Künftig fließen 3,9 Prozent aller Einnahmen in den Osten. Dennoch freuen sich die Geistlichen aus dem Kreis über die Kirchenfusion.

Kreis Pinneberg. Von der Dreikönigskirche in Haselau bis zur Stephanskirche in Gartz an der Oder sind es satte 466 Kilometer. Laut Routenplaner dauert es vier Stunden und 40 Minuten, diese Strecke vom Südwesten Schleswig-Holsteins bis in den Südosten Mecklenburg-Vorpommerns zurückzulegen. Wie schnell den Gläubigen der Brückenschlag zwischen West und Ost gelingt, ist eine andere Frage. Fest steht seit wenigen Tagen, dass die Landeskirche Nordelbien, zu der der Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein gehört, mit der Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche eine große Evangelisch-Lutherische Nordkirche bilden wird. Unter deren Dach werden in Zukunft mehr als 2,3 Millionen Kirchenmitglieder zusammengefasst sein.

Was bedeutet die Kirchenfusion für die einzelnen Kirchengemeinden im Kreis Pinneberg? Das wollte das Hamburger Abendblatt von Thomas Drope, einem von drei Pröpsten im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, wissen. "Für die Gemeinden direkt gibt es wenig Auswirkungen, aber unser Horizont erweitert sich", antwortet Drope, der leitender Geistlicher im Bezirk C (ehemals Kirchenkreis Pinneberg) ist. Für Drope wächst im Norden zusammen, was zusammengehört: "Wir machen das, was uns der NDR seit langem vorgemacht hat." Es ist das erste Mal in der Geschichte des wiedervereinigten Deutschlands, dass Kirchen in West und Ost fusionieren.

"Es wird spannend sein, wenn zum Beispiel sehr kleine Kirchengemeinden von hier und aus Vorpommern voneinander lernen", glaubt Andreas-Michael Petersen, Pastor in Haselau.

Seine Gemeinde gehört zu jenen, die sich während des Fusionsprozesses mit ihren Wünschen, aber auch mit Befürchtungen positioniert hatten. Zu Petersens Wünschen gehört die "gemeinsame Identität als 'Kirche im Norden', die uns motiviert und treibt." Als eine ihrer Befürchtungen nannten die Haselauer, "dass die Unterschiede zu groß sind und die Fülle unserer Gaben und Möglichkeiten nicht zur Entfaltung kommen". Zudem ist da die Sorge wegen "finanzieller Konsequenzen, die für unsere Gemeinde entstehen könnten".

Was die Frage nach den finanziellen Auswirkungen angeht, so ist klar, dass die nordelbischen Kirchenkreise wie Hamburg-West/Südholstein künftig 3,9 Prozent ihrer Einnahmen als Akt der Solidarität mit den Glaubensbrüdern im Osten dorthin transferieren. Mehr als ein Zehntel dieses "Solidaritätszuschusses" kommt aus den Kassen der aktuell knapp 239 000 Gläubigen zwischen Norderstedt und Wedel.

Der Haushalt der neuen Nordkirche soll in Zukunft pro Jahr ein Volumen von 420 Millionen Euro haben, drei Millionen Euro müssen gemeinsam per anno eingespart werden. "Es stand seit langem fest, dass wir fünf Prozent weniger Zuweisungen bekommen werden, deshalb schreckt die Nachricht nicht", sagt der Haselauer Pastor Petersen.

Fest steht auch, dass es einen Abbau des Personals der Kirchenverwaltungen geben wird. Von 15 Prozent der Stellen ist die Rede, die vor allem in den Kirchenämtern und Archiven der Kirche wegfallen sollen. In diesem Punkt jedoch gibt Propst Thomas Drope für seinen Zuständigkeitsbereich Entwarnung: "Wir haben während der Fusion des heutigen Kirchenkreises auf allen Ebenen eingespart. Auf Kirchenkreisebene sind wir beim Personalabbau nicht mehr dran."

Einstellen müssen sich die Gemeinden und Kirchenkreise auf neue Begrifflichkeiten innerhalb ihrer Organisationen. Denn die Gründungssynode hat beschlossen, bestimmte Bezeichnungen aus den beiden bisherigen Landeskirchen im Osten zu übernehmen. Fortan heißt es Kirchen-Gemeinderat statt Kirchenvorstand.

Für Hartmut Ermes ergibt sich aus der Fusion der Landeskirchen eine neue Art der Zusammenarbeit: "Wir werden Solidarität üben müssen, die Kirchengemeinden werden ihren Beitrag für die Fusion leisten müssen, auch finanziell", glaubt der Vorstandsvorsitzende der Kirchengemeinde Quickborn-Hasloh, die etwa 9000 Mitglieder zählt. Ermes ist auch Mitglied der Synode des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein. Grundsätzlich steht er der Fusion positiv gegenüber. "Das hat doch ein ganz anderes Gewicht nach draußen, ob es sich um den Kirchenkreis Pinneberg, Hamburg-West/Südholstein, Nordelbien oder einen noch größeren Verbund handelt."

Pastor Norbert Dierks freut sich über die Fusion. "Den Mut der Verantwortlichen, den Zusammenschluss zügig und trotz einiger Sorgen anzuschieben, finde ich bemerkenswert", sagt der Halstenbeker. Für seine Gemeinde sieht er keine direkten Auswirkungen. "Trotzdem könnte es auch Probleme geben", sagt er. "Schließlich haben die zwei ostdeutschen Landeskirchen eine ganz andere Tradition." Das zeige sich beispielsweise bei der Konfirmation, die dort laut dem Halstenbeker Pastor immer noch einen anderen Stellenwert hat als in Nordelbien.

Feiern aber mögen sicher alle Gläubigen. Am 27. Mai (Pfingsten) wird in Ratzeburg ein Fusionsfest gefeiert. Auch eine Delegation aus dem kleinen Haselau will dann bei der Riesenfete dabei sein. Bis in die Domstadt am See ist es auch nicht so weit: 126 Kilometer Richtung Osten.