Ein Blick hinter die Kulissen des Krematoriums in Tornesch. Besucher, die sich vor Ort informieren wollen, sind hier stets willkommen.

Tornesch. Am Ende bleiben gerade mal zwei bis vier Kilo übrig. So viel wiegt die Asche eines Menschen, dessen Leichnam verbrannt wird. Weiß-grauer Staub, der Rest eines ganzen Lebens.

2500 verstorbene Menschen werden jedes Jahr im Tornescher Krematorium eingeäschert, bis zu 15 jeden Tag. Trotz der großen Zahl wissen nur wenige Leute, was genau in diesem Haus vor sich geht. Schließlich trauern Angehörige, die soeben einen geliebten Menschen verloren haben, meist so sehr, dass sie sich nicht für technische Details interessieren. Besucher hingegen, die sich nur mal so über das Krematorium informieren wollen, sind bislang eher selten. Das ändert sich zunehmend.

Das Krematorium soll kein geheimnisvoller Ort sein. Darauf legt Rolf Matthießen, der Geschäftsführer der Tornescher Einrichtung, großen Wert. Deshalb führt er gern Gäste durch das Haus, etwa Hospizgruppen und Mitarbeiter von Pflegeheimen, aber auch Krankenschwestern und Mitglieder des Lions Club. Einmal im Jahr laden Rolf Matthießen und Betriebsleiter Heiko Schändel Bürger zu einem Tag der offenen Tür ein. "Dann kommen jeweils 200 bis 300 Leute", sagt Matthießen, "und man kann kaum glauben, was sie alles wissen wollen." Stammt die Asche in der Urne tatsächlich vom Angehörigen? Darf der Tote eigene Kleidung tragen? Muss man überhaupt einen Sarg nehmen oder geht es auch ohne?

Matthießen, Schändel und ihre Mitarbeiter geben Antworten auf alle möglichen und manchmal auch auf die unmöglichen Fragen. Ja, der Verstorbene darf seine eigene Kleidung tragen, und nein, ohne Sarg geht es nicht. Um zu verhindern, dass Särge, Urnen oder Asche vertauscht werden, gibt es gleich eine ganze Reihe von Sicherheitsvorkehrungen. Das beginnt bereits am Hintereingang. Dort fahren die Bestatter vor und bringen die in jeweils einen Sarg gebetteten Verstorbenen ins Gebäude. Sogleich erhält jeder Sarg eine elektronische Eingangsnummer. Anschließend wird das Formular ausgedruckt und auf den Sarg geklebt.

Dann geht es weiter in den Kühlraum. Vor der hellen Wand stehen auf gefliestem Boden mehr als ein Dutzend Särge auf Rollwagen. Das Thermometer im Kühlraum misst fünf Grad, so viel wie in einem handelsüblichen Küchenkühlschrank. Strenge Gerüche? Fehlanzeige. "Im Regelfall ist niemand länger als vier Tage bei uns", sagt Matthießen. Nur wenn der Verwesungsprozess bereits vor längerer Zeit begonnen hat, wird der Verstorbene in einem gesonderten Tiefkühlhaus aufgebahrt. Also etwa dann, wenn der leblose Körper mehrere Wochen unbemerkt in einer Wohnung gelegen hat, bevor er gefunden wird. Das Tiefkühlhaus kann in solchen Fällen auf bis zu minus 20 Grad heruntergefahren werden.

Bevor ein Leichnam zur Verbrennung freigegeben wird, muss ein Amtsarzt einen fachkundigen Blick darauf werfen. "Das gilt für jeden. Es sei denn, es gab bereits vorher eine Untersuchung vor Ort", sagt Heiko Schändel. Dieses Verfahren soll dazu beitragen, rechtzeitig herauszufinden, ob jemand eines unnatürlichen Todes gestorben ist. Anders als bei einer Erdbestattung, bei der ein Verstorbener samt Sarg beerdigt wird, lässt sich das nach einer Feuerbestattung praktisch nicht mehr nachweisen. Also fährt zwei- bis dreimal pro Woche eine Rechtsmedizinerin von Hamburg nach Tornesch, um die Toten zu begutachten.

Dies muss nicht bedeuten, dass jemand ermordet wurde. Im Gegenteil: Als unnatürliche Todesursache gilt bereits ein Oberschenkelhalsbruch. "Das Messer im Rücken gibt's bei uns nicht", sagt Matthießen. Er kennt allerdings etliche Fälle, in denen die Untersuchung der Rechtsmedizin Erstaunliches zutage gefördert hat. So hätten Amtsärzte gerade in früheren Zeiten gelegentlich herausgefunden, dass Menschen in Heimen nicht richtig gepflegt worden seien. Auch bis dato nicht dokumentierte Arbeitsunfälle seien auf diese Weise nach Jahren entdeckt worden - mit der Folge, dass die Hinterbliebenen Rentenansprüche geltend machen konnten.

Erst nach dieser vorgeschriebenen Untersuchung wird der Sarg für die Verbrennung vorbereitet. Falls Angehörige dies wünschen, haben sie zuvor Gelegenheit, in einem hellen Aufbahrungsraum am offenen Sarg noch einmal Abschied zu nehmen. Anschließend wird der Sarg in den Nebenraum gebracht, dort befindet sich das Tor zum Verbrennungsofen. "Hier erhält jeder Sarg einen eigenen Schamottstein mit laufender Nummer, der ebenfalls mit in den Ofen kommt", sagt Heiko Schändel. Auch dies ist wichtig, um Verwechslungen auszuschließen. Der feuerfeste Stein bleibt nahezu unbeschädigt und wird später der Urne beigelegt.

Der Verbrennungsofen ist eine mehrere Meter hohe Maschine, die so unscheinbar aussieht, dass sie in keiner Fabrikhalle auffallen würde. Per Knopfdruck wird der Sarg in den Ofen gefahren. In der Hauptbrennkammer, die mit Gas beheizt wird, herrscht eine Temperatur von mindestens 680 Grad. Nach etwa 70 bis 80 Minuten ist der Leichnam eingeäschert.

Ein Besen fegt anschließend automatisch durch die Hauptbrennkammer, um all das, was übrig geblieben ist, in eine Art Schublade zu kehren. Heiko Schändel nimmt sie heraus. Erst jetzt ist zu erkennen, ob der Verstorbene künstliche Hüftgelenke hatte, eine Oberschenkelprothese oder einen Herzschrittmacher.

All dies wird von den Mitarbeitern des Krematoriums aussortiert. "Wir verkaufen den orthopädischen Stahl an eine Firma, die das Metall weiterverwertet. Das Geld behalten wir aber nicht, sondern spenden es für gemeinnützige Zwecke", sagt Rolf Matthießen.

Zahngold hingegen werde nicht aussortiert. Dieses kommt wie der Schamottstein mit in die Urne. Knochen sind das Einzige, das vom Körper des Menschen bleibt. Meist sind sie stark porös, wenn sie aus dem Ofen kommen, aber nicht komplett zu Staub zerfallen. Heiko Schändel füllt sie daher noch in eine Knochenmühle, in der sie fein gemahlen werden, bevor sie in die Urne gelangen. Oder besser gesagt: in eine Aschekapsel. So heißt das schmucklose Gefäß, in das die Asche gefüllt wird. Doch es erfüllt eine äußerst wichtige Funktion. Denn in dem Augenblick, in dem diese Kapsel versiegelt wird, beginnt offiziell die Totenruhe. Jene oft prächtigen Gefäße, die man bei Beisetzungen auf Friedhöfen sieht, heißen im Fachjargon Überurnen und sind lediglich eine Art Übertöpfe für die eigentlichen Urnen, die Aschekapseln.

Noch einmal überprüft Heiko Schändel, ob der Name des Verstorbenen auf dem Formular mit dem auf dem Deckel der Aschekapsel übereinstimmt. Dann verpackt er die Urne in einen Pappkarton.

Der Bestatter wird sie bald abholen und mitnehmen auf die letzte Reise.