Schüler haben in Archiven geforscht und mit Angehörigen der Opfer und Täter des Nationalsozialismus gesprochen.

Uetersen. Sie sind jung, sie sind mutig, sie beweisen Ausdauer, und sie haben sich mit einem Kapitel der deutschen Geschichte beschäftigt, das viele Menschen lieber ausklammern. Sie, das sind neun Schüler des zwölften Jahrgangs im Ludwig-Meyn-Gymnasium. Ermuntert von ihrem Geschichtslehrer Ulrich Zankel haben sie über Zeit und Personen Uetersens während des Nationalsozialismus geforscht. Ihre Ergebnisse hat der Kieler Schmidt & Klaunig Verlag veröffentlicht.

Im Mittelpunkt des Interesses standen die beiden Direktoren, die während des Nationalsozialismus in Deutschland (1933-45) die Uetersener Aufbauschule, das heutige Ludwig-Meyn-Gymnasium, leiteten. Melanie Rixen und Kim-Sophie Schneider machten sich auf Spurensuche von Bernhard Pein (Direktor 1926-1934). Pein machte nach ihren Recherchen eine herausragende Karriere, leitete die Lehrerausbildung im Interesse der Machthaber und arbeitete nach dem Krieg, allerdings degradiert als einfacher Lehrer, weiter.

Olaf Conrad, Christopher Hahn und Michel Wilke suchten nach Zeugen und Zeugnissen von Hinrich Apfeld (1934-45). Von ihm ist überliefert: "Unsere Schüler sind alle in der Hitler-Jugend". Er hat, so die Recherchen, bis zum Kriegsende Schüler ermuntert, in den Krieg zu ziehen.

"Vorher kannte ich nur den Namen, jetzt weiß ich mehr über den Mann", sagt Michel Wilke (18). Seine Mitschüler knüpften per Mail Kontakt zur Tochter. "Sie war sehr kooperativ", berichtet der Gymnasiast. Die Familie schickte Fotos und Entnazifizierungsurkunden.

So erfuhren die Schüler während ihrer Arbeit nicht nur, was passiert war, sondern lernten auch unterschiedliche Quellen zu bewerten. Die Tochter des NS-Rektors Pein habe natürlich ein sehr freundliches Bild ihres Vaters gezeichnet, erzählt Schülerin Melanie Rixen. Wahrscheinlich habe aber auch die Familie nicht genau gewusst, wie der NS-Lehrer gehandelt habe.

"Ich weiß jetzt auch, wo Probleme der Forschung liegen", erzählt Schüler Michel Wilke. So gebe es beispielsweise im Uetersener Stadtarchiv gar keine Akten mehr über die damalige Zeit. "Da sind offensichtlich Akten vernichtet worden", meint auch Kim-Sophie Schneider, die mit ihrer Mitautorin im Staatsarchiv in Hamburg nur einen kleinen Brief über den Lehrerausbilder Bernhard Pein fand. Am ergiebigsten war das Landesarchiv Schleswig-Holstein.

"Was die Schüler geleistet haben, sind herausragende Arbeiten", lobt Lehrer Ulrich Zankel. Der Doktor der Geschichte unterrichtet seit zwei Jahren an der Ludwig-Meyn-Schule. Außerdem hat er einen Lehrauftrag an der Universität in Flensburg. Engagement und Leistung seien zum Teil besser als auf der Hochschule. Die Schüler haben sich nach seiner Ansicht eine hohe Planungskompetenz erarbeitet - wichtig fürs Gesamtleben und längst nicht nur auf den Geschichtsunterricht beschränkt. "Viele sind zudem in der Theater AG und bei der Schülerzeitung, beim Sport aktiv."

Zankel, geboren in Itzehoe und selbst in der NS-Forschung aktiv, plant jetzt ein Nachfolgeprojekt an der Schule. Dabei will er sich mit seinen Schülern der Frage widmen, wie es nach der NS-Diktatur in der Stadt Uetersen weiterging.