Vor einem Jahr zogen 480 Mitarbeiter der Kreisverwaltung um. Seitdem leidet die Kreisstadt jedoch unter dem Abzug der Kaufkraft.

Elmshorn/Pinneberg. Vor genau einem Jahr haben 480 Mitarbeiter der Kreisverwaltung ihr neues Domizil im ehemaligen Talkline-Gebäude in Elmshorn bezogen. Im neuen Kreishaus hat sich für Mitarbeiter und Kunden im Vergleich mit dem alten Standort in Pinneberg vieles verbessert. "Dennoch vermissen viele Kollegen Pinneberg", sagt Personalratschef Holger Drescher. Gleichzeitig vermissen viele Pinneberger Geschäftsleute die Mitarbeiter der Kreisverwaltung. "Wenn einer sagt, dass er keinen Umsatzverlust hat, glaube ich das nicht", sagt Jörg Federmann, Betreiber des Lavastein-Grill in der Fußgängerzone.

Ein Jahr am neuen Standort - für Landrat Oliver Stolz ist das eine Erfolgsstory. "Wir haben einen Quantensprung gemacht, das sagen auch viele unserer Kunden." Statt sieben Zugängen gebe es jetzt einen zentralen und repräsentativen Empfangsbereich, außerdem sei das neue Gebäude behindertengerecht. Stolz: "Der Bürgerservice hat sich erheblich verbessert." Die Mitarbeiter würden hochmoderne Büros vorfinden und könnten dank der großzügigen Raumsituation schnell Besprechungen abhalten. "In Pinneberg hatten wir einen alten, bedrückenden Bau. Die Raumsituation in Elmshorn wirkt sich positiv auf die Mitarbeiter aus."

Etwa 100 Kunden besuchen durchschnittlich pro Tag das neue Kreishaus, am stärksten frequentiert sind Ausländer- und Schulbehörde sowie die Bereiche Bau und Soziales. "Die Beschilderung ist noch etwas problematisch, das werden wir noch ändern", sagt Stolz. Es gebe noch kleinere Probleme mit dem Gebäude, etwa bei der Belüftung oder der zu starken Aufheizung im Sommer. "Wir sind mit dem Vermieter im Gespräch."

Auch Personalratschef Drescher ist grundsätzlich mit dem Gebäude zufrieden. "Die meisten Kollegen haben sich an das Haus gewöhnt." Auch der Wechsel von Einzelbüros in Pinneberg zu Zweier- oder Dreier-Büros in Elmshorn sei gut verlaufen. Drescher: "Wir haben in einem Bereich auf Wunsch der Mitarbeiter eine offene Bürolandschaft. Dort gibt es Probleme mit dem Schallschutz, da muss noch etwas passieren."

Was Drescher und den Kollegen nicht gefällt, ist der Standort am Rande der Stadt. "In Pinneberg konnte man in der Mittagspause mal eben etwas einkaufen oder sich mal im Drosteipark auf eine Bank setzen. Das alles geht hier nicht." Auch sei das Kreishauses in Elmshorn mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer zu erreichen. "Es gibt Teilzeitkräfte, die auf dem Weg hierher lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen."

Holger Drescher kritisiert, dass der Kreis als Arbeitgeber ÖPNV-Dauerkarten der Mitarbeiter nicht bezuschusst. "Viele von uns kommen jetzt mit dem Auto." Dagegen lobt der Personalratschef ausdrücklich die vorbildlichen Fahrradabstellmöglichkeiten.

Ein Jahr nach dem Umzug der Kreisverwaltung hat sich in Pinnebergs Innenstadt einiges getan. Allerdings nicht so sehr positives. Viele Geschäfte in der Fußgängerzone stehen leer, vor allem der Bereich zwischen Bahnhofstraße und Lindenplatz wirkt verödet. Das Café Wien ist geschlossen, lediglich die hauseigene Bäckerei öffnet drei Tage die Woche. Auch der Ratskeller ist seit kurzem dicht. Betreiber Hassan Parnaweh-Far begründete seinen Rückzug nach 26 Jahren damit, dass vor allem mittags die Kunden ausgeblieben seien. "Der Wegzug der Kreisverwaltung befördert eine Entwicklung in negativer Richtung", sagt Pinnebergs neuer Stadtmanager Dirk Matthiessen. Er will sich bei Vermietern stark machen, Zwischenlösungen für leerstehende Geschäfte zuzulassen. "Wenn die Kunden an langen Strecken verklebter Schaufenster entlanggehen, löst das Tristesse aus." Matthiessen räumt ein, kaum Einflussmöglichkeiten auf die Preisvorstellungen der Vermieter zu haben.

Daran scheitere häufig eine Neuvermietung, so Jörg Federmann vom Lavastein-Grill. Es gebe Hauseigentümer, die hätten utopische Preisvorstellungen. "Aus meiner Sicht wollen die gar nicht vermieten. Dass die Kreis-Mitarbeiter fehlen, haben wir am Umsatz bemerkt", sagt Federmann. Er sei kein Freund von Schwarzmalerei. "Pinneberg ist besser als sein Ruf. In anderen Innenstädten sieht das schlechter aus." Kathrin Dahrmann, Betreiberin des Geschäftes Vom Fass, sagt: "Pinneberg hat Potenzial". Allerdings sei ihr aufgefallen, dass viel weniger Leute in der Fußgängerzone unterwegs seien als vor dem Umzug der Kreisverwaltung.

Pinnebergs Geschäftsleute und der Citymanager hoffen nun auf das Wohnbauvorhaben auf dem alten Kreishaus-Areal. Matthiessen: "Das wird den Verlust der Kreis-Mitarbeiter irgendwann kompensieren. Bis dahin müssen wir eine Durststrecke überwinden."