Adlershorst lässt in Harksheide seit Jahren elf Wohnungen leer stehen, um ein Neubauprojekt nicht zu gefährden. Aus Sicht der Baugenossenschaft ist der Leerstand der Wohnungen alternativlos.

Norderstedt. Es kämen oft Leute vorbei und drückten sich die Nasen an den Scheiben der leer stehenden Wohnungen platt. "Manche klingeln sogar und fragen, ob die zu haben sind", sagt Dieter Lächner, 69. In dem Wohnblock der Baugenossenschaft Adlershorst am Finkenried in Norderstedt zählen er und seine Frau Hella, 76, zu den letzten Bewohnern. "Hier soll niemand mehr einziehen. Die Häuser sollen langsam verrotten", sagt Lächner.

Insgesamt 20 Wohnungen umfassen das Wohnhaus der Lächners und das Nachbarwohnhaus am Heidestieg. Zweieinhalb-Zimmer-Wohnungen, 600 Euro warm, ruhig, mitten im Grünen, die Schule einen Steinwurf entfernt. Doch elf dieser Wohnungen stehen leer. Teilweise schon seit über acht Jahren. Die Wohnungen der Mieter, die wegziehen oder sterben, werden nicht mehr vermietet. Adlershorst will die Blocks abreißen und durch neue, energetisch und vom Niveau zeitgemäße Wohnbebauung ersetzen. So lange aber der letzte Mieter nicht raus ist, bleibt wertvoller Wohnraum, der in Zeiten wachsender Wohnungsnot in der Region dringend gebraucht würde, ungenutzt.

Die Adlershorst-Siedlung, die in den 50er-Jahren entstand und noch etliche weitere Wohnblocks umfasst, liegt im Wahlkreis Harksheide von SPD-Stadtvertreter Jürgen Lange. Bei einem Spaziergang fielen ihm die leer stehenden Wohnungen auf. "Die Baugenossenschaft Adlershorst wurde einst in Harksheide gegründet. Jetzt lassen sie hier die Blocks verkommen und Wohnungen leer stehen. Die werden ihrer sozialen Verantwortung nicht gerecht", sagt Lange. Er kann nicht verstehen, warum die Wohnungen bis zum Bau eines neuen Wohngebäudes nicht vermietet werden. "Frauen, die in Frauenhäusern in Norderstedt festsitzen, weil sie keine bezahlbare Wohnung für sich und ihre Kinder finden, wären froh um diese Wohnungen. Ebenso Alleinstehende oder Studenten."

Hella Lächner zeigt eine Urkunde, die sie und ihr Mann vor zwei Jahren von Adlershorst bekamen. Das 50-jährige Mieterjubiläum wird damit anerkannt. "Adlershorst hat uns mitgeteilt, dass sie irgendwann alles hier abreißen. Und das wir für die Bauzeit eine andere Wohnung bekommen. Wenn ich daran denke, bin ich schon wieder fix und fertig", sagt Hella Lächner. "Einen alten Baum verpflanzt man nicht", sagt ihr Mann. Dieter Lächner hat alles in der Wohnung selber gemacht. Bad und Küche eingebaut, mehrmals, sogar Rohre hat er verlegt. Den kleinen Garten hinter der Terrasse hat er zu einem kleinen Idyll mit Rosenranken, Rhododendren und Miniatur-Mühle ausgebaut. "Weil Adlershorst nichts mehr am Haus macht, habe ich sogar die Dachrinnen mal ausgetaucht. Sonst wird hier alles feucht." Aus seiner Sicht brauchen die beiden Wohnhäuser nur ein wenig Farbe, die Treppenhäuser müssten saniert werden. "Ansonsten ist das hier eine gute Substanz. Und die Fenster wurden vor zwei Jahren erneuert."

Im Nachbarhaus wohnen seit 1973 Uwe-Martin Schulz, 66, und seine Frau Helga, 61. "Das sind schöne ruhige Wohnungen. Die wären perfekt für alte Leute, Alleinerziehende oder Studenten. Aber sie stehen leer", sagt Schulz. Auch eine Baugenossenschaft wie Adlershorst müsse eben Profit machen. "Na ja, wenn die uns was Passendes anbieten, ziehen wir auch um. Aber wir würden gerne wieder zurückkehren."

Aus Sicht von Adlershorst-Vorstandsmitglied Uwe Wirries ist der Leerstand der Wohnungen für die Baugenossenschaft alternativlos. Sukzessive lasse man die beiden Nachkriegswohnblock "leerziehen". Am Ende blieben einige Langzeitmieter, für die man mit aller "Behutsamkeit und viel Entgegenkommen eine individuelle Lösung finden müsse." Uwe Wirries: "Als Genossenschaft haben bei uns die Mitglieder keinen Miet-, sondern einen Dauernutzungsvertrag." Entsprechend schwierig sei es, sie aus der Wohnung wieder heraus zu bekommen. Aus diesem Grund könnten die einmal leer gewordenen Wohnungen auch nicht wieder vermietet werden. "Befristete Mietverhältnisse sind in einer Genossenschaft nicht möglich", sagt Wirries. Ist der Mieter also erst einmal in der Wohnung und weigert sich dann auszuziehen, dann kann er jegliche Neubauplanung blockieren. "In Wedel hat eine Mieterin mal ein Projekt mit 100 Wohnungen über Jahre aufgehalten, in dem sie sich weigerte auszuziehen." Solche Probleme will Adlershorst in Norderstedt vermeiden. "Bis Ende des Jahres werden wir an die Mieter heran treten. Fakt ist: Die Wohnhäuser zu sanieren, ist unwirtschaftlich. Sie entsprechen nicht mehr dem Energiestandard." Nach Abendblatt-Informationen, die Wirries nicht bestätigt, sollen bis zu 34 neue Wohnungen und eine Tiefgarage auf dem Grundstück entstehen.

Ob die Ehepaare Schulz und Lächner im Neubau eine Wohnung zu den alten Konditionen bekommen werden, ist fraglich. "Das ist sicherlich das Wunschdenken der Mieter", sagt Wirries. Er habe Fälle erlebt, in denen die Mitglieder das als Druckmittel verwendeten: "Entweder, ihr gebt mir ein neues Penthouse zum Preis der alten Wohnung - oder ich ziehe nicht aus."