Das Henstedt-Ulzburger Ordnungsamt und die Polizei prüfen ein Bußgeldverfahren gegen die Diskothek nach der “Pipi-Party“.

Henstedt-Ulzburg. Noch vor einem dreiviertel Jahr hatte Henstedt-Ulzburgs Polizeichef Jens Rossow die gute Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Diskothek "Joy" gelobt. Doch nach der aus dem Ruder gelaufenen "Pipi-Party" am vergangenen Wochenende ist die Polizei nicht mehr so gut auf die Partymacher von der Gutenbergstraße zu sprechen. "Ich bin enttäuscht", sagt Rossow, der ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Betreiber eingeleitet hat. Schon jetzt steht fest, dass das "Joy" nach dem Massenbesäufnis vom Wochenende mit Konsequenzen rechnen muss. "Das kann von der Ermahnung über ein Bußgeld bis zum Konzessionsentzug gehen", sagt Henstedt-Ulzburgs Bürgermeister Torsten Thormählen.

Wie berichtet, hatte die Polizei am Wochenende mehrere minderjährige Besucher aufgegriffen, die sich bei der "Pipi-Party" im "Joy" einen schweren Rausch angetrunken hatten. Das Konzept dieser Veranstaltungen sieht vor, dass alle Besucher nach dem Öffnen der Disco kostenfrei trinken dürfen, bis der erste Gast aufs Klo muss. "Dabei wurde nach unseren Informationen billigend in Kauf genommen, dass an 16-Jährige Longdrinks ausgeschenkt wurden", sagt Rossow. Er hält diese Form der Flatrate-Partys für besonders gefährlich, da die Gäste dazu verleitet werden, innerhalb kürzester Zeit so viel wie möglich zu trinken.

Rossow erinnerte an eine Aufforderung des Kieler Sozialministeriums aus dem Jahr 2007, Flatrate-Partys grundsätzlich zu unterbinden. "Ich war der Meinung, dass die Diskothek Joy darüber informiert ist", sagte er. Rossow will jetzt prüfen, wie die Polizei künftig bei vergleichbaren Problemen vorgeht. Dabei schließt er auch einen polizeilichen Abbruch von Veranstaltungen "aus gefahrenabwehrenden Gründen" nicht aus. "Solche Partys sind jugendgefährdend", sagt Rossow. Auch die Ein-Euro-Partys, die im "Joy" auf dem Programm stehen, werde die Polizei genau beobachten. Bei diesen Veranstaltungen können die Besucher sich Spirituosen für nur einen Euro kaufen.

+++"Pipi-Party" im "Joy" läuft völlig aus dem Ruder+++

Kritisch beobachtet Rossow außerdem den Umgang der Disco mit den Formularen für die "Personenfürsorgeübertragung", die als Download auf der Homepage des "Joy" angeboten werden. "Du bist noch nicht 18 Jahre alt? Kein Problem", heißt es auf der Seite. Rossow vermutet, dass die Formulare nicht von Begleitern der Jugendlichen ausgefüllt werden, die die Eltern für besonders vertrauenswürdig halten, sondern von volljährigen Zufallsbekanntschaften, die die Jungen und Mädchen auf dem Parkplatz treffen.

Welche Konsequenzen die Gemeinde Henstedt-Ulzburg aus den Zwischenfällen am Wochenende ziehen wird, will Bürgermeister Thormählen entscheiden, sobald ihm der Bericht der Polizei vorliegt. "Wir müssen jetzt verstärkt unser Augenmerk auf das Joy richten", sagte er. Dass Alkohol an Jugendliche ausgeschenkt worden sei, bezeichnete er als "sehr bedenklich". Thormählen wies außerdem auf die Verantwortung der Eltern hin, die entscheiden müssen, wo ihre Kinder abends hingehen.

Suchtberater Wilfried Holz von der Beratungsstelle ATS in Kaltenkirchen lehnt Flatrate-Partys grundsätzlich ab. "Diese Art, sich zuzuschütten, birgt akute Risiken", sagte er. Diese Form des Feierns führe junge Menschen in einer gefährlichen Weise an den Konsum von Alkohol heran. Gesundheitliche Schäden könnten die Folge sein, im schlimmsten Fall sogar eine Suchterkrankung. "Bei den Veranstaltungen sinken die Hemmschwellen, viel zu trinken", sagte Holz.

Wer den Umgang mit Alkohol nicht gewöhnt sei, könne kaum die Wirkung einschätzen, die nach dem Genuss großer Mengen in kurzer Zeit eintreten. Eine weitere Gefahr drohe wegen der Kälte. Holz: "Wenn bei diesem Wetter jemand draußen betrunken umfällt und nicht rechtzeitig gefunden wird, ist das außerordentlich gefährlich."

+++"Pipi Party" artet aus - Polizei muss einschreiten+++

In der Umgebung des "Joy" kommt es seit mehr als einem Jahr regelmäßig an Wochenenden zu Gewalttaten. Immer wieder berichtet die Polizei von scheinbar grundlosen Überfällen. Ohne erkennbaren Anlass fallen junge Männer über "Joy"-Besucher her und schlagen und treten auf sie ein.

Nach Razzien im "Joy" und vier weiteren Diskotheken im Kreis hatten 47 Beamte von Zoll, Polizei und Ordnungsamt vor wenigen Wochen sechs Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleitet. Sie hatten fünf Schlagstöcke, zwei Springmesser, ein Reizstoffsprühgerät sowie einen Elektroschocker sichergestellt. Außerdem fanden die Beamten 20 Ampullen Testosteron und stellten diese aufgrund des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz sicher. Das Hauptzollamt Itzehoe, das 27 Beamte zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in den Einsatz entsandte, überprüfte 73 Personen.

Eine Ein-Euro-Party am Freitag, die das "Joy" gestern Morgen auf seiner Homepage ankündigte, war am Nachmittag von der Seite verschwunden. Nach Informationen der Norderstedt-Redaktion des Hamburger Abendblatts hat das Ordnungsamt der Gemeinde mit einem Verbot der Veranstaltung gedroht. Vom "Joy" gab's gestern keine Stellungnahme zu den Vorfällen.