Die Kiebitz-Apotheke in Friedrichsgabe schließt Anfang August, die Aqua Vital Apotheke hat bereits dichtgemacht. Damit ist Norderstedts Norden um zwei Apotheken ärmer.

Norderstedt. Karl Drömer gibt auf. Nach 35 Jahren. Zwei Jahre lang hat der Norderstedter Apotheker einen Nachfolger für seine Apotheke gesucht. Erfolglos. Am 1. August schließt der 64-Jährige die Kiebitz-Apotheke in dem Nachbarschaftszentrum am Friedrichsgaber Weg 465. Karl Drömer ist nicht der erste Apotheker, der aufgibt. Mitte Juni hat Dr. Petra Domyhala ihre Apotheke Aqua Vital im Nahversorgungszentrum am Frederikspark an der Quickborner Straße 50 geschlossen. Damit ist Norderstedts Norden um zwei Apotheken ärmer. Aus Aqua Vital macht das benachbarte Restaurant La Veranda jetzt Veranstaltungsräume.

Jede fünfte Apotheke in Schleswig-Holstein ist unwirtschaftlich

"Norderstedt hat eine relativ hohe Apothekendichte. Doch dass nun gleich zwei Apotheken im Ortsteil Friedrichsgabe schießen, ist tragisch", sagt Frank Jaschkowski, Geschäftsführer der Apothekenkammer Schleswig-Holstein. Die Schließung der Aqua Vital Apotheke führt er auf mangelnde Wirtschaftlichkeit zurück. So soll die Pharma-Industrie der Apotheke keine Medikamente mehr geliefert haben.

"Jede fünfte Apotheke in Schleswig-Holstein ist unwirtschaftlich, denn die Wertschöpfung wird immer schwieriger", sagt Jaschkowski. Das Gesundheitsministerium müsse die Apotheken wieder auf eine solide Basis stellen. Der Zuschlag für fertige Arzneimittel bestehe aus einem Anteil von drei Prozent des Hersteller-Abgabepreises. Dazu komme eine Pauschale von 8,35 Euro pro Rezept für die heilberufliche Dienstleistung der Apotheke. Die drei Prozent sollen die logistischen Aufgaben der Apotheke honorieren. Diese Beträge würden sich jedoch bei Rezepten von gesetzlich Versicherten durch den Rabatt von 1,85 Euro vermindern, den die Apotheken den Krankenkassen seit 1. Juli gewähren müssen. "Die Vergütung muss sich an den Löhnen und Gehältern orientieren, die die Apotheken ihren Mitarbeitern zahlen müssen", sagt Jaschkowski.

"Apotheken können überall eröffnet werden, doch sie sind nur noch dort wirtschaftlich, wo viele Arztpraxen sind", sagt der Geschäftsführer der Apothekenkammer. In Kernregionen wie dem Herold-Center in Norderstedt gebe es eine "super Versorgung", am Stadtrand und auf dem Land herrsche chronische Unterversorgung. "Ältere Menschen nehmen Botendienste in Anspruch, die die Apotheken auch noch kostenfrei anbieten", sagt Jaschkowski.

Diese wirtschaftliche Situation verlocke niemanden mehr, eine Apotheke eigenverantwortlich zu führen. Wer jetzt seine Apotheke aufgebe, würde nur einen Nachfolger finden, wenn das wirtschaftliche Risiko überschaubar sei. Bis zu 200 Apotheken in Schleswig-Holstein könnten nicht mehr vermittelt werden. "Die meisten Apotheker sind Angestellte in Krankenhäusern, Gesundheitszentren und der pharmazeutischen Industrie, dort verdienen sie gut", sagt Jaschkowski.

Konkurrenz aus dem Internet sieht Jaschkowski nicht: "Das macht nur knapp drei Prozent vom Gesamtmarkt aus und ist stark rückläufig." Seit die Internet-Apotheken den deutschen Mehrwertsteuersatz zahlen müssten, sei der Preis für die Verbraucher unattraktiv geworden.

"604 Apotheken haben 2012 geschlossen, 3000 Menschen sind dadurch arbeitslos geworden", sagt Karl Drömer. Der Inhaber der Kiebitz-Apotheke sieht in dem Apotheken-Sterben ein Programm. "Schon heute könnten die Rezepte auf dem Chip der Krankenversichertenkarte gespeichert und an einer Arzneimittel-Verteilstation abgerufen werden", mutmaßt Drömer. Doch dass die Apotheker als Heilberufler eine hohe und unerlässliche Beratungsfunktion hätten, das werde ignoriert. "Nur wir merken beispielsweise, wenn die Medikamente, die verschiedene Ärzte für einen Patienten verschreiben, nicht miteinander verträglich sind", sagt der Apotheker.

Das Schließen der Straße war Auslöser für das Schließen der Apotheke

Er beklagt aber auch die Verkehrsplanung der Stadt, die Friedrichsgabe von der Ulzburger Straße abschneiden würde. Der Friedrichsgaber Weg soll künftig von der Ulzburger Straße nicht mehr befahrbar sein und wird zur Sackgasse, da der Verkehr zur neuen Verlängerung der Oadby-and-Wigston-Straße verschwenkt wird.

"Dadurch können mich zehn bis 20 Prozent meiner Kunden nicht mehr erreichen", sagt Drömer. "Ich habe ohnehin eine schwierige Lage und kann meine Kunden nur durch Qualität und gute Beratung binden", sagt der Akademiker, der noch einen Apotheker, eine Pharmazeutisch-technische Assistentin und eine Apothekenhelferin angestellt hat.

Dabei habe er in den letzten vier Jahren kontinuierlich 30 Prozent weniger verdient. "Das Schließen der Straße war der letzte Auslöser für das Schließen der Apotheke, ich mache jetzt eine Vollbremsung und gehe mit 64 Jahren in Rente", sagt Drömer resigniert.