Biogasanlagen gewinnen aus der Feldfrucht Strom und Wärme - der Betrieb ist rentabel, aber ökologisch umstritten. Wasserpreis steigt.

Kreis Segeberg. Der Streit um die Produktion von Biogas in Schleswig-Holstein spitzt sich zu. Gerade hat der Landesnaturschutzbeauftragte Klaus Dürkop die Biogas-Produktion massiv kritisiert - die Kritik trifft auch die Anlagenbetreiber im Kreis Segeberg, in dem 23 Biogasanlagen arbeiten, weitere 16 geplant oder im Baus sind.

Der Maisanbau zerstöre die Artenvielfalt, befördere den Humusabbau, lauge die Böden aus und verdichte sie, hatte Dürkop beklagt. Durch den Einsatz von Dünger und das Ausbringen von Gärresten auf die Felder steige die Nitratbelastung des Trinkwassers. Der Wasserpreis steige, weil das Nitrat herausgefiltert werden müsse. Der Bürger zahle die Zeche.

Die Flächenkonkurrenz treibt die Pachtpreise in die Höhe

Die Flächenkonkurrenz treibe die Pachtpreise in die Höhe und bedrohe die Milchbauern in ihrer Existenz. Es fehle an Heu, Jäger kämpften gegen die Wildschweinplage. Auch der Tourismus leide, wenn Urlauber nur noch auf meterhohe Maiswände oder abgeerntete Maisfelder blickten. Die Maisbauern hinterließen ihren Erben "verbrannte Erde". Die Landschaft werde zerstört, obwohl Biomasse langfristig nur zwei bis drei Prozent zur Energieversorgung beitragen werde.

Der Bauernverband Schleswig-Holstein widersprach. Wer die Energiewende wolle, könne auf Maisanbau nicht verzichten. Nur Biomasse sei in der Lage, die Grundlast bei der Energieversorgung zu sichern. Deshalb habe der Bund finanzielle Anreize geschaffen, die die Landwirte jetzt nutzten.

"Tatsächlich ist der Anteil der Bioenergie bis 2010 konstant auf 4,7 Prozent gestiegen. Biomasse wird nie die komplette Energieversorgung übernehmen können, bedient aber eine wichtige Nische, nämlich die Lieferung von Regelenergie. Wind- und Solarenergie fallen periodisch an, die Speicherung ist aufwendig und mit zusätzlichen Verlusten behaftet", sagt Christian Saul, der die Biogasanlage "ARA Biogas" in Großenaspe betreibt und sich so ins Thema eingearbeitet hat, dass er mit einem zweiten Unternehmen Investoren und Anlagenbetreiber im Ausland berät.

Mais kommt mit weniger Spritzmitteln aus als Getreide und Raps

Es gebe zwar lokal ein Überangebot an Nährstoffen. Das sei jedoch grundsätzliche eine Herausforderung für moderne Landwirtschaft und kein für Biogas spezifisches. Maisanbau benötige sogar weniger Spritzmittel (Herbizide und Fungizide) als der Anbau von Getreide und Raps. Die Landschaft leide unter den Maisfeldern nicht mehr als unter Landwirtschaft zur Nahrungsproduktion. In Frankreich sei der Anteil des Maisanbaus auch ohne Biogas gestiegen. "Die meisten Landwirte halten eine Fruchtfolge ein, sonst würden sie den Ast absägen, auf dem sie sitzen", sagt Saul. Insofern könne von "verbrannter Erde" keine Rede sein.

Gerade die Milchbauern hätten mit Biogas die Möglichkeit, ein zweites Standbein aufzubauen und sich von Milchpreisschwankungen unabhängiger zu machen. "Der Wildschweinbestand nimmt allgemein zu und wächst unabhängig von Biogas. Grund sind mildere Winter und damit der Klimawandel", sagt Saul.

Hunger basiert auf der ungerechten Verteilung der Lebensmittel

Weltweit würden mehr Lebensmittel produziert als benötigt werden, sagt der gelernte Gärtner und studierte Betriebswirt zu dem Vorwurf, wir würden den Mais für die Energieproduktion verwenden, während viele Menschen hungern müssen. Hunger könne daher nur auf eine ungerechte Zuteilung zurückgeführt werden, nicht auf ein begrenztes Angebot. Die oft von den Gegnern ins Feld geführten Transporte für die Biomasse seien unerheblich in der Ökobilanz. Sie machten meist nur ein Hundertstel der Emissionsreduktion aus, die sich aus der Vermeidung von Methanemissionen aus der offenen Güllelagerung ergibt. Laut Klimarat der Vereinten Nationen können Biogasprojekte durchaus als Klimaschutzprojekte angesehen werden.

"Die Bundesregierung hat sich was dabei gedacht, als sie mit der Einspeisevergütung 2004 den Grundstein für die Erzeugung von Biogas gelegt hat", sagt Saul, dessen Anlage im Unterschied zum Betrieb in Ellerau rentabel läuft. Die Vergütung sei durchaus attraktiv. Doch profitabel könne man Biogas nur erzeugen, wenn man die Biomasse zu fairen Preisen einkaufen kann und die Technik funktioniert.

2008 ging die Anlage mit einem 500-kW-Motor an den Start, inzwischen lässt er den siebten und achten Generator an das mit sechs Kilometern weit verzweigte Biogasnetz einbauen, der das beim Gären von Biomasse entstehende Gas in Strom und Wärme umwandelt. Ende des Jahres wollen Saul und seine Mitarbeiter 3,7 Megawatt erzeugen - eine Leistung, mit der die Biogasanlage an der A 7 zu den größten in Schleswig-Holstein zählt.

Im Unterschied zu manchen Kollegen, die sich nicht in die Finanzen gucken lassen wollen, gewährt er Einblick in die Kalkulation: Der Strom, den die Generatoren ins Netz einspeisen, wird nach der Energieeinspeisevergütung mit knapp 20 Cent pro Kilowattstunde vergütet. Rund 8000 Stunden pro Jahr laufen die Generatoren, die insgesamt 3700 Kilowatt und somit knapp 30 Millionen Kilowattstunden ab 2012 jährlich erzeugen.

Daraus ergibt sich eine Einnahme von knapp sechs Millionen Euro, wenn die Motoren durchlaufen. "Der Preis pro Kilowattstunde Strom ist garantiert, bedeutet aber, dass die Fermenter, in denen der Gärprozess abläuft, mit maximal 100 000 Tonnen Silagen, Gülle, Rüben und Mahdgut gefüttert werden müssen", sagt der Biogas-Produzent, der dafür mit den umliegenden Landwirten kooperiert und davon profitiert, dass die leichten Böden in der Umgebung sich ideal für den Maisanbau eignen.

55 Landwirte liefern den Mais und bekommen 25 Euro pro Tonne

Momentan läuft die Mais-Ernte auf Hochtouren, ein Trecker nach dem anderen fährt mit rund 20 Tonnen Mais auf die Waage, ehe die Fracht auf den Lagerplatz fällt und von Radladern auf den riesigen, rund zwölf Meter hohen Maishaufen geschoben wird. 55 Landwirte beliefern die Anlage und bekommen rund 25 Euro pro Tonne für die abgesprochene Qualität. Zusätzlich fallen rund acht Euro für die Ernte an.

"Bei der Technik muss man schon sehr genau hinsehen. Nur wer das Kleingedruckte liest, erfährt, dass der Wirkungsgrad der Anlagen eben meist nicht bei 100, sondern nur bei 90 oder 92 Prozent liegt", sagt der Unternehmer, der inzwischen so viel Wissen angehäuft hat, dass er mit Lieferanten, Bauern und Abnehmern auf Augenhöhe verhandeln kann.