Erntehelfer aus Polen können dank der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit noch leichter im Kreis Pinneberg arbeiten

Kreis Pinneberg. Seit dem 1. Mai dürfen Bürger der acht osteuropäischen Staaten, die 2004 der EU beigetreten sind, auch in Deutschland arbeiten. Ihnen steht es demnach zu, in einem EU-Land zu arbeiten, ohne dass eine Arbeitserlaubnis erforderlich ist. Was bedeutet die neue Arbeitnehmerfreizügigkeit für den Kreis Pinneberg?

"Uns kann nichts Besseres passieren", sagt Britta Schmietendorf vom Spargelhof Wedel, dem größten Anbaubetrieb der Region. "Dadurch werden wir keine Ernteschwierigkeiten mehr bekommen. Vor ein paar Jahren sah eine Quotenregelregelung vor, einen gewissen Anteil deutscher Erntehelfer einzustellen." Das Problem war, dass die Kräfte, die die Arbeitsagentur schickte, gar nicht bei den Schmietendorfs erschienen. "Lediglich einer hielt die gesamte Saison durch." Zwei Hektar Spargel konnten nicht geerntet werden - ein großer finanzieller Verlust für den alteingesessenen Familienbetrieb. Mit der neuen Regelung dürften solche Probleme der Vergangenheit angehören. "Derzeit erntet auf unseren Feldern ein fester Stamm aus 20 bis 25 Polen. Sie sind sehr zuverlässig", sagt Schmietendorf. Die Arbeiter seien ordnungsgemäß angemeldet, sozialversichert und würden nach Tariflohn bezahlt.

Auf ausländische Saisonkräfte sind auch die Baumschulen angewiesen. Frank Schoppa, Geschäftsführer des Landesverbands Schleswig-Holstein im Bund deutscher Baumschulen, sieht die Freizügigkeit ganz entspannt. "Die Saisonarbeiter aus Polen kommen seit Generationen im Frühjahr und Herbst. Daher wird die neue Regelung kaum Veränderungen für uns bedeuten." Allerdings sieht Schoppa in den nächsten Jahren das Thema Fachkräftemangel auf sich zukommen. "Wegen des demografischen Wandels bleibt der Nachwuchs im Gesellen- und Meisterbereich aus." Für die Arbeitnehmer hat das einen positiven Effekt - die Löhne steigen mit der Nachfrage. Hiesige Arbeitskräfte bräuchten sich also nicht durch die Osteuropäer bedroht fühlen. Ihre Kompetenzen blieben weiterhin gefragt.

Als Chance, Fachkräftelücken durch Arbeitnehmer aus Beitrittsländern zu schließen, sieht Helmut Rowedder die Freizügigkeit. "Wir werden die Entwicklung aber kritisch beobachten, da wir durchaus Risiken für Betriebe - insbesondere im Baubereich - und über den Sektor der Leiharbeit sehen", sagt der Chef der Kreishandwerkerschaft Westholstein. "Wettbewerb ist wichtig - aber nur zu fairen Wettbewerbsbedingungen." Die Einhaltung von Mindestlöhnen und weiterer Schutzbestimmungen müsse weiterhin gewährleistet bleiben.

Ines Wiese, Geschäftsführerin des Awo-Wohn- und Servicezentrums in Tornesch rechnet erst einmal nicht mit großen Veränderungen in der Altenpflege. Schließlich müsse auch nach dem neuen Gesetz noch jeder zukünftige Mitarbeiter, der seinen Beruf im Ausland erlernt hat, einen Anerkennungsprozess durchlaufen. Für die Zukunft sieht Wiese ein entscheidendes Problem: "Wir arbeiten mit Menschen, da ist Sprache eine wichtige Sache. Die fachliche Qualifikation ist eines, aber die sprachlichen Fähigkeiten müssen auch stimmen." Ungefähr ein Viertel der rund 70 Pflegemitarbeiter des Heimes stammen bereits aus Osteuropa.

Auch in den Pflegeeinrichtungen der Regio-Kliniken im Kreis Pinneberg arbeiten EU-Bürger unterschiedlichster Herkunft. Betriebsratsvorsitzende Herta Laages sieht aufgrund des Pflegenotstands einen großen Nutzen in möglichen neuen Kollegen aus Osteuropa. Vor einer Verdrängung deutscher Arbeitskräfte fürchtet sie sich nicht: "Wenn wir Angst haben dann nur davor, dass die Löhne runtergehen könnten." Die neuen Mitarbeiter müssten genauso behandelt werden wie die jetzigen. Da sieht Sebastian Kimstädt, Pressesprecher der Regio-Kliniken, keine Probleme: "Es würde natürlich nach Tarif eingestellt und bezahlt werden."