Doch neune Jahre Schule? Unverständnis in Barmstedt und Quickborn, dass die neue Landesregierung das Y-Modell zum Abitur kassieren will.

Barmstedt/Quickborn/Kiel. Die neue Regierungskoalition an der Kieler Förde bringt ihre ersten Opfer hervor. Dass sich alle 99 Gymnasien in Schleswig-Holstein künftig verbindlich für einen einheitlichen Weg zum Abitur, entweder in acht (G 8) oder neun Jahren (G 9), festlegen müssen, wie es SPD, Grüne und SSW diese Woche in den Koalitionsverhandlungen vereinbart haben, stößt auf völliges Unverständnis an zwei Oberschulen im Kreis Pinneberg.

Das Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Gymnasium in Barmstedt und das Elsenseegymnasium in Quickborn haben seit elf Jahren beste Erfahrungen mit dem sogenannten Y-Modell gemacht. Zunächst als Modellprojekt zum damals verbindlichen G 9-System, später als Alternative zur neuen G 8-Regelung, gehören sie zu jenen vier Gymnasien im Land, die ihren Schülern sowohl das Turbo-Abi wie auch die herkömmlichen neun Jahre Oberschulzeit bieten.

Und das mit großem Erfolg, betont der Barmstedter Schulleiter Wolf-Rüdiger Salbrecht. "Die Parteien hatten uns vor der Wahl einen Schulfrieden versprochen. Für uns scheint das nicht zu gelten. Mit einem Federstrich sollen unsere sehr guten Erfahrungen mit diesem zweigleisigen Abitur vom Tisch gewischt werden. Das ist nicht nachzuvollziehen."

Grünen-Landesvorsitzende Eka von Kalben, die an den Koalitionsverhandlungen teilnimmt, bestätigt diesen Beschluss des künftigen Regierungs-Bündnisses. "Das ist ein Kompromiss." SPD und SSW plädierten für ein verbindliches G 8-Abitur auf allen Gymnasien. Das hätte auch für jene elf Oberschulen im Land bedeutet, die sich vor zwei Jahren entschieden haben, gänzlich wieder zum G 9-Abitur zurückzukehren, dass sie alles wieder über den Haufen werfen müssten. Diese sollen nun Bestandsschutz erhalten, sagt von Kalben. Dafür wurde das Y-Modell geopfert, das der scheidende FDP-Bildungsminister Ekkehard Klug vor zwei Jahren genehmigte - zur großen Erleichterung in Barmstedt und Quickborn. Denn 2008 und 2009 konnten auch das Elsensee-Gymnasium und das Weizsäcker-Gymnasium ihren Schüler nur noch das G 8-Modell anbieten. "Das sind unsere beiden einzigen Jahrgänge, die dreizügig sind", sagt Salbrecht. "Alle anderen sind vierzügig."

Und nun plötzlich soll es wieder eine Kehrtwende in Sachen Turbo-Abitur geben. Salbrecht wehrt sich entschieden gegen den Vorwurf des Landesrechnungshofes, das Y-Modell wäre kostspieliger als ein reines G 8- oder G 9-Abitur. "Das stimmt nicht, und das können wir mit Zahlen belegen", beteuert der Schulleiter, der einer der beiden Sprecher jener 15 Gymnasien im Land ist, die entweder wieder G 9 oder das Y-Modell anbieten. "Bei uns gibt es durch die Wahlfreiheit der Eltern keine zusätzlichen Klassen im Vergleich zu einem reinen G 8- oder G 9-Modell." Wenn sich zu wenige Schüler für eine G 8-Klasse entscheiden sollten, wie dies 2011 und 2012 zunächst der Fall war, sei dies durch Losverfahren und einen Appell an die Eltern ausgeglichen worden.

Denn da, wo es möglich ist, ist der längere Weg zum Abitur, erheblich beliebter. In Barmstedt gibt es im nächsten Schuljahr drei Klassen G 9 (68 Schüler) und eine Klasse G 8 (28 Schüler). Und am Elsenseegymnasium sind es ebenfalls drei G 9-Klassen (60 Schüler) und eine G 8-Klasse (26).

Der große Vorteil in dem Y-Modell bestehe darin, dass eine Differenzierung der unterschiedlich begabten Schüler qua System sofort möglich sei, betont Salbrecht. So wechselten pro Jahrgang jeweils eine Handvoll Schüler hin und her, ohne dass dies ihnen oder den Lehrern Probleme bereite. Schulsprecherin Jule Dittmer hat dies am eigenen Leib erfahren. Sie sollte zunächst das damals übliche G 9-Abitur in Barmstedt machen. Aber bereits in der fünften Klasse wechselte die hochbegabte Schülerin in eine G 8-Klasse. Und im nächsten Jahr machte sie mit 17 Jahren Abitur. In ihrer Klasse seien ein Viertel der Schüler vom G 8-Zweig und drei Viertel von G 9. "Wir haben Jüngere und Ältere in der Klasse. Das macht uns überhaupt nichts aus", sagt Schülervertreterkollege Tim Falckenthal, der zwei Jahre älter ist als Jule, weil er den G 9-Weg gewählt hat.

Diese individuelle Förderungsmöglichkeit der Schüler an einer Schule funktioniert und hat sich bewährt, findet Elternbeiratsvorsitzende Andrea Siedenhans. "Warum sollten wir das ändern?" Nun bestehe die Gefahr, dass viele Eltern in der Region verunsichert würden. Wenn sich das Weizsäcker-Gymnasium verbindlich für G 8 entscheiden sollte, gäbe es im Raum Barmstedt keine Möglichkeit mehr, in neun Jahren das Abitur zu schaffen.

In Quickborn bestünden immerhin beide Varianten, sofern das Elsensee-Gymnasium zum G 9 zurückkehrte. Das Bonhoeffer-Gymnasium in Quickborn bietet nur noch G 8 an. "Aber wir wollen keine Trennung von G 8 und G 9 in gute und schlechte Gymnasien", sagt Elternbeiratsvorsitzender Gregor von Kostka. "Wir wollen am Elsensee-Gymnasium das Y-Modell behalten."

Noch geben die Vertreter beider Schulen die Hoffnung nicht auf, die Landespolitiker noch in ihrem Sinne umstimmen zu können. Mit Briefen wollen sie für ihre Einwände werben. "Die Y-Variante ist einmal als SPD-Modell gestartet und wurde wissenschaftlich begleitet", erinnert Salbrecht an die Anfänge mit G 8 und G 9 vor elf Jahren an seiner Schule. "Die hohe Durchlässigkeit des Doppelangebots haben unsere Schüler schätzen gelernt."