Die Serie im Hamburger Abendblatt: Jeden Sonnabend stellen wir einen Klub und dessen Mitglieder vor. Heute: Elmshorner MTV.

Streng genommen haben die Turnerinnen den Vereinsnamen EMTV überflüssig gemacht. Am 21. September 1860 gründeten 49 Männer den Elmshorner Männer-Turnverein. Frauenturnen galt als verpönt. Gegner argumentierten, das weibliche Geschlecht habe zart zu sein. 152 Jahre später ist die Hälfte der Mitglieder des EMTV weiblich. Die Diskussion über eine Änderung des Vereinsnamens verebbte allerdings vor zwei Jahren. Zeiten ändern sich, die Historie bleibt. Der EMTV blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, an die sein Vereinsname erinnern soll.

Dabei wäre der Klub fast eine Fußnote in der Turngeschichte geblieben. 1877 traten 66 Mitglieder nach internen Streitigkeiten aus. Die Auflösung konnte knapp abgewendet werden. Schlimmer traf es den EMTV 1933. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten lag das Vereinsleben brach. 1946 musste der Verein rechtlich neu gegründet werden und hieß SSV Holsatia Elmshorner Turn- und Sportverein (ETSV). 1951, als die Holsaten den Hauptverein verließen, erhielt dieser den Namen EMTV zurück.

Abgesehen von diesen Tiefpunkten wuchsen die Mitgliederzahlen kontinuierlich. Zum 100-jährigen Bestehen hatte der Klub 1600 Mitglieder, heute knapp 5000. "2010 gab es das ganze Jahr über Feierlichkeiten zum 150. Geburtstag, unter anderem ein Kinder- und Spielefest. Viele Mitglieder nahmen mit Freude teil", sagt EMTV-Geschäftsführer Mark Müller. Er löste im Mai 2011 Uwe Hönke ab, der die Aufgabe 18 Jahre lang erfüllte.

Sportlich positionieren sich die Elmshorner als Breitensportverein. "Die klassischen Konflikte bleiben auch bei uns nicht aus. Die Hallenzeiten sind immer ein Thema", sagt Müller. Deshalb gehen die Verantwortlichen die Zukunft offensiv an. Vor neun Tagen bewilligte die Mitgliederversammlung einstimmig Millioneninvestitionen. Der Verein, der über einen Jahresetat von 1,6 Millionen Euro verfügt und so gut wie schuldenfrei ist, erweitert sein vereinseigenes Fitnesszentrum Vie Vitale um eine multifunktionale Sportstätte und baut anstelle der jetzigen eine neue Sporthalle am Koppeldamm. Dort nutzen die Mitglieder zudem zwei große Rasenplätze, eine kleinere Rasenfläche, die leichtathletischen Anlagen und fünf Tennisplätze für ihre sportlichen Aktivitäten. Finanziert wird das Neubauprojekt am Koppeldamm durch den Verkauf der stillgelegten Holsatia-Tennisanlage an der Wilhelmshöhe.

Das Profil des Breitensportvereins unterstreicht Müller, wenn er davon spricht, "dass wir Angebote für alle Altersgruppen bieten. Vom Eltern-Kind-Turnen bis zu Kursen für Senioren gibt es bei uns alles. Beim Eltern-Kind-Turnen habe ich übrigens als kleiner Junge mal angefangen", sagt der 31-Jährige, der als Innenverteidiger beim VfL Pinneberg in der Oberliga Hamburg Fußball spielt und mit der ehemaligen Bundesliga-Handballerin Svenja Rix (TSV Ellerbek) verheiratet ist.

Ein gutes Beispiel dafür, dass sportlicher Ehrgeiz und der Gedanke des Breitensports zusammenpassen, sind die Elmshorn Fighting Pirates. Die Football-Spieler waren in den vergangenen beiden Spielzeiten äußerst erfolgreich. 2011 stiegen sie in die drittklassige Regionalliga auf. 2012 wurden sie Vizemeister und verpassten damit den Sprung in die 2. Bundesliga. "Unsere Abteilung hat 250 Mitglieder. Wir finanzieren unseren Aufwand zum großen Teil über Sponsoren", sagt Uwe Altemeier. Er ist stellvertretender Vorsitzender und leitet die Abteilung American Football. "Ich bin mir sicher, das Footballteam könnte sportlich mehr erreichen, würden sie einen eigenen Verein gründen. Doch sie wollen unbedingt unter dem Dach des Gesamtvereins antreten. Das ist wahrer Gemeinschaftssinn", sagt Altemeier. Überhaupt sei der Begegnungswille im Verein ausgeprägt. "Es gibt im Klub einen sehr familiären Geist", sagt Altemeier. Das gefalle vielen Mitgliedern.

Sportlich noch erfolgreicher als die Abteilung American Football sind die Schwimmer (400 Mitglieder), die in der Bundesliga ihre Bahnen ziehen. Im Jahr 2000 schaffte Heiko Hell einen überraschenden Erfolg und nahm als erster Sportler des EMTV an Olympischen Spielen teil. Er wurde Achter im 1500 Meter Freistil. Natalie Charlos startete im Sommer für das Swim-Team Elmshorn, an dem der EMTV beteiligt ist, ebenfalls bei Olympia. Sie wurde 15. im Freiwasserschwimmen über zehn Kilometer.

Die Leichtathleten stellen mit Torben Bieler den mehrfachen deutschen Meister im 400-Meter-Hürdenlauf. Eine wahre Leichtathletik-Lebensleistung hat übrigens Ingrid Holzknecht vollbracht. Die 72 Jahre alte Athletin errang bisher 163 Titel von Schleswig-Holstein.

Vielfältige Angebote der Turnabteilung kommen Jugendlichen zugute

"Die namensgebende Turnabteilung ist nicht so wettkampforientiert", erklärt Altemeier. Dennoch seien Angebote wie Kinderturnen, Erwachsenenturnen, Geräteturnen oder Psychomotorisches Turnen für Kinder im Alter von drei bis neun Jahren wichtig und besäßen einen hohen Stellenwert im Verein, ebenso wie das Fitness-Center Vie Vitale, das inzwischen 1100 Mitglieder hat.

Über 60 Angebote von A wie Aerobic bis Z wie Zwerge (Singen, Spielen und Bewegung für Kinder vom Alter bis zu drei Jahren) zeugen von hoher Vielfalt. Von Montag bis Freitag wird von 9 bis 12 Uhr sogar eine Kinderbetreuung angeboten. Reha-Sportler können auf ärztliche Verordnung oder bei privatem Interesse spezielle Reha-Programme in Anspruch nehmen.

Vorbildlich ist darüber hinaus das starke gesellschaftliche Engagement des EMTV. Mit vier Schulen (Grundschule Kaltenweide, Boje-C-Steffen-Schule, Grundschule Hainholz, Gymnasium Krückaupark) bestehen heute Kooperationen. "Mit Kindergärten wollen wir demnächst verstärkt in Kontakt treten", sagt Müller. Je früher die Kinder - ganz im Sinne des Vereinsmottos "Wir bewegen Elmshorn" - Spaß am Sport fänden, desto besser.

Im vergangenen Jahr nahm der EMTV als erster Sportverein in Schleswig-Holstein an einem Pilotprojekt des Landessportverbandes und des Kinderschutzbundes namens Aktiver Kinderschutz im Sport teil. "Das taten wir aber nicht, weil wir bei unseren Trainern irgendetwas vermuteten, sondern weil wir präventiv wirken wollen und es bei dem Thema viele Grauzonen gibt", sagt Altemeier. Er begleitete das Projekt. Die Rückmeldungen von Trainern, Kindern und Vereinsmitgliedern seien sehr positiv. Ferner bewarb sich der EMTV bei der Ausschreibung zum Integrationspreis 2012.

Bereits seit dem Jahre 2006 ist der EMTV Stützpunktverein im Programm "Integration durch Sport" des Deutschen Olympischen Sportbundes - und glänzt mit einer Vielzahl an Initiativen, sei es das Projekt Sport für alle - Sport für Aussiedler, die gemeinsamen Projekte mit dem Stadtteil Hainholz oder das Kooperationsprojekt mit der Dittchenbühne, die sich unter anderem mit Sprachunterricht sehr intensiv um die Integration der Aussiedler in die Gesellschaft kümmert.

"Wir wollen nicht nur sportlich etwas bewegen", sagt Müller. "Der EMTV ist mehr nur als ein Sportverein."