Zu viele Fälle, zu wenig Geld: Auf diese einfache Formel bringt Ingrid Kohlschmitt die Lage der kreisweit tätigen Beratungsstelle gegen den sexuellen Missbrauch.

Elmshorn

Die Einrichtung, die zum Verein Wendepunkt mit Sitz in Elmshorn gehört, hat im vorigen Jahr 265 neue Missbrauchsfälle bearbeiten müssen. Der "gedeckelte" Zuschuss des Kreises deckt jedoch nur die Aufnahme von 200 Fällen ab.

"Wir haben trotzdem das hohe Fallaufkommen bewältigt, sind dabei aber sehenden Auges auf ein Defizit zugesteuert", so die Wendepunkt-Geschäftsführerin weiter. Weil der Kreis 2008 erstmals kein Geld "nachgeschossen" hat, klaffte kurz vor Jahresende eine Lücke von 20 000 Euro im Etat. Diese konnte nur geschlossen werden, weil vier Sponsoren der Einrichtung je 5000 Euro spendeten.

In diese Verlegenheit möchte Kohlschmitt künftig nicht mehr kommen: Ende 2009 läuft der auf vier Jahre befristete Kontrakt mit dem Kreis aus, der einen jährlichen Zuschuss für die Beratungsstelle in Höhe von 161 900 Euro vorsieht. Noch vor der Sommerpause sollen die Verhandlungen über einen Anschlussvertrag beginnen. Kohlschmitt hofft, aufgrund des großen Bedarfs einen Zuschlag von 20 000 Euro pro Jahr aushandeln zu können. "Dann wären wir auf dem Niveau wie 2004." Damals wurden jährlich mehr als 300 Fälle angenommen. 2008 mussten 56 Hilfesuchende von vornherein an andere Stellen - etwa Frauenberatungsstellen oder Jugendämter - verwiesen werden.

Der seit 1991 existierende Wendepunkt mit seinen 17 Mitarbeitern, die größtenteils teilzeitbeschäfigt sind, ist schon lange mehr als eine reine Beratungsstelle für Missbrauchsopfer. Unter anderem leistet der Verein auch "Täterarbeit", bietet Gewaltprävention in Schulen und Kindertagesstätten an, schult Personal im Erziehungswesen, leistet Hilfe zur Erziehung und übernimmt im Landgerichtsbezirk Itzehoe die Zeugenbegleitung. Neu begonnen wurde voriges Jahr das Modellprojekt "Unschlagbar", das helfen soll, häusliche Gewalt zu erkennen und zu unterbinden. Dabei arbeiten drei Mitarbeiterinnen sowohl mit prügelnden Eltern, jungen Gewaltopfern als auch mit Kindern, die hilflos mit ansehen müssen, wie sich ihre Eltern handfest in die Wolle kriegen. Seit dem Start im April vorigen Jahres werden bereits mehr als 80 Fälle von der Einrichtung bearbeitet. Das Modellprojekt wird mit Mitteln der Aktion Mensch und einem Zuschuss von Jenapharm finanziert. "Das ist das erste Mal, das wir ein bundesweit tätiges Unternehmen als Sponsor gewinnen konnten", so Kohlschmitt weiter. Im Rahmen von "Unschlagbar" wurden auch in Zusammenarbeit mit dem Rechtsmedizinischen Institut des Uniklinikums Eppendorf drei Untersuchungsstellen in Elmshorn, Pinneberg und Norderstedt geschaffen, wo Verletzungen von Gewaltopfern dokumentiert werden können. Das Projekt läuft Ende 2009 aus. Ob es fortgesetzt werden kann, ist noch unklar.