Helgoland zieht immer mehr Touristen an. Das Naturwunder 2012 fasziniert auch Gesteinsexperten. Die Wirtschaft auf der Insel floriert.

Helgoland. Deutschlands einzige Hochseeinsel befindet sich im Aufwind. Die Wirtschaft auf Helgoland floriert dank der großen Offshore-Parks, die in der Nordsee entstehen, und dank der Touristen, die es in stetig wachsender Zahl auf die Insel zieht. Hoch hinaus geht es aber auch in einem anderen Bereich.

Von Besuchern und Einheimischen kaum bemerkt, gewinnt die Insel jedes Jahr an Höhe - allerdings nur im Millimeterbereich. Die Salzablagerungen wölben das Gestein der Insel seit Jahrhunderten nach oben. Helgoland ist eben ein Wunder der Natur. Genau dieses Prädikat hat die Insel jetzt auch schwarz auf weiß bekommen.

Die Heinz-Sielmann-Stiftung hatte dazu aufgerufen, aus 30 Geotopen das schönste auszuwählen. Geotope sind Gebilde, die Erkenntnisse über die Entwicklung der Erde und die Entstehung des Lebens vermitteln. Mehr als 20 Prozent der Teilnehmer votierten bei der Online-Abstimmung für die Insel Helgoland. Damit ließ die rote Felsengruppe die Kreideküste Jasmund auf Rügen, die Feldberger Seenlandschaft, die Einhornhöhle im Harz und die Dinosaurier-Fährten in Münchehagen sowie das Morsum-Kliff auf Sylt weit hinter sich. "Das Ergebnis zeigt eindrucksvoll, dass Helgoland überregional und bundesweit hohe Sympathiewerte genießt", sagte Kurdirektor Klaus Furtmeier während der Preisverleihung im Wedeler Fährhaus. Er gestand aber auch, dass die Insulaner kräftig für sich getrommelt und Besucher für die Abstimmung mobilisiert hatten.

Auf die Besucher kann sich die Tourismusbranche verlassen, wie auch ein Blick auf die Gästezahlen der vergangenen Saison beweist. Im Vergleich zum Vorjahr strömten 13 222 Besucher mehr auf die Insel. 2011 verzeichnete die Kurdirektion noch 278 987 Gäste. Das macht ein Plus von knapp fünf Prozent, und dabei endet die Saison offiziell erst Ende Oktober. Im September kam noch erschwerend hinzu, dass das Schiff 32-mal aus technischen Gründen nicht auslaufen konnte. Lediglich 11 000 Reisende nutzten das Flugzeug, 75 000 Urlauber den Katamaran.

Doch auf dem Erfolg will sich Tourismuschef Furtmeier nicht ausruhen. Furtmeier möchte noch mehr Besucher auf die Insel locken. Dabei soll ihm der Stiftungstitel helfen, wie er während der Preisübergabe verriet. "Mit der Auszeichnung als Naturwunder 2012 darf die Insel nun ein Jahr werben und auf diese Weise sicher noch mehr Gäste für Helgoland begeistern."

Die Frage ist, ob für alle dann noch ein Bett frei ist. Die Hotels und Pensionen richten sich bereits jetzt darauf ein, dass es vom kommenden Jahr an auf Helgoland eng wird. So wendet sich die Rickmers Hotelbetriebs KG an ihre Stammkunden und rät ihnen früh zu buchen. Der Grund für den Bettenmangel ist, dass die Insel ab 2013 zum Personalstützpunkt für in der Nordsee liegenden Offshore-Windparks wird. 150 Fachkräfte werden künftig dauerhaft für die Wartungsarbeiten gebraucht. Sie leben dann auf der 1300 Einwohner umfassenden Insel.

Für ihre Mitarbeiter haben die Energie-Konzerne deshalb gleich ganze Hotels gepachtet. Ab Januar können Urlauber dadurch zum Beispiel zehn Jahre lang keine Zimmer mehr im luxuriösen Designhotel Atoll buchen. Dort hat sich WindMW aus Bremerhaven eingemietet. WindMW will den Park Meerwind Süd/Ost mit 80 Anlagen (288 Megawatt) bauen. E.on mietet zwei Aparthotels im Oberland. Zudem steht das Falmhotel nicht mehr zur Verfügung. "Es wird schwieriger, zur richtigen Zeit das passende Zimmer zu finden", heißt es deshalb in dem Schreiben von Hotelier Detlev Rickmers an seine Gäste. Er rechnet damit, dass 200 der 2600 Gästebetten über zwei Jahre ausfallen werden.

Weil der Tourismus und die Wirtschaft boomen, hält Anne Ipsen die Auszeichnung Helgolands als Naturwunder für besonders wichtig. "Wir müssen die Geotope achten und bewahren", mahnte die Schauhöhlenreferentin vom Verband deutscher Höhlen- und Karstforscher während der Preisverleihung.

Den Balanceakt zwischen Tourismus auf der einen und Naturschutz auf der anderen Seite kennt Ipsen aus Bad Segeberg, wo es um die Kalkberghöhle geht. "Helgoland zeigt, dass die Vereinbarkeit von Schutz und Tourismus klappen kann", lobte Michael Beier, aus dem Stiftungsvorstand, der persönlich den Preis an Kurdirektor an Klaus Furtmeier überreichte.

Mit dabei war auch Sabine Rosenbaum. Die Leiterin des Geologischen Dienstes in Schleswig-Holstein geriet ins Schwärmen, während sie über die Entstehung und Bedeutung Helgolands berichtete. Was für Besucher einfach schön anzusehen ist, ist laut Rosenbaum ein Mekka für Geologen. "Helgoland ist für uns wie ein Fenster, das uns in die Geschichte von Millionen von Jahren blicken lässt", so die Expertin.

Helgoland entstand vor hundert Millionen von Jahren. Dicke Salzablagerungen, die durch den Wechsel des Klimas und das Austrocknen des Meeres entstanden waren, stiegen durch Druck und Temperatur nach oben und rissen im Fall der Hochseeinsel auch gleich große tiefer liegende Gesteine mit - das sind die rot leuchtenden Buntsandsteine Helgolands. An dem Buntsandstein finden sich Spuren, die Rückschlüsse auf die Erdgeschichte ermöglichen, wie zum Beispiel Fossilien. Der Felsen ist für die Geologen das Fenster in eine andere Zeit.