Es ist matschig im Kisdorfer Friedwald. Das wird schon beim Eingang in den Forst Endern deutlich, der seit dem vergangenen Jahr zum Teil ein Friedhof ist.

„Im hinteren Bereich des Waldes wird gerade viel Holz gemacht“, sagt Försterin Marion Fraile. Sie schaut auf die Schuhe der neun Interessenten, die bei der Wanderung dabei sind, die durch den ersten Friedwald Schleswig-Holsteins führt – zuvor gab es wie in Hartenholm vor allem Ruheforste des gleichnamigen Konkurrenzunternehmens. Nicht alle haben an diesem Tag das richtige Schuhwerk ausgewählt. Da die Gruppe in der Folge aber meist abseits der Wege und damit des Matsches unterwegs ist, bleiben die Füße trocken. Die Interessenten können sich auf die Worte der Försterin konzentrieren. Zu Beginn berichtet sie vom langen Vorlauf, der für die Genehmigung des Friedwaldes nötig war.

„Wir befinden uns hier in einem FFH-Schutzgebiet – das heißt, es gibt hier viele seltene Vögel und Pflanzen“, erklärt Fraile. Deshalb musste vor der Widmung des Waldes als Friedwald intensiv geprüft werden, ob die Nutzung als Friedwald den Schutz gefährdet. Da sie es nicht tut, sind mittlerweile die meisten Bäume direkt hinter dem Parkplatz am Elmenhorstweg mit Bändern gekennzeichnet. Drei verschiedene Farben gibt es, Blau, Gelb und Rot. „Es gibt zwei Möglichkeiten, sich hier bestatten zu lassen“, erklärt Marion Fraile. „Entweder man kauft sich einen Baum oder einen Platz.“ An Bäumen mit gelbem Band könne ein Platz oder gleich mehrere erworben werden, beim blauen Band stehe der komplette Baum mit zehn Ruheplätzen zum Verkauf, und das rote Band bezeichne einen Partnerbaum. Er ist billiger, aber es gibt auch nur zwei Plätze.

Die Grabpflege wird von der Natur übernommen

Die Gruppe bahnt sich mit der Försterin den Weg über alte Blätter und Äste zu einem der Bäume mit blauem Band, einer Buche. Auf ihrer Rückseite ist mit einem Nagel ein Schild befestigt, das eine Nummer und eine farbige Plakette trägt, mit der der Preis bestimmt werden kann. In diesem Fall ist sie grün. „Dieser Baum kostet 3950 Euro“, sagt sie. „Der Preis ist abhängig von der Dicke, je größer desto teurer.“ Die Friedwald-Bäume sind in diesem Bereich vor allem Buchen, Eschen und Erlen. Anders als Nadelbäume sollten sie die 99 Jahre bis zum Ende der Friedwald-Nutzung im Jahr 2112 stehen bleiben. Dann endet auch die Ruhezeit derjenigen, die im Friedwald bestattet sind.

Kurz hinter der Buche mit blauem Band liegen verstreut ein paar Blütenblätter auf dem Waldboden. „Hier gab es gerade eine Bestattung“, sagt Marion Fraile. „Darf man auch Blumen hinlegen?“, fragt eine Teilnehmerin der Wanderung. Das sei nicht gestattet. Das Prinzip des Friedwaldes sei, dass die Grabpflege von der Natur übernommen wird. „Wer gerne Grabschmuck mag, der ist auf dem Friedhof besser aufgehoben.“ Für den Henstedter Horst Krüger ist genau das ein Argument für den Friedwald. „Ich pflege jetzt zwei Gräber. Eines davon seit 1979“, erzählt er. Seine Mutter ist bereits 97 Jahre alt und wenn sie stirbt, dann stehen ihm noch einmal 25 Jahre Grabpflege bevor, rechnet er vor. „Da fragt man sich, wer pflegt einmal das eigene Grab?“

Etwa 100 Meter weiter steht eine leere Urne bereit, das Mustergrab. Am Baum hängt eine Musterplakette mit fiktiven Namen. Die Plakette sei kein Muss, erläutert Fraile. Allerdings gebe es keine anonyme Bestattung. „Jeder Angehörige bekommt eine genaue Beschreibung, wo das Grab seines Verstorbenen ist.“ Fraile nimmt die Urne in die Hand und zeigt sie herum. „Die Urne ist komplett biologisch abbaubar“, sagt sie. „Nach zwei Jahren ist alles weg.“ Eine Feuerbestattung ist im Friedwald Pflicht, allerdings muss nicht unbedingt ein Bestatter dabei sein. Zwar holt er die Verstorbenen ab und sorgt für die Einäscherung, die Krematorien können aber die Friedwald-Urnen dann auch direkt an das Amt Kisdorf schicken, wo die Mitarbeiter der Landesforsten sie abholen und sich um den weiteren Ablauf kümmern. Damit wären die drei Beteiligten genannt: Die Friedwald GmbH liefert das Konzept und kümmert sich um die Verwaltung, die Landesforsten pflegen den Wald und organisieren die Bestattungen, die Gemeinde Kisdorf ist der Träger.

Im Forst Endern gibt es viele Spaziergänger mit Hunden

„Die Waldstruktur wird sich langfristig ändern“, sagt die Försterin. Würde ansonsten auf gerade und astfreie Stämme geachtet, die für die Holzwirtschaft wichtig sind, könnten im Friedwald die Bäume auch krumm wachsen. Wichtig sei, dass sie die 99 Jahre stehen bleiben – fällt doch einmal einer um, wird er ersetzt. Insgesamt werde der Wald naturnaher, meint Fraile. Natürlich wirkt auch der Andachtsplatz an der ersten Kreuzung des Waldes, der sich dem Ambiente anpasst. Hier stehen ein Holzkreuz, Holzbänke und einige Holzskulpturen. Der Henstedt-Ulzburger Hans-Werner Kunze hat die Wanderung mit Interesse verfolgt. Auch er pflegt ein Grab und wenn er nicht einmal die Woche vorbei schaut, gebe es Gerede. Im Friedwald sei das anders. „Hier könnte meine Frau auch mit dem Hund vorbei kommen“, sagt er. Auf einem normalen Friedhof sei das undenkbar.

Im Forst Endern hingegen gibt es viele Spaziergänger mit Hunden, Reiter und sogar ein Sulky fährt während der Wanderung vorbei. „Hier braucht sich niemand vor Einsamkeit zu fürchten“, sagt Försterin Fraile. Bestattungen gab es hier auch schon einige. Seit der Eröffnung insgesamt 30. Bis die etwa 300 Bäume, die derzeit ausgezeichnet sind, belegt sind, dauert es dennoch noch eine Weile. Dann werden weitere Bäume ausgewählt, vermessen, kartiert und gekennzeichnet. Passende Bäume gibt es auf den 35 Hektar Friedwald schließlich genug.