Die Eintracht hat sich den Respekt der anderen Teams in der Regionalliga Nord erarbeitet. Der Erfolg ist Ergebnis einer neuen Strategie, die nach harten Jahren eingeleitet wurde

Norderstedt . Es ist eines der wichtigsten Attribute im Fußballgeschäft. Unbezahlbar, aber genauso wenig käuflich zu erwerben. Das Konto von Eintracht Norderstedt allerdings wächst seit Wochen stetig – jenes Konto, auf dem der Respekt der anderen Teams gesammelt wird. Mit jedem Punkt in der Regionalliga Nord hat sich der Aufsteiger diesen Respekt erarbeitet. Trainer Thomas Seeliger erfährt dies Woche für Woche auf den Pressekonferenzen, wenn er und seine Kollegen öffentlich gute oder schlechte Leistungen erklären müssen.

Die Kontrahenten sehen in der Eintracht nicht mehr einen Neuling, dessen vermeintliche Naivität ausgenutzt werden kann. Vielmehr scheint es mittlerweile schon ein Erfolg zu sein, wenn ein Club nicht gegen die Norderstedter verliert.

Dieser Zustand ist fraglos eine erfreuliche Situation. Das war allerdings nicht immer so. In den Jahren nach der Gründung 2003 – die Eintracht folgte der damals aufgelösten Fußballabteilung des 1. SC Norderstedt – bis zum Aufstieg in die Regionalliga gab es zwar zunächst den anvisierten Durchmarsch von der Kreisliga in die Oberliga Hamburg. Dann aber stockte der Fortschritt. Die von außerhalb fast schon reflexartig verliehene Favoritenrolle erwies sich regelmäßig als Bürde, wiederholt wurden gute Ausgangspositionen verspielt.

Die Zäsur erfolgte 2009. In einer grundlegenden Neuausrichtung begann der Verein, vorrangig auf Kräfte aus dem eigenen Nachwuchs zu setzen. Auch, weil etwa die A-Jugend damals in die zweithöchste deutsche Spielklasse aufstieg und dort bis heute eine gute Rolle einnimmt. In der ersten Saison wurde die mutige neue Strategie beinahe mit dem Abstieg bestraft. In der Folge stabilisierte sich das Team auf gutem Niveau und wurde sukzessive mit eigenen Talenten sowie punktuellen externen Verstärkungen verändert.

Wenn es um die Vergabe von Titeln ging, triumphierten allerdings stets andere Mannschaften. Die Eintracht selbst legte sich Bescheidenheit auf, nahm aber mittelfristig den Aufstieg in die Regionalliga Nord ins Visier. Doch im Frühjahr 2013, die Meisterschaft in der Oberliga Hamburg war längst außer Reichweite, wendete sich das Blatt. Schneller als gedacht und komplett unerwartet rutschte der Club in die Playoffs zur vierten Liga, nachdem der FC Elmshorn seinen Startplatz freiwillig abgegeben hatte.

Das Team nutzte die Gunst der Stunde und feierte nach Siegen gegen Lupo-Martini Wolfsburg und den Brinkumer SV einen unerwarteten Durchmarsch. Eine Lizenz hatte der Vorstand zwar im März beantragt – doch dass ein vierter Rang im Oberliga-Klassement genügen würde, damit konnte niemand rechnen.

Dass die Eintracht strukturell fit ist für die Regionalliga, diesen Beweis musste der Verein nicht mehr antreten – schließlich hatte der Norddeutsche Fußballverband die Lizenz ohne Nachforderungen bewilligt. Spannender war da die Frage, ob die Mannschaft auch gut genug sein würde. In der Tat wurde Norderstedt vor Saisonstart als heißer Abstiegskandidat gehandelt. Die Zweifler sahen sich bestätigt, als es die ersten Niederlagen gab – und erst recht, als die erste Saisonhälfte auf einem Abstiegsplatz endete.

Die Pessimisten haben sich heute längst zurückgezogen. Im Jahr 2014 verlor Eintracht Norderstedt lediglich gegen den Spitzenreiter VfL WolfsburgII, gewann hingegen unter anderem die prestigeträchtigen Derbys gegen die U23-Teams des HSV, des FC St. Pauli sowie gegen den SV Eichede. Der Klassenerhalt ist offenbar nur noch Formsache, was für einen Aufsteiger zu diesem frühen Zeitpunkt, wenige Tage vor Ostern, außergewöhnlich ist.

Die Zuschauer haben das honoriert. Durchschnittlich besuchen die Heimspiele im Edmund-Plambeck-Stadion rund 600 Fans, wobei in den Duellen mit dem HSV und dem FC St. Pauli die 1000er-Marke jeweils nur knapp verfehlt wurde. Mittlerweile stellt sogar so mancher Beobachter die Frage, ob der Club in Zukunft vielleicht noch höher hinaus könnte. Gemach, heißt es aber an der Ochsenzoller Straße. „Stein um Stein“ wolle man sich weiterentwickeln. Zu groß wäre sonst die Fallhöhe, zu hoch das unnötige Risiko.

Ob Norderstedt in sechs, acht oder zehn Jahren ein Drittligist sein könnte, ist eben nur bedingt planbar und vorerst eher eine kühne Vision als eine konkrete Strategie. Andere Schritte sind eher machbar. So etwa ein Aufstieg der U19, der U17 oder sogar beider Nachwuchsteams in die Bundesliga – hier hat Norderstedt schon in dieser Spielzeit jeweils eine realistische Chance und entsprechend Lizenzen beantragt. Die Professionalisierung des Fußballs in der Stadt hat also begonnen – vorsichtig, aber mit viel Ehrgeiz.