Ein Vater steht wegen Kindesentziehung vor dem Pinneberger Amtsgericht. Der Richter stellt das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße ein.

Pinneberg. Der Streit zwischen Ahmed und Zhanna S. dauert inzwischen mehr als drei Jahre. Es geht um die alles entscheidende Frage, wo die drei gemeinsamen Kinder leben sollen: bei der Mutter in Pinneberg oder beim Vater in Ägypten? Schon mehrfach haben sich Gerichte mit dieser Frage befasst und Entscheidungen getroffen, die dann von der Verliererseite angefochten worden sind.

Am Montag trafen die Streithähne erneut vor dem Amtsgericht Pinneberg aufeinander. Diesmal ging es jedoch nur am Rande um den erbitterten Sorgerechtsstreit des Noch-Ehepaars. Vielmehr musste Amtsrichter Jörn Harder die Frage klären, ob sich Ahmed S. der Kindesentziehung strafbar gemacht hat. Das warf ihm die Staatsanwaltschaft vor. Die Anklagebehörde stützte sich auf ein Urteil des Familiengerichts vom 30. Dezember 2010, das Mutter Zhanna S. das alleinige Sorgerecht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder zuerkannte. Der Weisung des Gerichts, die heute elf und acht Jahre alten Kinder zur Mutter nach Deutschland zu bringen, war Ahmed S. nicht nachgekommen.

Der 38 Jahre alte Ägypter und seine 40 Jahre alte Noch-Ehefrau, eine geborene Russin, waren im August 2009 in das mehrheitlich islamische Land gereist. Auch die drei gemeinsamen Kinder, ein 2001 geborener Sohn und ein 2003 zur Welt gekommenes Zwillingspaar, waren mit dabei. "Es war geplant, dass wir unseren Lebensmittelpunkt nach Kairo verlegen", ließ Ahmed S. seine Verteidigerin Gabriele Schlenger vor Gericht erklären. In Ägypten sei es jedoch zum Zerwürfnis gekommen, so dass seine Frau ohne die Kinder nach Deutschland zurückkehrte. Sie sei in der Folge noch ein- oder zweimal dort zu Besuch gewesen, dann habe es längere Zeit keinen Kontakt gegeben.

Inzwischen befasste sich das Familiengericht in Pinneberg, wo das Ehepaar mit den Kindern zuletzt gelebt hatte, mit dem Fall. Ende 2010 gab die Justiz der Mutter in allen Punkten Recht. Ahmed S. wurde für den Fall, dass er die Kinder nicht herausgibt, ein Ordnungsgeld von 20 000 Euro oder ersatzweise sechs Monate Haft angedroht. "Mein Mandant hat sofort Rechtsmittel gegen diese Entscheidung eingelegt", sagt Verteidigerin Schlenger. Der Fall zog sich bis vor das Oberlandesgericht in Schleswig. Die Richter hoben den Beschluss der Pinneberger Kollegen auf, weil diese nach Meinung des Oberlandesgerichts nicht zuständig waren.

Seitdem haben sich beide Seiten angenähert. Mit Zustimmung der Eltern hat sich wiederum das Familiengericht Pinneberg mit dem Fall befasst. Dort wurden im November 2011 sowie im Juli 2012 Umgangsvereinbarungen getroffen. Demnach kann Zhanna S. jeweils dienstags und donnerstags mit ihren Kindern in Ägypten telefonieren. Diese waren zudem inzwischen dreimal bei der Mutter in Pinneberg und haben dort ihre Ferien verbracht.

"Meine Mandantin war unter Zwang, weil sie ihre Kinder sehen wollte. Das heißt aber nicht, dass sie auf ihr Sorgerecht verzichten will", begründete Fardjam Yazhari, der Rechtsanwalt von Zhanna S., warum sie den Umgangsvereinbarungen zugestimmt hatte. Die 40-Jährige ist Nebenklägerin im Strafverfahren gegen ihren Noch-Ehemann, der zwischen seinem Wohnsitz in Hamburg und Kairo pendelt.

Auf ihre Kinder wird die Frau jedoch noch längere Zeit verzichten müssen. Ein inzwischen eingeschalteter Gutachter des Familiengerichts, der mit den drei Kindern sowie den beiden Elternteilen gesprochen hat, kommt zu dem Schluss, dass aus Sicht des Kindeswohls ein weiterer Aufenthalt in Ägypten angebracht sei. Die Kinder würden dort bei den Eltern von Ahmed S. in gefestigten Strukturen leben, zur Schule gehen und Freundschaften pflegen. Ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland könnte dagegen zu psychischen Schäden führen.

Ob nunmehr Ahmed S. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder erhält, muss das Familiengericht zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. "Mit der Entscheidung, wo es den Kindern besser geht, wäre ich überfordert", räumt Richter Jörn Harder ein. In diesem Punkt müsse er sich auf die Experten des Familiengerichtes verlassen. Was den Vorwurf des Kindesentzugs betrifft, kam der Jurist nach eineinhalbstündiger Verhandlung zu einem Urteil: Er stellte das Strafverfahren mit Zustimmung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen die Auflage einer Zahlung von 1000 Euro an die Staatskasse ein. Ahmed S., dem laut Paragraf 235 des Strafgesetzbuchs bis zu fünf Jahren Haft gedroht hätte, kann jetzt wieder nach Ägypten zu seinen Kindern zurückkehren.