Moderne Geräte sollen das natürliche Material so überprüfen, dass es keine unliebsamen Überraschungen birgt

Kreis Pinneberg. Fast drei Millionen Euro werden auf 106 Reetdächern in den Landkreisen Pinneberg und Steinburg investiert. Das ist die Bilanz des gemeinsamen Leuchtturmprojekts der Aktiv-Regionen Pinneberger Marsch & Geest und Steinburg. Eine halbe Million Euro des Gesamtvolumens stammen aus Fördermitteln der Aktiv-Regionen. Knapp 2,2 Millionen Euro sind Eigenmittel der Hausbesitzer, und die haben ein Ziel: Das neue Reetdach soll ein Leben lang halten.

Damit dieser Wunsch in Erfüllung geht, soll die Qualität des Reets zukünftig besser bestimmt werden. Für diesen Zweck wird an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel ein Gerät entwickelt. Bislang gibt es nur Schnelltests, um den Feuchtigkeitsgrad zu ermitteln. Andere Werte sind nur aufwendig im Labor innerhalb von drei bis sechs Wochen zu ermitteln. Die Forschungsarbeit ist Teil des Modellprojekts.

Die Datenbasis, um das elektronische Prüfgerät optimal zu programmieren, liefern alle Eigentümer der neuen Reetdächer. Aus ihren Dächern werden Proben nach Kiel geschickt. Darüber hinaus werden die Arbeiten und die Entwicklung des Reets dokumentiert. Feuchtigkeit und Herkunft des Reets, Halmdurchmesser und Dachneigung sind einige Faktoren, die bei jedem neuen Dach erfasst werden.

"Die Auflagen gewähren die Qualität der Dächer und mithilfe der Dokumentationsbögen können wir bei eventuellen Problemen auch noch Jahre später Ursachenforschung betreiben", sagt Projektleiter Mathias Günther vom Itzehoer Büro Region Nord, das die Geschäftsführung für die Aktiv-Region innehat.

Die Forschung an der Universität Kiel übernimmt Christian Moschner vom Institut für landwirtschaftliche Verfahrenstechnik. Das komplette Vorhaben wird von der Fachgruppe Reet begleitet, zu dem Mitarbeiter der Denkmalschutzbehörden, der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landschaft, die Gesellschaft zur Qualitätssicherung Reet und Reetdachdecker aus der Region gehören.

Hermann Suhr aus Seester ist einer der Praktiker. Er hat seinen Job von der Pike auf gelernt. Er kann per Hand, Auge und Nase erkennen, ob die Halme, die ihm von den Reetbauern angeboten werden, zu trocken oder feucht ist, ob es modderig riecht. "Wenn wir neue Messgeräte erhalten, nutzen wir sie selbstverständlich", sagt der Handwerksmeister. "Das ist eine kontinuierliche Entwicklung, geht Schritt für Schritt", beschreibt Suhr die immer besseren Qualitätskontrollen.

Suhrs Betrieb ist alteingesessen. Urgroßvater Heinrich hatte ihn Ende des 19. Jahrhunderts in Elmshorn-Hainholz gegründet. Der Urenkel übernahm 1994 die Regie, baute langsam auf und aus. Er startete mit zwei Mitarbeitern. Mittlerweile gehören neun Angestellte und seit vorigem Jahr auch ein Lehrling zum Team. Die Förderprogramme haben sich nach Suhrs Erfahrung bezahlt gemacht. "Wir haben eine sehr gute Auftragslage", sagt der Fachmann. Als bedauerlich bewertet er es natürlich, dass seit den 80er-Jahren kein eigenes Reet mehr an der Unterelbe geerntet werden darf - aus Naturschutzgründen. Als Kind hat er noch mitgeholfen. Geerntet wurde im Winter, wenn der Halm abgestorben und ausgetrocknet war.

Der Trocknungsgrad ist das A und O fürs neue Dach. "Es muss trocken gelagert, trocken transportiert und trocken eingebaut werden", sagt Suhr. Er pflegt in Seester ein großes Lager mit Reet aus Ungarn und dem rumänischen Donaudelta.

Otto Lienau, stolzer Besitzer eines erneuerten Reetdachs auf dem "Haselauer Landhaus", kann sich noch gut erinnern, wie in der Marsch das Reet geschlagen wurde. "Entweder man pachtete sich für den Winter eine Fläche, um sein Dach auszubessern oder teilweise zu erneuern, oder man kaufte von den Landwirten. Das reichte immer für unsere Region."

Fast 300 Jahre alt ist das Haselauer Landhaus. Und seit jeher ist es mit Reet gedeckt. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Das hat sich Otto Lienau fest vorgenommen. Und wenn alles gut geht, wird auch Enkel Michel (7) die 13. Generation unter Reet durch die Geschichte führen. Und die Touristen werden es lieben, denn das Reetdach gehört zur Kultur unseres Landes, in dem das Reet noch immer an den Rändern von Flüssen wächst.