Das Ernst Barlach Museum präsentiert in der Ausstellung “Based in China“ 120 Arbeiten chinesischer Gegenwartskunst.

Wedel. Ernst Barlach wusste schon im Jahr 1909, was Chinas Künstler können. "Li-Tai-Pe ist ein Name, den man behalten muss, wenn man etwas von dem Besten wissen will", schrieb er damals, nachdem er Gedichte von Li-Tai-Pe gelesen hatten. In Anbetracht dieser Tatsache passt es nur zu gut, dass die neue Ausstellung im Ernst Barlach Museum in Wedel sich zeitgenössischer Kunst aus China widmet.

"Based in China - Gegenwartskunst und Tradition" lautet der Titel jener Ausstellung, mit der das Ernst Barlach Museum seinen Beitrag zu "Chinah", dem chinesischen Kulturjahr in Deutschland leistet. 120 Arbeiten von 13 Künstlern sind zu sehen, sie reichen von Malerei und Fotografie über Bildhauerei bis zu Rauminstallationen. "Das ist ein riesiges Projekt, das normalerweise völlig unseren Rahmen sprengt", sagt Heike Stockhaus, Kuratorin der Ernst Barlach Gesellschaft Hamburg. "Wir kriegen schließlich keine institutionelle Förderungen, nur Projektförderungen und nie mehr als 40 000 Euro im Jahr. Davon kann man eigentlich kein Museum unterhalten."

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Trotzdem gelang es Stockhaus und ihren Kollegen, eine anspruchsvolle Ausstellung zusammenzustellen. Ein halbes Jahr dauerten die Vorbereitungen. Die meisten Leihgaben stammen von "Alexander Ochs Galleries Berlin / Beijing". "Alexander Ochs ist schon seit Anfang der Neunziger als Kunstvermittler in China aktiv", so Stockhaus. "Seine Galerie in Berlin war die erste in Deutschland, die überhaupt mit chinesischer Kunst gearbeitet hat."

Das Schöne ist, auch wer mit Chinas Avantgarde bisher keine Berührungspunkte hatte, fühlt sich in "Based in China" nicht verloren. Erklärende Tafeln geben Einführungen in das Schaffen der einzelnen Künstler und zeigen auf, in welchem Kontext chinesische Gegenwartskunst entstanden ist. Schließlich liegen deren Anfänge noch gar nicht so weit in der Vergangenheit. Während der Kulturrevolution, die von Mao Zedong, dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chinas, in den Sechzigern ausgelöst wurde, wurden Kulturgüter zerstört, Opern verboten, die Bevölkerung musste Kunstgegenstände bei den Garden abliefern. Erst in den Achtzigern öffnete sich China, die Kunstszene blühte auf.

Im Ernst Barlach Museum sind sowohl Werke aus jener Zeit, als auch aus der unmittelbaren Gegenwart zu sehen. "Wir wollten mit den ausgestellten Werken die Hauptgedanken der Gegenwartskunst nachzeichnen", so Stockhaus. "In den späten Achtzigern waren viele Künstler völlig mittellos und haben vor allem Performancekunst gemacht. Diese Entschlossenheit und der Mut, sich mit dem eigenen Körper zu inszenieren, zeichnet die Gegenwartskunst Chinas noch heute aus."

Zu den bekanntesten Performance-Künstlern gehört Zhang Huan, der 1994 mit der Arbeit "12 Square Metres" auf sich aufmerksam machte. Er hatte sich mit Honig und Fischöl eingeschmiert und hockte stundenlang in einer öffentlichen Latrine, bis er mit Fliegen bedeckt war. Damit wollte er die gesellschaftliche und politische Entwicklung seiner Zeit kritisieren. Fotografiert wurde er dabei von Rong Rong.

Der Fotograf schloss sich in den Neunzigern der Künstlerkolonie "East Village" am Stadtrand Pekings an und dokumentierte die oft skandalösen Performances seiner Freunde. "Seine Arbeiten sind ein Herzstück der Ausstellung", so Stockhaus. Ein anderer Aspekt, der die chinesische Gegenwartskunst prägt, ist eine Rückbesinnung auf alte Traditionen. "Das ist in der Gegenwartskunst in Europa oder Amerika gar nicht vorhanden", so Stockhaus. "Man findet es aber bei ganz vielen Werken in der Ausstellung." So verknüpft die in Deutschland lebende Kexin Zhang Methoden alter, chinesischer Wissenschaft mit Technologien, Medien und Ideen westlicher Konzeptkunst und arrangiert historisch bedeutsame Ereignisse wie den Fall der Berliner Mauer als Stillleben.

Besonders stolz ist Stockhaus darauf, dass viele der ausgestellten Werke kritisch sind und sich mit elementaren Fragen auseinander setzen. "Als der Künstler Ai Weiwei verhaftet wurde, war der Trubel groß, ganz China schien plötzlich aus Dissidenten-Kunst zu bestehen", sagt sie. "Wenn man sich allerdings die Projekte des Kulturjahres anschaut, sind kaum kritische Projekte dabei, dabei gibt es davon reichlich." Dazu gehöre zwar auch heute noch viel Mut, allerdings gäbe es auch viele Freiheiten und es drohe nicht automatisch jedem kritischen Künstler die Verhaftung. "Und genau diese Kunst," so Stockhaus, "interessiert mich als Kuratorin. Wir haben so viele Probleme auf der Welt. Ich finde, dass die Kunst in irgendeiner Weise dazu beitragen muss, dass wir uns weiter entwickeln."

Die Ausstellung "Based in China" wird am Sonntag um 12 Uhr mit einem Konzert chinesischer Avantgarde-Musik eröffnet. Danach sind die Werke noch bis zum 23. September zu sehen. Das Ernst Barlach Museum hat dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet, der Eintritt beträgt sechs Euro.