Während Saisonarbeiter vom Mindestlohn profitieren, fürchten Taxifahrer in Norderstedt um ihren Job

Norderstedt. Seit acht Jahren arbeitet Artur Stanczak von Mitte April bis Ende Juni als Spargelstecher auf dem Hof von Mike Bolhuis und Anja Denzin im Tangstedter Ortsteil Wilstedt. Der Landwirt aus Wola Blizocka bei Warschau kommt auch dieses Jahr wieder. „Sonst kann ich meine Familie nicht ernähren“, sagt er.

Anja Denzin hat gute Nachrichten für ihre polnischen Erntehelfer: „Bisher haben wir 5,70 Euro pro Stunde gezahlt, künftig sind es 8,50 Euro.“ Das ist der seit dem 1. Januar gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn.

Der Spargel bei Bolhuis wird jedoch teurer. „Wir haben keine andere Wahl, denn sonst können wir die Mehrkosten nicht auffangen“, sagt Anja Denzin. Ihre Obstverkäuferinnen erhielten 8 Euro, ab sofort 8,50 Euro. Für Saisonarbeiter gibt es eine auf vier Jahre befristete Sonderregelung: Die Grenze für sozialabgabenfreie kurzfristige Beschäftigungen hat der Gesetzgeber von 50 auf 70 Tage angehoben.

Auch die Taxifahrer, bisher mit Stundenlöhnen zwischen 5,50 und 6,50 Euro abgefunden, bekommen mehr Geld. Bezahlen müssen das letztlich die Fahrgäste. Der neue Tarif, letztes Jahr vom Kreistag beschlossen und seit Neujahr in Kraft, wurde um etwa 18 Prozent erhöht. Die Grundgebühr, bisher 2,90 Euro, beträgt jetzt 3,50 Euro, jeder gefahrene Kilometer kostet 1,92 Euro (bisher 1,60).

„Viele Fahrgäste kritisieren, dass die Preise gestiegen sind, deshalb fürchtet mancher Kollege um seinen Job“, klagt ein Norderstedter Taxifahrer, der schon lange im Geschäft ist. Entlassungen oder Rückgaben von Konzessionen, wie in Kiel und Neumünster passiert, wurden in Norderstedt und Umgebung nicht bekannt.

Hans Werner Topp (Norderstedt), seit mehr als zwölf Jahren Inhaber des familiengeführten Taxiunternehmens an der Segeberger Chaussee (Motto: „Pünktlich, sauber, hilfsbereit“) will seine 40 Mitarbeiter halten.

Auch das Bewachungsgewerbe ist eine Niedriglohn-Branche. Die Brüder Thomas und Stefan Pütz, Vorstand bei der Pütz Security in Kaltenkirchen, zahlten bisher 7,85 Euro bei Veranstaltungen in Schleswig-Holstein und 8,05 Euro in Hamburg. „Wir hoffen, dass wir die Kosten durch mehr Kunden kompensieren können“, sagt Stefan Pütz.

Pütz Security beschäftigt derzeit 450 Mitarbeiter und sucht für Großveranstaltungen in Hamburg weitere Aushilfskräfte.

Überprüft wurde das Kaltenkirchener Unternehmen schon, als Wladimir Klitschko im Winter in Hamburg boxte. Der Zoll hat nichts beanstandet.

Niedriglöhne werden auch in der Hotel- und Gastronomie-Branche bezahlt. Doch es gibt Ausnahmen. Angelika Schmid, Chefin des Best Western-Hotel Schmöker Hof in Norderstedt, sagt: „Unsere Aushilfen erhalten schon seit Jahren 8,50 Euro.“ Das sagt auch Jutta Ackerl, Pächterin des Lokals Herz von Garstedt, mit fünf bis sieben Minijobbern: „Nervig finde ich es nur, dass ich neuerdings über Dienstbeginn und Dienstende jeder Servicekraft exakt Buch führen muss.“

Darüber klagt auch Helmut Wrage, Tankstellenpächter in Henstedt-Ulzburg mit sieben Festangestellten und acht Aushilfen: „Mein Steuerberater hatte mich schon im vergangenen Jahr darauf aufmerksam gemacht, dass der Zoll regelmäßig prüfen wird.“

Nur in Branchen, in denen es allgemeinverbindliche Tarifverträge gibt, sind bis Ende 2016 niedrigere Mindestlöhne möglich. Spätestens 2017 müssen auch hier 8,50 Euro pro Stunde gezahlt werden. Im Friseurgewerbe steigt der Mindestlohn bis August 2015 von 7,50 Euro in zwei Stufen auf 8,50 Euro, in der Fleischindustrie werden 7,75 Euro (seit Juli 2014), 8 Euro (seit Dezember 2014), 8,60 Euro (Oktober 2015) und 8,75 Euro (Dezember 2016) gezahlt.

Der Mindestlohn schützt Beschäftigte im Niedriglohnsektor vor Dumpinglöhnen und verringert die Zahl der Menschen, die trotz Vollzeitbeschäftigung Sozialleistungen benötigen.