Russische Behörden halten Arved Fuchs und sein Team in Murmansk fest. Die Expedition zum Franz-Josef-Land droht zu scheitern.

Bad Bramstedt/Murmansk . "Pos. 68° 58 N - 33° 4 E" - mit diesen Daten beginnt der neueste Eintrag ins Online-Logbuch von Arved Fuchs. Geändert hat sich an der Position seines Expeditionsschiffes seit zehn Tagen nichts. Die "Dagmar Aaen" und ihre Crew sitzen im trostlosen Kohlehafen von Murmansk fest und müssen nicht - wie erwartet - gegen Kälte und Eis kämpfen, sondern gegen die russische Bürokratie. Behörden halten Fuchs und sein Team fest, das sich schon lange auf den Weg ins entlegene Franz-Josef-Land machen wollte. Der gesamte Zeitplan der Reise in die arktische See ist in Gefahr, die Expedition droht zu scheitern. "Uns stinkt's in diesem Hafen" schreibt Fuchs mit kaum gebremster Wut in seinem Tagebuch.

Täglich kommen Inspektoren und Vertreter des Grenzschutzes (Border Guard) von anderer Behörden an Bord, verlangen neue Dokumente und Zertifikate. Kenner der russischen Bürokratie sprechen von "Schikane". Inzwischen war ein russisches Fernsehteam an Bord, das über das endlose Warten an Bord der "Dagmar Aaen" berichtete.

Wenn das Schiff nicht bald ablegen kann, ist der Zeitplan für die Reise zum Franz-Josef-Land nicht mehr zu halten. Fuchs will dort die Arbeit von Expeditionsteams aus dem 19. Jahrhundert dokumentieren, ihre Lager ausfindig machen und die größte Vogelkolonie des Nordens im Nationalpark Russische Arktis besuchen. Die Genehmigungen für die Reise liegen seit Monaten vor, der Nationalpark-Ranger wartet ebenfalls an Bord. Doch in Murmansk werden nicht alle Dokumente akzeptiert.

"Der Weg durch die russische Bürokratie ähnelt einem Glücksspiel"

In seinem Onlinetagebuch hat Arved Fuchs am Montag seine Gedanken zur Situation beschrieben:

"Fahrten durchs Eis haben viel mit dem Schachspiel gemeinsam: Nach der Eröffnung folgt Zug auf Zug nach erkennbaren Gesetzmäßigkeiten. Doch der Weg durch die russische Bürokratie ähnelt eher einem Glücksspiel. Trotz vorhandener Genehmigungen von Nationalparkverwaltung und Bundesagentur für Sicherheit der Russischen Föderation (FSB) werden wir immer wieder mit neuen Bestimmungen und Auflagen konfrontiert. Diese versperren uns den nun eisfreien Weg nach Franz-Josef-Land - dabei läuft uns die Zeit davon, denn in der Hocharktis öffnet das Eis höchstens ein kleines Zeitfenster.

Trotz des langen Wartens ist die Stimmung an Bord gut! Dazu trägt neben intensiven Gesprächen und reichhaltiger Arktis-Literatur das Essen von Raimer entscheidend bei. Leicht überwindet er Sprachbarrieren beim Entschlüsseln der Verpackungen russischer Produkte mit Hilfe unseres Agenten und seiner Mitarbeiterinnen. Warum kann es nicht ebenso auf administrativer Ebene laufen? Dies ist ein bisher unerfüllter Wunsch.

Wir liegen in hinterster Ecke im Kohlehafen von Murmansk. Der Mast von ,Dagmar Aaen' wird vermutlich nicht mal von den Kennern des Expeditionsschiffes in dieser tristen Umgebung erkannt (...). Der Hafen bringt bei der mitternächtlich tief stehenden Sonne etwas Abwechslung durch Kräne, die den Eindruck von Gottesanbeterinnen vermitteln. Doch uns stinkt's hier in dem rußigen und qualmigen Hafen und wir wollen endlich weiter in den hohen Norden.

Leider sind die Probleme mit der Border Guard wegen unserer Aus- und späteren Einreise immer noch nicht geklärt. Einerseits wird für uns (ebenso wie für befragte Behörden!) völlig überraschend die Fahrt vom russischen Murmansk zum ebenfalls russischen Franz-Josef-Land durch dazwischen liegende internationale Gewässer jeweils als Ein- und Ausreise gewertet - und dazu passen die für uns ausgestellten Visa nicht. Zudem gibt es auf den Inseln keine Möglichkeit zum Einklarieren. Andererseits wird für diese Passage eine Genehmigung russischer Behörden gefordert, aber ohne Angabe, wo wir diese (zumindest theoretisch!) bekommen könnten. Wir beschreiben dies später ausführlicher.

Russische Fernsehsender berichten landesweit über die "Dagmar Aaen"

Russische und deutsche Medien greifen unsere missliche Lage auf. Beispielsweise informierte der lokale Blog51 weit über die Region hinaus und am Sonnabend filmten russische Sender Schiff und Kapitän im Hafen. Nach heutigen Interviews mit der Border Guard werden sie ihren Beitrag landesweit senden. Bereits letzten Donnerstag meldete das Abendblatt: ,Russen halten Arved Fuchs im Kohlehafen fest'. Seit Montag liegen noch weitere Jachten im Hafen. Ebenso wie das polnische Schiff direkt vor unserem Klüverbaum segelten fünf weitere Schiffe auf einer Regatta von Archangelsk nach Franz-Josef-Land. Obwohl für diese Jachten die gleichen Bestimmungen gelten wie für uns, wird hier offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Nach Aussagen der Crews der Jachten hatten sie den Status der "Open Border" und keinerlei Probleme oder Auflagen der für sie (und auch für uns!) zuständigen Behörden erhalten. Hiermit ist ganz eindeutig ein Präzedenzfall geschaffen!

Zusammen mit der großen Hilfe involvierter Bundestagsabgeordneter und der deutschen Botschaft arbeiten wir sehr intensiv daran, um nun endlich zu dem bereits bedauerlich späten Zeitpunkt nach Franz-Josef-Land starten zu können. Wir werden berichten - hoffentlich bald - von der ,Eröffnung' durch die anspruchsvolle Seefahrt und nicht länger vom zeit- und nervenraubenden ,Glückspiel' im rußigen Hafen!"

Arved Fuchs veröffentlicht regelmäßig auf seiner Homepage neue Beiträge aus seinem Expeditionslogbuch.

www.arved-fuchs.de