Die Vicelin-Kirche in Norderstedt feiert 50. Geburtstag mit Ausstellung, Kinderaltar-Weihung, Konzerten, Lesungen und Gottesdiensten.

Norderstedt. Lästerzungen soll es in Norderstedt schon vor 50 Jahren gegeben haben. Obwohl es Norderstedt damals noch gar nicht gab. Dafür aber Friedrichsgabe, Garstedt, Glashütte und - Harksheide. Harksheide-Süd. Als sich dort die evangelische Kirche aufmachte, ein Gemeindehaus mit Kirche zu bauen, sprachen eben diese Lästerzungen von der "Christianisierung von Harksheide-Süd".

Doch die Kirchenbauer ließen sich nicht entmutigen und legten im Mai 1962 am Immenhorst den Grundstein für das Vicelin-Haus. Pfingsten 1963, am 19. Mai, wurde das Haus geweiht, Harksheides Öde hatte ein Ende, die Geschichte des Vicelin-Hauses nahm ihren Anfang, die Gemeinde wächst und gedeiht. Vor allem der Kindergarten, der 1964 als Spielstunde gegründet wurde, weil einige Großmütter eine Betreuung für ihre Enkel suchten, um ungestört zum Altenkreis der Kirche gehen zu können. Am 1. April 1973 wurde die Kita eingeweiht. Im Jahr 2000 feierte die Vicelin-Kirche Hochzeit mit der Schalomkirche und heißt seitdem Vicelin-Schalom.

Am Freitag startet die Vicelin-Gemeinde ein dreitägiges Fest zu ihrem 50. Geburtstag. Mit Rückblick in der Ausstellung "50 Jahre - 50 Fotos", mit aktuellem Blick auf den neuen Eingang zum Gemeindezentrum und zur Kirche, mit Ausblick auf eine neue Kindertagesstätte. Bildung heißt das eine Zauberwort. Partizipation ist das neue Zauberwort. Gebet und Genuss, Kunst und Kultur, Musik und Miteinander sind die anderen Zauberwörter dieser vielseitigen Gemeinde mit dem Motto "Beten und feten" im Gesangbuch.

Ein Kirche, so ein Gotteshaus, das nur für religiöse Riten genutzt wird, davon träumten die Pastoren und Kirchenvorständler noch bis in die 70er-Jahre. Geld gab es nicht, ein Grundstück erst recht nicht, und so sagte man sich, wozu woanders bauen, wir richten unsere Kirche im eigenen Haus ein. Der Kirchsaal entstand mit dem Flügelaltar, den der Bildhauer Jan Koblasa entwarf. 1997 arbeitete er das Gehäuse für die Hillebrand-Orgel und schuf so ein gediegenes Gesamt-Ensemble.

Ein heiteres Flair erhielt der Saal, als 1976 die Kirchenfenster der Künstlerin Anna Andersch-Marcus eingebaut wurden. Sie schuf die fünf törichten und fünf klugen Jungfrauen für die Paul-Gerhardt-Kirche. Durch einen Umbau wurden sie dort aber überflüssig. Beim Ausbau verschwanden zwei Fenster, die anderen acht erhielt der Kirchsaal der Vicelin-Kirche.

Eine Wende im bis dahin häufigen Pastorenwechsel trat 1978 mit Pastor Christian Matthes ein. Der wollte zwar wieder auf seine Pfarrstelle nach Südafrika, doch seine Gesundheit nicht. Matthes brachte mit seiner ruhigen, heiteren Art Kontinuität in die Gemeinde, und statt Südafrika war Südamerika das Thema, beispielsweise die Partnergemeinden in La Paz und Pampahasi in Bolivien. Intensive Kontakte gab es auch in den "nahen Osten", nach Wermsdorf, sowohl vor als auch nach dem Mauerfall.

Matthes organisierte mit den verschiedenen Kreisen und Vorständen der Gemeinde Ausstellungen, Gesprächsabende und Konzerte. Herausragend bleibt das Bildhauer-Symposium "Vater Unser - Unsere Väter". Für Hörgenuss sorgte die Kantorei, in den ersten Jahren in Ermangelung einer Orgel von einem fast hundertjährigen Flügel begleitet. Der musste 2007 einem neuen Flügel weichen. Die Konzerte sind sowohl klassisch, beispielsweise mit dem Quartett der Komischen Oper Berlin, mit Martin Schumann und Hans-Martin Gutmann oder jazzig mit Jazzern wie Herb Geller und dem Vibrafonisten Wolfgang Schlüter. Rolf Becker gastierte als Erzähler in der Vicelin-Kirche. Der Theologe Fulbert Steffensky las zur Musik von Gutmann und - Michael Schirmer.

Der trat 1999 als Nachfolger von Christian Matthes seinen Pastoren-Dienst im Haus am Immenhorst an und brachte den Jazz mit, seine Gitarre und die Musikerin Anette Arhelger, seine Ehefrau. Sie baute den Chor Vicelin-Voices auf und gründete den Kinderchor Vicelin-Youngsters, derweil im Keller der Punk abging. Unter der liebevoll bestimmten Betreuung vom guten Kirchengeist und späteren Küchenchef Hans-Peter Eckenberger spielten diverse Bands im Vicelin-Keller, darunter die ProFeten, El Cigarillo Después, die Proschuddo Connection, Another Brick, Alto, Brathahn und Sunrise. Die Jugendbands rockten die Kirche auch beim Gottesdienst, riefen zu Band-Contests auf, und die Kirchenmauern bebten. Es war was los in Harksheide-Süd.

Ohnehin wurde die Gemeinde immer beliebter. Das Wohnen im Grünen lockte junge Familien. 1995 entstand ein großer Kita-Neubau. Die jungen Familien kamen mit jungen Ideen. Die Mütter wollten beim Warten auf ihre Kindergarten-Kinder einen Kaffee trinken und erfanden das Kirchen-Café. Zu dem kam bald eine Kirchen-Küche, schließlich war Küster Eckenberger Koch, und bei Vicelins war schon immer Trumpf, vorhandene Ressourcen auch zu nutzen.

"Ende der 90er-Jahre kam zu Kirche und Kinder das dritte K, die Küche, hinzu", sagt Michael Schirmer. Unter seiner Regie wurde das Haus wiederholt umgestaltet bis zum neuen, die Kirche nach außen öffnenden Eingang. Jetzt setzt auch Schirmer auf Partizipation, aufs Mitmachen. "Drei Projekte initiieren wir dafür, einmal sollen Kinder und Jugendliche an Entscheidungen beteiligt werden, die Kindergarten-Eltern gestalten den neuen Kindergarten und dessen Inhalte aktiv mit, und viele Jugendliche des letzten Konfirmanden-Jahrgangs wollen Projekte am Vicelin-Haus gestalten", sagt Schirmer.

Einige Kinder haben bereits mit Schirmer und dem Holzkünstler Silas Schröder einen Kinderaltar entworfen. Mit der Weihung dieses Kinderaltars am Freitag, 17. Mai, werden die Feiern zum 50. Bestehen der Gemeinde sprichwörtlich eingeläutet. Die Zukunft in Vicelin-Schalom hat begonnen. Und die Lästerzungen? Schweigen schon lange.

Das Fest-Programm

Freitag, 17. Mai , 17.30 Uhr: Familiengottesdienst mit Weihe des Kinderaltars. 18.30 Uhr: Kinderdisco im Jugendkeller. 19 Uhr: Vernissage Foto-Ausstellung "50 Jahre - 50 Fotos".

Sonnabend, 18. Mai , 16 Uhr: Axel Frieb-Preis spielt auf der Orgel Rock und Klassik bis Pop. 16.30 Uhr: Breuningers Gitarrengruppe spielt. 17 Uhr: Christa Heise-Batt liest eigene Geschichten und Gedichte. 17.30 Uhr: Die Jugendband rockt. 18 Uhr: Chor Vox mea. 19 Uhr: Clerical Beauties mit Michael Schirmer, Gitarre, und Pianist Hans-Martin Gutmann. 20 Uhr: Vicelin-Voices. 20.30 Uhr: Männer-Rockchor. 21 Uhr: Tempelrocker.

Sonntag, 19. Mai , 14 Uhr: Der Kinderzirkus lädt in den Jugendkeller ein. 15 Uhr: Festgottesdienst und Empfang bei Kaffee und Kuchen.