Das Pinneberger MehrgenerationenProjekt ist ein Beispiel für bezahlbare Wohnmodelle der Zukunft - und das auch für Senioren.

Pinneberg . Ein Modellprojekt feiert sich selbst. Im Keller des Mehrfamilienhauses am Kirchhofsweg 53 c vis-à-vis der Pinneberger Lutherkirche knallten jüngst die Sektkorken. Die 29-köpfige Bewohnerschaft war beinahe vollzählig im Gemeinschaftsraum versammelt, um auf den ersten Geburtstag der bunt gemischten Hausgemeinschaft anzustoßen. Fast alle Parteien brachten selbst gemachten Kartoffelsalat und andere Speisen mit zur Party, die den Charakter einer Familienfeier hatte.

Nicht nur zu diesem besonderen Anlass, sondern eben auch im Alltag funktioniert das Miteinander der Generationen. Sehr zur Freude zum Beispiel von Helga Riedel, 76, die im November 2011 mit ihrem Mann Karl-Heinz, 78, zusammen zwei anderen Rentnerehepaaren in das neu gebaute Mehrgenerationenhaus eingezogen war.

Helga Riedel, die vorher in einem Einfamilienhaus in Pinneberg gelebt hatte, war überfordert gewesen, sich um das große Haus und ihren kranken Mann zu kümmern. Wie viele andere Senioren wollte sie sich verkleinern, gleichzeitig aber in ihrem Viertel bleiben. Sie bewarb sich bei der Pinneberger Stiftung "Wir helfen uns selbst" erfolgreich um eine der 50 bis 60 Quadratmeter großen Wohnungen im Erdgeschoss des Mehrgenerationenhauses. Dort bekommen sie und ihr Mann regelmäßig Besuch von den Nachbarkindern. "Ich mag die Kinder um mich haben", sagt Helga Riedel. Nachbarsjunge Justin, 7, lümmelt sich ungezwungen neben ihr auf der Couch.

Was sie und andere Hausbewohner vom nachbarschaftlichen Leben schildern, klingt wie eine Idylle; wie eine Reise zurück in jene Zeiten, als es normal war, dass verschiedene Generationen in Großfamilien unter einem Dach oder auf einem Hof wohnten. Und diese Idylle ist kein für viele Senioren unbezahlbarer Luxus. In vielen Orten im Kreis Pinneberg suchen immer mehr ältere Menschen händeringend nach kleineren, günstigen Wohnungen. Und für ältere Zwei-Zimmer-Wohnungen im "Speckgürtel" werden häufig genug 500 Euro und mehr aufgerufen. Indes bietet die Pinneberger Stiftung "Wir helfen uns selbst", die 250 Wohnungen in ihrem Bestand hat, die Räume im modernen Mehrgenerationenhaus für eine Netto-Kaltmiete von 5,25 Euro an. Dazu kommen durchschnittlich zwei Euro Nebenkosten pro Quadratmeter - in vergleichbaren Objekten betragen die Nebenkosten annähernd drei Euro. Dabei hat es das Sonnenhaus, an dessen gelb-orangefarbener Fassade eine symbolische Sonne prangt, in vielfacher Hinsicht in sich. Es gibt zum Beispiel barrierefreie Duschen, einen hellen Fahrstuhl mit Glasdurchsicht, einen großen, gemeinschaftlich genutzten Garten. Das gesamte Gebäude ist nach dem Passivhaus-Standard konzipiert, auf dem Dach arbeitet eine Bürgersolaranlage. Dank der fortschrittlichen Technik können die Heizkosten sehr niedrig gehalten werden. Nebenkosten sparen die Mieter zudem, indem sie sich regelmäßig bei der Treppenhausreinigung, beim Winterdienst und der Gartenpflege einbringen. Helga Riedel, Brigitte Frohne, 79, und die anderen zehn Rentner müssen dabei nicht anpacken. Sie backen dafür Kuchen als Belohnung für die Hausbewohner, die für alle fegen und den Garten pflegen.

"Ich hatte damals Angst, daheim umzufallen, und niemand merkt es", sagt Brigitte Frohne, die aus einem 120-Quadratmeter-Häuschen mit riesigem Garten ausgezogen ist und nunmehr als alleinstehende Seniorin in einer 50-Quadratmeter-Wohnung im Sonnenhaus lebt. Von Anonymität ist jetzt keine Rede mehr. Brigitte Frohne fährt mit anderen Damen aus dem Haus zum Schwimmen, organisiert Kartenrunden im Gemeinschaftsraum, möchte dort regelmäßig zusammen nähen. "Wir treffen uns, wenn wir Zeit und Lust haben. Ich kann aber jederzeit meine Tür zumachen und meine Ruhe haben. Ich bin glücklich hier", so die Rentnerin.

Geistiger Vater des Projektes Mehrgenerationenhaus ist Ingo Worm, Geschäftsführer der Stiftung. "Wir haben die Generationen schon bei der Vergabe der Wohnungen darauf eingeschworen, miteinander leben zu wollen", sagt der 55-Jährige, der den öffentlich geförderten 1,8-Millionen-Euro-Bau mitkonzipiert hatte. "Es gibt großes Interesse an unserem Projekt, wir haben offizielle Anfragen aus Wedel ebenso wie aus Ostfriesland", sagt Worm. Er war es, der die zwölf Wohnungen vergeben hatte. Es hatte 36 Bewerbungen gegeben. Alle Interessenten brauchten einen amtlichen Wohnberechtigungsschein.

Außer Senioren fragten auch viele Familien mit mehreren Kindern an. Drei 95-Quadratmeter-Wohnungen mit je fünf Zimmern waren zu vergeben. In ihnen wohnen inzwischen drei Ehepaare zwischen 30 und 50 mit zusammen zehn Kindern im Alter von sieben bis 18 Jahren. "Herr Worm hat uns gut ausgesucht", sagt lachend Sandra Mohr. Mit ihrem Mann und drei Kindern hatte sie früher in einer kleinen Drei-Zimmer-Wohnung gelebt - "die nie richtig warm wurde". "Einfach cool", findet es ihr Sohn Kevin, 10, im Mehrgenerationenhaus. Er und die anderen Kinder halten Ordnung im Fahrradschuppen, springen im Sommer zusammen auf dem großen Trampolin, das alle benutzen dürfen. Ein Höhepunkt aus Kindersicht war, als Jung und Alt die drei alten Obstbäume hinterm Haus abgeerntet und in gemeinschaftlicher Arbeit mehr als 50 Liter Apfelsaft gepresst hatten. Sandra Mohr sagt: "Für uns ist das hier wie ein Lottogewinn."