Henstedt-Ulzburg. Gemeinde versucht seit Jahren, Parteitage der Rechtspopulisten im Bürgerhaus zu verhindern. Ein Urteil macht das nahezu unmöglich.

Die Bemühungen der Henstedt-Ulzburger Gemeindepolitiker, die AfD aus dem Bürgerhaus herauszuhalten, haben einen Rückschlag erlitten. Nach dem Vorbild der Stadt Reinbek, die ein Nutzungsverbot für die AfD im Schloss der Stadt verhängt hatte, wollten auch die Henstedt-Ulzburger einen derartiges Verbot erlassen, das keine Veranstaltungen mit extremistischen, rassistischen, antisemitischen, nationalistischen, sonstigen menschenverachtenden oder antidemokratischen Inhalten mehr duldet. Doch nun hat das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht das Nutzungsverbot für das Schloss Reinbek kassiert. Die AfD darf ins Schloss Reinbek

Und damit auch weiterhin ins Bürgerhaus. Seit Jahren ist es immer wieder Austragungsort von überregionalen AfD-Veranstaltungen, die ebenso regelmäßig von größeren Protesten und Demonstrationen begleitet wurden. Das Dilemma der Gemeinde: Niemand möchte, dass die AfD größere Versammlungen auf Landesebene im Bürgerhaus veranstaltet. Doch spätestens nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtes ist klar, dass man die AfD nur aus dem Bürgerhaus ausschließen kann, wenn man auch alle anderen Parteien und Wählervereinigungen von der Nutzung ausschließen würde.

Henstedt-Ulzburg: Satzungsänderung, um Extremisten auszuschließen

Das Schloss Reinbek ist am 12. April Veranstaltungsort für einen AfD-Vortrag über „Sozialsysteme in Gefahr“. Die Stadt Reinbek hat keine Möglichkeit, die Veranstaltung zu verbieten.
Das Schloss Reinbek ist am 12. April Veranstaltungsort für einen AfD-Vortrag über „Sozialsysteme in Gefahr“. Die Stadt Reinbek hat keine Möglichkeit, die Veranstaltung zu verbieten. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Die bisherige Planung sah vor, dass die Satzungs- und Benutzungsordnung für das Bürgerhaus so geändert werden sollte, dass Extremisten aller Art künftig ausgeschlossen werden können. Diesen Beschluss fassten die Mitglieder des Ausschusses für Bildung und Kultur einstimmig. Auf Antrag der CDU sollte sich Henstedt-Ulzburg an der Stadt Reinbek orientieren.

„Die Verbreitung von gestrigem völkischen Gedankengut hat in unserem Schloss und in unserer Stadt nichts zu suchen“, befanden die Reinbeker Kommunalpolitiker und änderten die Satzung für die Nutzung des Schlosses. Am 1. Januar 2024 ist die Satzung in Kraft getreten. Wie sich jetzt herausstellt, war das eine vergebliche Mühe. Das Verwaltungsgericht in Schleswig reagierte auf einen Eilantrag der AfD und verfügte: Die Stadt Reinbek muss dem AfD-Landesverband die Räumlichkeiten des Schlosses für die Vortragsveranstaltung zur Verfügung stellen.

Die Stadt Reinbek muss der AfD das Schloss am 12. April zur Verfügung stellen

Das Gericht beruft sich in seiner Entscheidung auf die Gleichbehandlung: Solange die Partei vom Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt worden sei, dürfe sie nicht in ihrer politischen Tätigkeit behindert werden.

Die AfD hatte in Reinbek schon zweimal getagt, am 12. April ist die nächste Vortrags- und Diskussionsveranstaltung geplant. Und die erste, die von den Reinbekern nach dem Urteil nicht verhindert werden kann. Der bayrische AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy soll zum Thema „Sozialsysteme in Gefahr“ sprechen. Laut dem Recherchenetzwerk Correctiv soll Huy am 25. November am Treffen von Rechtsextremisten teilgenommen haben. Dabei ging es um einen „Masterplan zur Remigration“.

Die Stadt Reinbek will das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht anfechten und mangels Erfolgsaussichten keine weiteren Schritte dagegen unternehmen. Die Kommunalpolitik und der Bürgermeister wollen gleichwohl an der geänderten Satzung festhalten, um auch in Zukunft versuchen zu können, Extremisten vom Veranstaltungsort fernzuhalten.

Nach dem Urteil schrillen in Henstedt-Ulzburg die Alarmglocken

Rund 3500 Menschen demonstrieren am 21. Januar in Henstedt-Ulzburg gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus. Es war eine der größten Kundgebungen aller Zeiten im Kreis Segeberg. 
Rund 3500 Menschen demonstrieren am 21. Januar in Henstedt-Ulzburg gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus. Es war eine der größten Kundgebungen aller Zeiten im Kreis Segeberg.  © Bündnis für Demokratie und Vielfalt Henstedt-Ulzburg | Bündnis für Demokratie und Vielfalt Henstedt-Ulzburg

In Henstedt-Ulzburg schrillen nach der Entscheidung aus Schleswig die Alarmglocken. Bürgemeisterin Ulrike Schmidt wird sich mit Vorsitzenden der Ratsfraktionen und dem Vorsitzenden des Ausschusses für Bildung und Kultur zusammensetzen und das weitere Vorgehen erörtern. „Wir müssen sehen, wie wir das einordnen“, sagt Christian Schäfer (SPD), Vorsitzender des Ausschusses, der vor zwei Monaten den Beschluss gefasst hatte, sich an der Stadt Reinbek zu orientieren. „Das Verwaltungsgerichtsurteil erscheint eindeutig, jetzt müssen wir sehen, ob eine Änderung der Nutzungssatzung für das Bürgerhaus noch möglich ist oder nicht.“

Henstedt-Ulzburgs CDU-Vorsitzende Margitta Neumann ahnt ebenfalls: „Wir werden keine Chance haben.“ Es sei aber wichtig, das zu prüfen. Den örtlichen Politikern seien die mangelnden Erfolgsaussichten der Bemühungen, die AfD aus dem Bürgerhaus herauszuhalten, klar gewesen. „Wir wollen es aber auf jeden Fall versuchen.“

Die AfD sieht sich durch die Gerichtsentscheidung bestätigt

Die Ereignisse rund um das Bürgerhaus hatten im Oktober 2020 für bundesweites Aufsehen gesorgt, als ein damaliges AfD-Mitglied aus Föhrden-Barl mit einem Pick-up auf einem Gehweg an der Beckersbergstraße eine Gruppe Gegendemonstranten vorsätzlich rammte und teils schwer verletzte. Im vergangenen Dezember wurde der Täter wegen mehrfacher gefährlicher Körperverletzung zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt – die Anklage hatte auf versuchten Totschlag plädiert.

Die AfD sieht sich durch die Entscheidung des Gerichts bestätigt. Julian Flak, der stellvertretende Landesvorsitzende, innenpolitische Sprecher der Landes-Partei und Segeberger Kreistagsabgeordneter, nimmt auf der Internetseite der Partei Stellung: Die Argumentation der Stadt Reinbek sei auf ganzer Linie gescheitert.

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„Das Parteienprivileg des Grundgesetzes“, so Flak, „gilt selbstverständlich auch für die Nutzung des Schlosses Reinbek. Die Stadt kann dieses Recht auch nicht durch eine Nutzungssatzung aushebeln. Die ‚Lex AfD‘ des Bürgermeisters Björn Warmer verletzt schlicht Verfassungsrecht. Das Gericht hat dem SPD-Mann demokratische Grundregeln ins Stammbuch geschrieben – er hatte hier offenkundig erheblichen Nachholbedarf.“

Bündnis gegen Rechts will den großen Saal für alle Parteien sperren lassen

In der Februar-Sitzung hatte der Ausschuss für Kultur und Bildung weitere Einzelheiten, die zu einem Ausschluss aus dem Bürgerhaus führen sollen, einstimmig beschlossen. So sollen Träger von Bekleidungsmarken wie „Thor Steinar“ und „Consdaple“ das Bürgerhaus nicht betreten dürfen. Etliche Verfassungsschützer und zivilgesellschaftliche Organisationen sehen in dieser Kleidung Erkennungsmerkmale der rechtsextremen Szene. „Consdaple“ enthält zum Beispiel das Kürzel „NSDAP“ für Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei im Markennamen.

Das Henstedt-Ulzburger Bündnis für Demokratie und Vielfalt macht einen Vorschlag, um Extremisten aus dem Bürgerhaus fernzuhalten.  
Das Henstedt-Ulzburger Bündnis für Demokratie und Vielfalt macht einen Vorschlag, um Extremisten aus dem Bürgerhaus fernzuhalten.   © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Das Henstedt-Ulzburger Bündnis für Demokratie und Vielfalt macht der Gemeinde einen Vorschlag, wie die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ausgehebelt werden kann: Nur der große Saal des Bürgerhauses sollte für politische Veranstaltungen gesperrt bleiben. „Das wäre die allererste Möglichkeit“, sagt Sprecherin Britta de Camp-Zang, der bekannt ist, dass die AfD den Saal bereits für kommende Großveranstaltungen gebucht hat. Die örtlichen Parteien könnten dann immer noch die kleineren Räume nutzen.

Die Bündnis-Sprecherin blickt zurück und stellte dabei für sich fest, dass es in der Vergangenheit offenbar nur wenige politische Großveranstaltungen im Saal gegeben habe. „Die Parteien sollten überlegen, ob sie darauf nicht verzichten könnten, notfalls müssten sie auf andere Säle ausweichen.“ Das Bündnis für Demokratie und Vielfalt möchte betroffene Kommunen aus weiteren Bundesländern ermuntern, sich zusammenzuschließen, um beim Bundesverfassungsgericht einen gemeinsamen Antrag einzureichen.