ging das Spektakel erst richtig los. Der Anwalt des Klägers ging an die Öffentlichkeit und forderte alle Bürger dazu auf, sich ihre zu Unrecht eingeforderten Regenwassergebühren erstatten zu lassen.

"Im Nachhinein war es ein Fehler, dass wir auf diesen Vergleich eingegangen sind und das Verfahren nicht zu Ende geführt haben", gibt Bürgermeisterin Hansen heute rückblickend zu.

In der Sache geht es um die Berechnung der Gebühren, die der Kläger und mit ihm 150 weitere Bürger für unrechtmäßig halten. So hat die Stadt Uetersen bei ihrer Gebührenerhebung den Bach Heidgraben mit einbezogen, der von der Nachbargemeinde aus durch Uetersen fließt und in die Pinnau mündet. Zuvor passiert er noch den Mühlenteich im Rosarium, von wo er vollständig verrohrt 600 Meter weiter bis in den Stichhafen fließt.

Somit stammt ein Teil des Uetersener Regenwassers eigentlich aus der Nachbargemeinde. Aus diesem Grund hatte schon Hansens Amtsvorgänger Wolfgang Wiech bei Heidgrabens Bürgermeister Udo Tesch versucht, eine Kostenbeteiligung zu erreichen. "Aber Tesch war uneinsichtig", sagt Wiech. Der Unterlieger sei verpflichtet, das Wasser des Oberliegers aufzunehmen, argumentierte Tesch.

Wiech riet seiner Nachfolgerin Hansen, erneut bei Tesch zu intervenieren und Heidgraben mit ins Boot zu holen. Diese Gespräche führte Hansen tatsächlich - alle mit demselben Ergebnis: Heidgraben wollte sich nicht an den Kosten beteiligen. Der Heidgrabener Bürgermeister erhielt Rückendeckung vom Leiter der Wasserbehörde des Kreises Pinneberg. Dieser teilte Bürgermeisterin Hansen Ende 2010 mit, dass die Stadt Uetersen keinen Anspruch auf eine Kostenerstattung durch die Gemeinde Heidgraben für die Ableitung des Regenwassers durch das Stadtgebiet Uetersen habe. An der Frage, welchen Anteil der Bach Heidgraben an der Niederschlagsmenge ausmacht, scheiden sich die Geister. Holger Weber, Geschäftsführer der Abwasserentsorgung Uetersen (AUeG) GmbH, hält dies für vernachlässigbar. "Das spielt bei der Regenwassermenge nur eine untergeordnete Rolle."

In einer Vorlage von Kämmerin Horn ist von 30.000 Euro Kosten für den Heidgraben die Rede. Bei einem Gebührenaufkommen von 1,2 Millionen Euro seien das gerade mal 2,4 Prozent und falle unter die Bagatellgrenze.

Dagegen spricht ein interner Aktenvermerk vom Juli 2009, der dem Abendblatt vorliegt. Darin wird AUeG-Geschäftsführer Weber im Beisein seiner Prokuristen mit den Worten zitiert, der Kostenanteil für die Gemeinde Heidgraben betrage 230.000 Euro pro Jahr. Diese Zahl sei aber "nur für den internen Dienstgebrauch".

Bürgermeisterin Hansen sieht sich in einer Vorreiterrolle. Viele Kommunen in Schleswig-Holstein wären von dem Thema betroffen. So hätte der Heidgraben als Gewässer entwidmet und als reiner Entwässerungsgraben eingestuft werden müssen, bevor er in die Gebührenkalkulation einbezogen werden könnte. Das sei unglücklicherweise nicht geschehen und solle nun nachträglich durch ein Planfeststellungsverfahren geändert werden. Solange dies nicht der Fall sei, werde die Verwaltung die 30.000 Euro aus der Gebührenkalkulation herausnehmen, um auf der sicheren Seite zu sein.

FDP-Ratsherr Rolf Maßow reicht das nicht. Er fordert sein Geld zurück und droht mit einer Sammelklage vor dem Verwaltungsgericht. In der Ratssitzung sah er sich daraufhin scharfer Kritik ausgesetzt. Ulf Lüders, ehemals Erster Stadtrat in Uetersen und einer der Bürger, die Widerspruch eingelegt haben, nimmt ihn in Schutz. Die Bürger müssten darauf vertrauen können, dass bei den Bescheiden alles rechtlich korrekt sei. "Das ist bei diesen Abgabenbescheiden nicht der Fall", sagt er.

Hans Detlef Reichow, Unternehmer an der Franz-Kruckenberg-Straße, pflichtet ihm bei. Er sieht nicht ein, für sein Areal jährlich mehr als 1100 Euro Regensteuer zu bezahlen. "Ich habe ebenfalls Widerspruch eingelegt."

Rechtsanwalt Arno Witt aus Kiel rät der Stadt Uetersen, hart zu bleiben: "Ich sehe keine Veranlassung dazu, die Gebührenbescheide ganz oder in Teilen aufzuheben, zumal die Stadt nach Heilung der Rechtslage berechtigt wäre, die Kosten, um deren Absetzung es geht, erneut geltend zu machen, denn sie sind ja innerhalb der Gebühren des Gebührenkalkulations-Zeitraumes angefallen."