Der 15 Jahre alte Corvin Bock spielt in der U16-Fußballmannschaft des HSV und lebt im Nachwuchsleistungszentrum an der Ulzburger Straße

Es muss – zumindest anfangs – für einen Teenager ein merkwürdiges Gefühl gewesen sein, täglich an seinem eigenen Ebenbild vorbeizugehen. Doch Corvin Bock hat sich längst daran gewöhnt, dass im Treppenhaus ein gerahmtes Foto hängt, welches ihn in Aktion zeigt. Sollte er auch. Denn wenn in den nächsten Jahren alles perfekt läuft, werden mittelfristig so viele Kameras auf ihn gerichtet sein, dass es vielmehr ungewöhnlich ist, wenn ausnahmsweise einmal kein Blitzlicht aufleuchtet.

Corvin, 15, möchte Fußballprofi werden. Das ist zunächst einmal ein Wunsch, den er mit hunderttausend anderen Jungs in Deutschland gemeinsam hat. Doch als er anfing, den Sport ernster zu nehmen, erst beim TSV Schönberg, dann beim SV Rethwisch, also zwei Amateurvereinen aus dem Kreis Plön, sprach sich seine Begabung rasch herum. „Ich fiel in der Kreisauswahl auf, da war ich Stürmer. Und als ich bei der Landesauswahl war, hat mich der HSV in Spielen gegen Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gesehen.“

Die Scouts des Bundesligisten waren angetan und stellten sich schon vor eineinhalb Jahren bei Corvins Eltern vor. Ob man sich vorstellen könne, dass der Sohn in ein Nachwuchsleistungszentrum ziehen würde, wurde gefragt. Ein Probetraining – damals mit dem U14-Team – verlief zur allgemeinen Zufriedenheit. „Sie wollten mich holen. Aber ich war noch zu jung für das Internat, also sollte ich noch ein Jahr warten.“

Erst ab der U15 nimmt der HSV Talente in sein Internat auf. Dort zu wohnen ist zwar keine Verpflichtung – im Falle von Corvin wäre es seinen Eltern aber unmöglich gewesen, ihn täglich aus seiner Heimatgemeinde Dannau, einem 700-Seelen-Dorf nahe Plön, zum Training zu chauffieren.

Mit einem knappen Jahr Vorlauf bezog Corvin in diesem Sommer tatsächlich ein Zimmer in der Jürgen-Werner-Schule an der Ulzburger Straße in Norderstedt, wechselte zudem auf das Heidberg-Gymnasium in Langenhorn, also der Partner-Schule des HSV, dessen Youngster in die dortigen Sportklassen integriert werden.

Der Verein erwartet von den Teenagern einen erfolgreichen Abschluss – ob nun Abitur oder wenigstens die generelle Fachhochschulreife, zumindest kommt ein vorzeitiger Abbruch des Fußballs wegen nicht in Frage. „Der HSV sagt uns immer: Die Schule hat Priorität", sagt Corvin. Die Zeit für Hausaufgaben muss immer eingeplant sein, dazu wird die Internatsleitung über den schulischen Fortschritt regelmäßig unterrichtet.

Wie sich Corvin auf dem Platz entwickelt, bleibt eh nicht verborgen. Viermal pro Woche wird jeweils von 18 bis 19.30 Uhr trainiert, dazu werden an drei Tagen jeweils von 16.30 bis 17.30 Uhr individuelle Technikeinheiten angeboten. Diese sind nicht obligatorisch, aber natürlich ratsam. „Das versuche ich immer dazwischenzuschieben“, sagt Corvin. Die Spieler der Jahrgänge 1999 und 2000 haben zudem zweimal in der Woche Schultraining.

Momentan wird Corvin ausschließlich bei den jüngeren B-Junioren, also der U16, eingesetzt, die in der Regionalliga Nord unter anderem Kontrahent von Eintracht Norderstedt ist und zuletzt das Derby mit 2:1 für sich entschied. „Wenn alles normal läuft, spiele ich im nächsten Jahr Bundesliga.“

Vor Saisonbeginn hat Corvin die Rückennummer 10 bekommen. Damals noch von Trainer Daniel Petrowsky. Doch als der erfolglose Bundesligacoach Mirko Slomka seinen Posten räumen musste, von Joe Zinnbauer ersetzt wurde und in diesem Zuge Petrowsky dessen U23 übernahm, rückte bei der U16 Volker Schmidt ins erste Glied. Dieser hat von Corvin einen guten Eindruck gewonnen. „Er ist von einem kleinen Verein zum HSV gekommen, hat sich aber schnell zurechtgefunden.“

Und die Stärken des Spielmachertalents? „Er weiß, wie er zwischen die Ketten kommt, wo der Raum für einen „Zehner“ ist.“ Was ihm fehlt, ist Durchsetzungsvermögen. „Jetzt hat er noch körperliche Nachteile, gerade wenn ein Gegner robustere U17-Spieler hat.“

Über drei Jahre läuft der Vertrag von Corvin Bock, also inklusive der ersten Saison in der U19. Ob er darüber hinaus weiter beim HSV spielen wird, lässt sich noch nicht sagen. Ein Blick auf die „Ahnengalerie“ im Untergeschoss des Internats lässt erkennen, welch unterschiedliche Wege die Absolventen genommen haben – die Fotos aktueller Regionalliga-Akteure, Dritt- oder Zweitligakicker sind dort unter anderem zu finden. Zwei Porträts stechen jedoch hervor: Heung-Min Son und Sidney Sam, Offensivstars von Bayer Leverkusen und Schalke 04. Auch sie wohnten einst in einem kleinen Zimmer an der Ulzburger Straße, und auch sie waren einst Nobodys, die sich durchgebissen haben – sie sind der Grund, warum Corvin sein Leben ganz nach dem Fußball ausgerichtet hat.