Drei Monate lang dauert es, um an tausenden Strommasten in Marokko Isolatoren von Sand und Salz zu befreien.

Heist/Uetersen. Dieses Himmelfahrtskommando in der Wüste ist der spektakulärste Auftrag, den Christoph Becker je bekommen hat. Der Chef der Firma Nordcopters, der auf dem Flugplatz Uetersen einen Hubschrauberservice betreibt, soll in Marokko die Isolatoren nahezu sämtlicher Überland-Hochspannungsleitungen putzen - vom Hubschrauber aus! Nächste Woche startet Becker mit seinem Mitarbeiter Paul Buchner in Richtung Mittelmeer.

Gereinigt werden müssen die meist aus Porzellan oder Kunststoff bestehenden Isolatoren, weil sich in der sand- und salzhaltigen Luft Nordafrikas sonst Verkrustungen auf den Isolierstücken bilden. "Dieser Belag ist leitfähig und kann den ganzen Strommast elektrisch aufladen", erläutert Becker. Um dieser folgenschweren Panne vorzubeugen, fliegt einmal im Jahr eine Putzkolonne an.

Auch für den in vielen tausend Flugstunden erfahrenen Piloten ist der Großauftrag im mehr als 40 Grad heißen Wüstenwind ein besonders anspruchsvolles Stück Arbeit. "Normalerweise gibt es im Hubschraubercockpit kaum eine gefährlichere Situation, als plötzlich eine Hochspannungsleitung vor Augen zu haben", sagt der 32-jährige Tangstedter. Doch genau das ist unumgänglich, wenn Becker mit seinem fünfsitzigen Helikopter vom Typ MD 300 mit ausgehängten Türen zum Putzeinsatz knattert. Während der Nordcopters-Chef oder sein Kollege den Hubschrauber steuert, sitzt in der zweiten Reihe der Boom-Manager. Dieser Spezialist bedient den fünf Meter langen Ausleger, der seitwärts am Helikopter befestigt ist. Wie mit einem Hochdruckreiniger wird destilliertes Wasser aus einem 300-Liter-Tank mit großer Kraft auf die Isolatoren gesprüht. Alle halbe Stunde muss Wasser nachgetankt werden.

Damit die Wäsche wirkt, muss Becker sein Fluggerät bis auf wenige Zentimeter an die Strom führenden Leitungen heransteuern. "Das ist Präzisionsarbeit, die höchste Konzentration erfordert", sagt der Berufspilot. Einen Stromschlag bekommt das Cockpitteam nicht, denn der Helikopter hat keine Erdung. Wie knapp der Abstand ist, wird an den Abmessungen deutlich. Der Ausleger der Wasserlanze ist fünf Meter lang, der Radius des Hauptrotors misst 4 Meter.

Um so besser, dass Christoph Becker kürzlich auf Zypern Erfahrung sammeln konnte. Dort war er mit einem fremden Hubschrauber gleichen Typs vier Wochen lang im Einsatz, um Isolatoren zu reinigen. 9000 Stück schaffte die fliegende Putzkolonne in einem Monat. In Marokko wird Becker, dessen Mitarbeiter nach ein paar Tagen wieder nach Uetersen zurückkehrt, wohl rund ein Vierteljahr zu tun haben. Den Auftrag ergatterte der Nordcopters-Chef über einen früheren freien Mitarbeiter. Die staatlichen Stromversorger Marokkos brauchten dringend erfahrene Iso-Putzer.

Die Arbeit in der Wüste ist anstrengend: Nur von 6 bis 14 Uhr kann geputzt werden. Danach ist der Wind zu stark. Pause machen die fliegenden Nomaden in komfortablen klimatisierten Zelten, mit denen ein Bodenteam ihm folgt.

Nach Tanger geht es diesmal mit Beckers eigenem Hubschrauber. Allerdings wird das gute Stück bis nach Malaga zerlegt auf einem Pkw-Anhänger transportiert. Die Tour von Uetersen bis Spanien soll 30 Stunden dauern. Dann wird der Rest der Strecke übers Mittelmeer bis nach Marokko im Fluge erledigt.