Norderstedt. Das gibt es in Deutschland ganz selten: Im Rathaus in Norderstedt sind manche Sachbearbeiter auch noch Feuerwehrmänner.

Raus aus Hemd und Krawatte, rein in den Schutzanzug – das kommt im RathausNorderstedt gar nicht so selten vor. Hier kann es auch mehrmals die Woche passieren, dass Mitarbeiter im Büro-Outfit im hohen Tempo die Gänge herunter- und dem Feuereinsatz entgegenlaufen. Was die Kolleginnen und Kollegen in den Amtsstuben nicht weiter wundert, denn im Rathaus kennt man die Feuerwehr-Gruppe, die nahezu einmalig in Deutschland ist, nur zu gut.

Ins Leben gerufen wurde die Gruppe der Rathaus-Feuerwehrmänner im Jahr 1998, zur Unterstützung der vier Ortswehren Garstedt, Harksheide, Glashütte und Friedrichsgabe, angesichts stetig wachsender Einwohnerzahlen in Norderstedt. „Tagsüber arbeiten viele freiwillige Feuerwehrangehörige außerhalb der Einsatzgebiete in ihren regulären Jobs. Dann können sie nicht mal eben in der notwendigen Zeit zur Wache kommen, sich umziehen und zum Einsatzort fahren“, erzählt Markus Prang, Hauptmann der Gruppe. Außerdem sähen es einige Arbeitgeber auch nicht besonders gern, wenn ihre Angestellten mehrmals die Woche ihre Arbeit unterbrechen, um auszurücken.

Hauptmann Markus Prang ist Manager des internen Rathaus-Fuhrparks

„Da es aufgrund des Personalmangels zu Problemen kam, bat die Stadt Norderstedter Arbeitgeber, Angestellte, die auch bei der Feuerwehr sind, bei Bedarf von ihrer Arbeitspflicht zu befreien“, sagt Bernd-Olaf Struppek, Pressesprecher des Rathauses. „Wir als Rathaus wollten da natürlich keine Ausnahme machen und mit gutem Beispiel vorangehen.“

Und so entstand die Brandschützer-Gruppe, die bundesweit die erste ihrer Art war und in 26 Jahren eine der wenigen deutschen Rathausfeuerwehren geblieben ist. Jedes Mitglied der Gruppe hat natürlich einen regulären Job in der Verwaltung. Markus Prang, seit 2010 bei der Rathausfeuerwehr, ist Manager des internen Rathaus-Fuhrparks und Cheffahrer.

Was die Gruppe so besonders professionell macht, ist die Ausbildung. „Wir sind alle ausgebildete Feuerwehrmänner und auch außerhalb der Arbeit im Rathaus bei Einsätzen dabei.“ Hinzu kommt die zentrale Lage des Rathauses in Norderstedt-Mitte, die es der Truppe ermöglicht, schnell in anderen Teilen der Stadt die Ortswehren zu unterstützen.

Wenn der Bieper ein Signal gibt, geht es schnell runter in die Garage

Wie läuft ein Einsatz ab? Markus Prang: „Wir Feuerwehrleute haben alle eine App auf dem Handy, bei der wir eingeben, ob wir im Rathaus sind. Wenn es eine Notfallmeldung gibt, kriegen wir ein Signal auf einen Pieper, den wir alle mit uns führen.“ Wenn dieser Ton ertönt, lassen die Mitglieder des aktuell fünfköpfigen Teams alles stehen und liegen und machen sich zügig auf den Weg in die Garage des Hauses. „Hier wundert sich keiner mehr, wenn einer der Kollegen den Gang entlang hetzt“, berichtet Struppek, der das schon viele Male miterlebt hat. „Die betroffenen Personen kennt mittlerweile auch jeder. Sobald es piept, werden keine Fragen mehr gestellt.“

Die Spinde der Feuerwehr im Norderstedter Rathaus und der Ort, an dem sie sich die Gruppe einsatzbereit macht.
Die Spinde der Feuerwehr im Norderstedter Rathaus und der Ort, an dem sie sich die Gruppe einsatzbereit macht. © FMG | Josefine Korten

Im Untergeschoss in der Garage befindet sich ein kleiner Raum, in dem die Ausrüstung bereit steht. Hier sammelt sich die Gruppe und dann geht es, von „Tatütata“ begleitet, mit dem Einsatzwagen los. Ab zwei Personen sind sie bereits einsatzfähig. „Vor ein paar Jahren gab es noch keinen eigenen Raum für die Ausrüstung, nur einen Gang mit Spinden“, so Struppek. Das bot nicht allzu viel Privatsphäre, und so sei es früher das eine oder andere Mal vorgekommen, dass Rathausmitarbeitende den Feuerwehrmännern im Vorbeigehen beim Umziehen zusehen konnten.

„Ich könnte mir ein Leben ohne Feuerwehr gar nicht mehr vorstellen“

Zu ihren Spitzenzeiten bestand die Gruppe aus zwölf Feuerwehrmännern und -frauen. Aktuell hat die „Rathauswehr“ fünf Mitglieder, alles Männer, die alle aus einer der vier Norderstedter Ortswehren oder anderen Wehren des Kreises Segeberg kommen. Sie alle haben reguläre Jobs im Rathaus, zum Beispiel arbeiten sie in der Haustechnik, Veranstaltungstechnik bei der Tribühne oder – passenderweise – beim Brandschutz.

Markus Prang, seit den 90er-Jahren bei der Jugendfeuerwehr und seit vielen Jahren Feuerwehrmann der Garstedter Wache, begleitet die freiwillige Feuerwehr schon sehr lange: „Ich könnte mir ein Leben ohne gar nicht mehr vorstellen.“ So sei die Rathaus-Gruppe auch eine Möglichkeit, dem Hobby während der Arbeitszeit nachzukommen. Und dafür ist er sehr dankbar.

Manche Kollegen, die beim Ausrücken zusahen, wollten dann selbst mitmachen

Prang weiter: „Aber auch Leute, die vor ihrer Tätigkeit im Rathaus gar nichts mit dem Ganzen am Hut hatten, sind mittlerweile Teil des Teams.“ Drei der fünf aktuellen Mitglieder seien erst zu Feuerwehr gekommen, nachdem sie die Arbeit der Rathaus-Gruppe miterlebt hätten.

„Sie haben uns gesehen, wie wir zu den Einsätzen raus sind und haben Blut geleckt“, so Prang. „Dann haben sie ihre Ausbildung zum freiwilligen Feuerwehrmitglied absolviert und seitdem sind sie mit dabei.“ Alle paar Jahre wird eine Umfrage im Rathaus gemacht, bei der nach neuen Feuerwehrmännern- und -frauen gesucht wird.

Seit 2012 hat die Rathaus-Truppe auch ein eigenes Fahrzeug

„Mittlerweile hat sich schon das eine oder andere deutlich verbessert. Dankbar sind wir vor allem für unser Rathaus-Transportfahrzeug“, sagt Markus Prang. Denn bis 2012 musste der Kleinbus jeden Morgen vor Arbeitsbeginn von der Wache der freiwilligen Feuerwehr Harksheide abgeholt und nach Arbeitsschluss wieder zurückgebracht werden. Nach einer internen Umorganisation der Stadtfeuerwehr konnte es schließlich fest ans Rathaus verlegt werden. „Das spart schon sehr viel Zeit, wenn man es dauerhaft im Rathaus zur Verfügung hat.“

Auch die Tatsache, dass Norderstedt seit 2022 eine Berufsfeuerwehr hat, zeigt Auswirkungen. Prang: „Früher sind wir teilweise drei- bis viermal die Woche vom Rathaus ausgerückt. Diese Zahl hat sich etwas verkleinert, da die Berufsfeuerwehr jetzt viele kleinere Einsätze übernimmt, für die wir früher noch ausgerückt wären.“ Gemeint sind etwa die Beseitigung kleinerer Ölspuren oder die Öffnung einer verklemmten Haustür.

„Wir sind aber immer noch mindestens einmal die Woche unterwegs. Auch wenn wir in Norderstedt jetzt eine Berufsfeuerwehr haben, ohne die Freiwilligen würde es nicht gehen.“ Bei allen größeren Vorkommnissen sei die Rathauswehr, wie immer, sofort mit am Ort des Geschehens.

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Die Rathaushausgruppe ist von Montag bis Donnerstag, 7 bis 16 Uhr, und freitags bis 14 Uhr bereit, vom Rathaus auszurücken. Doch wenn am Nachmittag der Arbeitstag im Rathaus zu Ende geht, kommt der Pieper mit Prang und seinen Kollegen nach Hause. Das Ehrenamt bei der Feuerwehr kennt nämlich keinen Feierabend. „Wenn ich abends mal mit Freunden ins Restaurant gehe und der Alarm losgeht, bevor das Essen da ist, lege ich das Geld auf den Tisch und mache mich auf den Weg zur Wache“, sagt Markus Prang. Für manche sei das schwer zu verstehen, aber für Prang und seine Kollegen ist es ein wichtiger Lebensinhalt, anderen zu helfen.