Altersarmut entsteht oft nach Krankheit oder Selbstständigkeit. Experten fordern deswegen Mindestanspruch für 400-Euro-Kräfte.

Schenefeld. Der Kreis Pinneberg gehört gewiss zu den wohlhabenden Regionen des Landes. In ihm lassen sich gern Menschen höherer Einkommensgruppen nieder. Sie finden hier exklusive Wohnverhältnisse vor, und der Freizeitwert passt auch. Also alles bestens?

Nicht alles: Für manchen Rentner sieht die Lage hier ganz anders aus. Einige hat die Altersarmut so schlimm erwischt, dass es einfach nicht mehr weiter runter geht. Zwar versuchen sie, noch etwas hinzuzuverdienen, um über die Runden zu kommen. Beispielsweise mit Pfandgeld aus dem einträglichen Flaschensammeln. Doch dies ermöglicht allenfalls ein paar bescheidene Einkäufe mehr. Manchmal bereiten ihnen die Nebeneinkünfte auch zusätzliche Sorgen.

Die ganz schlimmen Fälle von Altersarmut haben nach Beobachtung des ehrenamtlichen Rentenberaters Harald Klähn aus Schenefeld fast alle eines gemeinsam: Ab einem bestimmten Zeitpunkt haben die Betroffenen keine Rentenbeiträge mehr eingezahlt. Klähn: "Der klassische Fall: Selbstständigkeit. Da erlischt die Pflicht zur Beitragszahlung."

Einer dieser klassischen Fälle ist der von Heinrich B. aus Schenefeld, 63. Nach Lehre und Tätigkeit in einer Firma machte er sich selbstständig. Zunächst lief die Werbefirma gut. Doch bald kam es zu finanziellen Engpässen. Mangels Eigenkapital konnte er sie nicht auffangen. Dann folgten Krankheit und dauerhafte Arztbesuche. Nach Beantragung der Rente standen plötzlich die Gläubiger Schlange. Sie konnten ungehindert pfänden, weil Heinrich B. kein pfändungsfreies Konto hatte. Jetzt lebt er vom Rest der Rente und von dem, was seine Frau in Teilzeit verdient.

Besonders dramatisch verlief das Leben für den 57 Jahre alten Paul F. aus Rellingen. Jahrelang hatte er als Kfz-Mechaniker gearbeitet. Dann wurde er schwer krank. Weil die Rente, die er bekam, ziemlich gering war, schlug er sich mit kleinen Reparaturen, Autowäschen oder Hausmeistertätigkeiten durch. Er ließ sogar Salben- und Lebensmitteltests an sich vornehmen. Irgendwann fielen seine Nebentätigkeiten allerdings bei der Rentenversicherung auf. Die kürzte ihm daraufhin die ohnehin nur geringe Rente. Davon und von dem, was seine Frau verdient, lebt er jetzt.

Sein totaler Absturz begann damit, dass seine Lebenspartnerin an Krebs starb. Vor dem Tod hatten sie noch geheiratet. Sie hatte ihm eine Eigentumswohnung überschrieben. Der 65-jährige Klaus G. aus Uetersen war als gelernter Versicherungskaufmann im Außendienst erfolgreich tätig. Doch nach dem Tod der Frau ging es bergab mit ihm: Lebensprobleme, Schulden, Spiel- und Trunksucht - Arbeitslosigkeit. Damit niemand etwas merkt, ist er lange Zeit "wie zur Arbeit" aus dem Haus gegangen. Durch den Verkauf der Wohnung waren die Schulden kaum zu decken. Heute lebt er in einem Wohnheim.

+++ Hier gibt es Tipps +++

Vollkommen auf die Hilfe seiner um die 80 Jahre alten Eltern angewiesen ist der 40 Jahre alte Walter H. aus Bönningstedt. Der gelernte Industriekaufmann war beruflich sehr erfolgreich. Bald lag er mit seinen Einkünften deutlich über der Einkommensgrenze, die ihn von der Pflicht zur Zahlung von Rentenbeiträgen befreite. Dann erwischte ihn die Krankheit Multiple Sklerose. Er konnte nicht mehr arbeiten und beantragte eine Erwerbsminderungsrente. Die wurde abgelehnt, er legte dagegen keinen Widerspruch ein. Nun sorgen seine alten Eltern für ihn.

Seine Altersarmut entstand berufsbedingt und zwangsläufig: Der gelernte Matrose Heinz B. aus Wedel, 52, war lange auf großer Fahrt. Sein Großreeder flaggte schließlich aus. Rentenbeiträge wurden nicht mehr gezahlt. Dann segelte der Reeder auch noch in die Pleite. Mittlerweile war obendrein seine selbstständig arbeitende Ehefrau gestorben, auch sie hatte keine Rentenbeiträge eingezahlt. Der Mann verzweifelte, gab seine Wohnung auf und lebte eine Weile von den Erlösen des Verkaufs seiner Reisemitbringsel.

Zu ihm kamen die Kunden nur noch, wenn sie anderswo etwas vergessen hatten. Doch davon konnte der 64 Jahre alte Einzelhandelskaufmann Carl W. aus Halstenbek nicht leben. Der große Druck der Discounter zwang ihn, seinen kleinen Lebensmittelladen zu schließen. Um überhaupt noch Frischware einkaufen zu können, hatte er längst sein Haus an die Bank verpfändet. Irgendwann gab er auf. An Rente war nicht zu denken. Zwar bekam er eine geringe staatliche Unterstützung, doch die wurde ihm zusammengestrichen, nachdem herausgekommen war, dass er sich geringe Nebeneinkünfte verschafft hatte.

Manchmal hilft es, sich dem Problem rechtzeitig zu stellen, um doch noch ein Türchen für den Ausweg aus dem Elend zu finden. Harald Klähn, der bereits seit 1968 als Rentenberater im Kreis Pinneberg und auf Helgoland tätig ist, kennt viele Menschen, die jede Hoffnung aufgegeben haben. Trotzdem ermuntert er alle, deren Rentenalter näher rückt: "Kümmern Sie sich rechtzeitig. Trotz schwieriger Ausgangslage lassen sich oft Wege finden, den Lebensabend erträglicher zu machen."

Eines der großen (Renten-) Probleme, das er jetzt kommen sieht, dürfte das der vielen 400-Euro-Jobber werden. Denn diese Beschäftigten erwerben nicht einmal einen Mindestanspruch auf Rente. Experte Klähn: "Dabei könnten diese Arbeitnehmer mit wenig Geld einen Anspruch auf Rente erwerben."

Und das geht so: Der Arbeitgeber führt generell für diese Mitarbeiter eine Pauschale von 30 Prozent ab. Davon gehen 15 Prozent in die Renten-, 13 Prozent in die Krankenversicherung und zwei Prozent ans Finanzamt.

Würde jeder Arbeitnehmer den Rentenpflichtanteil mit 4,6 Prozent aus eigener Tasche ergänzen (damit kommt er dann auf 19,6 Prozent), hätte er für nur 17 Euro im Monat wenigstens einen Mindestanspruch auf Rente. Anderenfalls gingen die Leistungen des Arbeitgebers bei der Rentenversicherung in den "großen Topf". Vorteil des Anspruchs auf Mindestrente ist zudem, dass er im Falle eines Falles auch eine Erwerbsminderungsrente beanspruchen kann.