Die Anzahl der Studierenden hat sich seit den 70er-Jahren auf rund 1000 verdreifacht. Besondere Merkmale der Fachchochschule sind ihre internationale Ausrichtung und die Nähe zur Wirtschaft.

Die private Fachhochschule Wedel ist auf mehrere Weise außergewöhnlich. Nicht allein, dass ihre Absolventen nahezu eine Job-Garantie verbuchen können, es ist auch deutschlandweit die einzige Institution ihrer Art, die als Familienbetrieb geführt wird. Mit Professor Eike Harms (36) übernimmt jetzt die dritte Generation das Ruder. Sein Vater Professor Dirk Harms wird am Sonntag 66 Jahre alt, zieht sich aus dem operativen Geschäft zurück und wird nur noch beratend tätig sein. Und ein Mann freut sich besonders darüber: Es ist Professor Helmut Harms. Der Mann, der 1948 die "Physikalisch Technischen Lehranstalt" gründete, verfolgt das Geschehen aufmerksam - trotz seiner mittlerweile 97 Jahre.

Vor 37 Jahren hatte Dirk Harms an der Hochschule seines Vaters die Arbeit aufgenommen, vor 32 Jahren löste er ihn ab. Von dem Zeitpunkt bis zum jetzigen Stabwechsel wiederum auf seinen Sohn hat sich eine Menge getan. Die Zahl der Studiengänge hat sich vervielfacht. Waren es zu beginnt zwei Diplom- und zwei Assistenten-Ausbildungen sind es derzeit sechs Bachelor-, zwei Master und ein Aufbau-Fach. Hinzu kommen drei Assistenten-Lehrgänge. Wermutstropfen dabei: die physikalische Technik, die Keimzelle, aus der die Institution erwuchs, wurde 2007 eingestellt. Es gab zu wenig Nachfrage.

Insgesamt hat sich die Anzahl der Studierenden seit den 70er-Jahren auf rund 1000 verdreifacht. Auch die Studiengebühren stiegen - von 500 Mark pro Semester auf aktuell zwischen 800 und 1500 Euro. Mit den Landeszuschüssen sah es da magerer aus. Obwohl jeder Politiker-Besuch, gleich welcher Couleur, die effektive Organisation und die flachen Strukturen der Schule und somit vergleichsweise geringe Kosten bejubelte, wurden die Zuwendungen knapp gehalten, teils sogar noch Kürzungen avisiert - zuletzt zu Beginn des laufenden Jahres, als der damalige Wirtschaftsminister die Kieler Kürz-Bürokraten erst im letzten Moment stoppte und der Schule einen Jahreszuschuss von rund 2,3 Millionen Euro sicherte.

Von Gerhard Stoltenberg über Uwe Barschel, Björn Engholm, Heide Simonis bis zu Peter Harry Carstensen - es gab keinen Ministerpräsidenten und kaum einen Minister, den Dirk Harms nicht an seinem Hort des Wissens begrüßte. "Zu Beginn war das linke politische Spektrum sehr kritisch. Zu Zeiten des ,roten Jochen' lehnte die SPD private Hochschulen und Studiengebühren komplett ab", erinnert sich Harms an die Tage des ehemaligen Landes-SPD-Chefs Jochen Steffen. Unterdessen hätten aber alle Parteien diese Ausprägung des Bildungssystems akzeptiert.

Mittlerweile haben nach Harms Angaben auch die staatlichen Hochschulen einige Anregungen der Privaten aufgenommen, sie seien selbstständiger geworden, der Wettbewerb mit ihnen mithin schärfer. "Und wir wurden durch ein Akkreditierungssystem stärker gefesselt", so Harms. Alle fünf Jahre kämen Professoren von staatlichen Hochschulen vorbei, denen "man nicht immer alles auf die Nase binden möchte" (Harms), und prüften die Lehrinhalte. "Darauf können wir gern verzichten, weil wir meinen, dass der Wettbewerb entscheidet. So lange die Studierenden zu uns kommen, haben wir eine Existenzberechtigung", sagt er.

Dass der Zulauf nach wie vor und trotz hoher Leistungsanforderungen immens ist, kann man mehreren Faktoren zuschreiben. Zum einen ist da die internationale Ausrichtung der Fachhochschule, die bereits Ende der 80er-Jahre ein Auslandssemester verpflichtend vorgab. 23 Partner-Unis von England über Südafrika bis Australien stehen dafür zur Verfügung.

Zum anderen ist es die enge Verbundenheit mit der Wirtschaft. Rund 100 Unternehmen stehen für Bachelor-Arbeiten parat und unterstützen den Wedeler Hochschulbund. Viele Gründungen von FH-Absolventen rekrutieren wiederum ihre Mitarbeiter aus der Fachhochschule.

Bei einigen Firmen von FH-Schülern saß Dirk Harms im Aufsichtsrat. Diese Jobs wird er ebenso abgeben und sich verstärkt dem Enkelkind und dem Segeln zuwenden, wie er auch die bislang von ihm abonnierte Analysis I-Vorlesung vererbt. Der neue Professor Eike Harms wird sie übernehmen, weil auch er über diese Pflicht-Mathematik alle Hochschulanfänger persönlich kennen lernt.

Eike Harms ist Maschinenbau-Ingenieur, arbeitete danach mehrere Jahre als Berater für Price Waterhouse Cooper und IBM. Er wickelte Großprojekte insbesondere für Autounternehmen ab und wenn Fiat derzeit Fusionen durchspielt, wird der Konzern dabei auf Know-how zu "Enterprise Ressource Planning" zurückgreifen können, das Eike Harms als Berater einbrachte.

Ein Element der langfristigen Strategie des neuen Mannes deutet sich bereits an. Wenn die Zahl der Studienanfänger so um das Jahr 2020 sinken wird, muss das 67 Personen starke FH-Team ein ergänzendes Arbeitsfeld gefunden haben - berufsbegleitende Studiengänge werden ausgebaut.

Doch zunächst wird sich Professor Eike Harms in die bestehenden Netzwerke vor Ort einarbeiten - und sich dabei auch allzu intensiven Umarmungen entziehen. Sowohl die SPD als auch die CDU auf Landesebene wollten politische Veranstaltungen im Audimax der FH durchführen. Die Professoren Harms lehnten dankend ab.