Seit 20 Jahren hält Silvia Gogollok Ausschau nach Gegenständen mit den verzierten Kanten und hat inzwischen rund 100 davon.

Wedel. Es war die große Kunst von kleinen Leuten - und Silvia Gogollok hat eine Riesen-Freude daran: am Kanten-Kerbschnitt. Die Wedelerin besitzt mehr als 100 Einrichtungsgegenstände, die mit diesem Zick-Zack-Wolfszahnmuster verziert sind. Seitdem sie vor mehr als 20 Jahren am Leine-Ufer in Hannover erstmals eine kleine, im Kanten-Kerbschnitt ausgeführte Kiste entdeckte, sammelt Silvia Gogollok diese Art Interieur. Aus einer Kiste sind mittlerweile rund 50 geworden. Hinzu gekommen sind Wandschränke, Spiegel, Bilderrahmen, und Regale und Schränkchen und, und, und. Ihre Wohnung in der Spitzerdorf-Straße hat sich in das Schaufenster in eine längst vergangene Zeit verwandelt.

Es ist die Zeit der Wende zum vorigen Jahrhundert bis in die 20er Jahre hinein. Es sind Jahre, in denen Otto Normalverbraucher keine schwedischen oder sonstigen Möbelhäuser aufsuchte, um sich die eigenen vier Wände etwas netter zu gestalten, sondern die Sache vielmehr selbst in die Hand nahm. Und bei der Sache handelt es sich um alte Zigarrenkisten - zumeist das Grundmaterial für die Schnitzarbeiten.

"Holz war sehr teuer und da hat man auf das zurückgegriffen, was man kriegen konnte", erzählt die Sammlerin. So kam es zum Zigarrenkisten-Recycling der künstlerischen Art.

Rauchende Männer nahmen die dünnen Kistenbretter, zersägten sie und versahen die Holzstreifen mit dem typischen Zick-Zack-Schnitt. Schon ein Kartoffelschälmesser reichte, ein bisschen feinmotorisches Geschick und natürlich viel Zeit.

Diese derart bearbeiteten Holz-Leisten wurde dann wieder zusammengenagelt - als Verzierung auf alle möglichen Gegenstände, die auch aus Kistenbrettern entstanden waren. "Besonders in den unteren Schichten, bei Soldaten und Arbeitern, war diese Art Freizeitvertreib beliebt", so die Sammlerin.

Mit viel Mühe bastelte man sich oder seinen Lieben das Kleinmobiliar. Besonders wertig mutete es an, wenn Metallgriffe- und Beschläge sowie Schlösser diese Produkte ergänzten - Kästlein für Schmuck oder zur Aufbewahrung allen möglichen Kleinkrams waren die Ergebnisse. Silvia Gogollok besitzt sogar einen kompletten Sekretär im Wolfszahnmuster-Stil.

Ende der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts verebbte diese Art der Messerkunst - und seitdem droht sie, in Vergessenheit zu geraten. "Ich habe schon versucht, unterschiedliche Museen für die Schnitzereien zu interessieren, aber bislang leider vergeblich", sagt die Wedelerin traurig.

Zwar streift sie nach wie vor über Flohmärkte und durchs Internet auf der Jagd nach den hölzernen Kostbarkeiten, aber langsam gerät sie in Raumnot. Gern würde sie Ausstellungsräume finden. Auch alle Zeitgenossen mit dem gleichen Faible können sich bei ihr gern per E-Mail melden, um sich auszutauschen.

Silvia.gogollok@gmx.de