Glashütter Solardorf gilt als bundesweites Vorzeigeprojekt. Hier wird der Sonnenstrom vom Dach direkt verbraucht.

Norderstedt. Wer an der Müllerstraße in Norderstedt ein Haus kauft, bekommt ein Elektroauto dazu. Die Batterie speichert den Strom, den die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach erzeugt. "Diese Kombination ist zumindest bundesweit einmalig, wenn nicht sogar europaweit", sagt Werner Schilling von der gleichnamigen Immobilien- und Grundstücksgesellschaft in Bad Salzuflen, der das Solardorf vermarktet. Die Bewohner werden energetische Selbstversorger. Die Sonne soll den Großteil des Stroms liefern, der in den 28 Häusern verbraucht wird.

Ist die Autobatterie geladen, wird ein zweiter Speicher im Haus geladen. Ist auch hier die Ladekapazität erschöpft, fließt der Strom zu den Nachbarn, die Häuser sind mit einem Leitungsnetz untereinander verbunden. Braucht gerade niemand elektrische Energie, wird überschüssiger Strom ins allgemeine Netz eingespeist und nach dem Energieeinspeisegesetz vergütet.

Intelligente Netze steuern den Stromfluss automatisch und optimal

Doch der Stromfluss wird automatisch geregelt, davon bekommen die Hausbesitzer nichts mit. Intelligente Stromnetze (Smart Grids) sollen das Zusammenspiel von BHKW, Akku in Haus und Elektromobil und dem Verbrauch optimal steuern, wobei sich die Bewohner Ladenzustand oder Verbrauch jederzeit anzeigen lassen können. Der dorfinterne Stromhandel senkt die Kosten. "Nach jetzigem Stand kostet die Kilowattstunde 16,7 Cent, gegenüber aktuell rund 28 Cent, die für Energie aus dem allgemeinen Netz anfallen", sagt Schilling. Günstiger wird es, weil die Netzentgelte entfallen und das Erdgas fürs BHKW von der Mineralölsteuer befreit ist.

Reicht die Sonne nicht, damit Kühlschränke und Waschmaschinen laufen, Leckeres gekocht werden kann oder die Kinder Spaß an der Spielekonsole haben, liefert das Blockheizkraftwerk (BHKW) die fehlende Energie. Die Norderstedter Stadtwerke bauen an der Müllerstraße ein neues BHKW, das die haushalte auch mit Fernwärme als Abfallprodukt aus der Stromerzeugung versorgt.

Das innovative Wohnprojekt hat inzwischen sogar das Fraunhofer-Institut auf den Plan gerufen. Die Zukunftsforscher wollen das Pionier-Projekt begleiten und die Erkenntnisse auf Bauvorhaben in der Hamburger Hafen-City übertragen.

28 Häuser werden in Glashütte gebaut, zehn davon als Doppelhäuser. Die Grundstücke sind zwischen 500 und 600 Quadratmeter groß, die Häuser bieten rund 120 Quadratmeter Wohnfläche, auf dem Dach installieren die Handwerker 25 Quadratmeter Solarmodule. 14 Bauplätze hat Schilling inzwischen verkauft, vor allem an junge Familien. Die Besitzer der Einzelhausgrundstücke können sich ihr Bauunternehmen selbst wählen, die Doppelhäuser baut die Firma Olwo Hochbau GmbH. Zwischen 380.000 und 400.000 Euro müssen die Bauherren in ihr zukunftsträchtiges Eigenheim investieren. Hinzu kommen rund 30.000 Euro für das Elektroauto.

Doch der Pionier der Elektromobilität aus Hamburg ist inzwischen nicht mehr mit von der Partie. "Wir brauchen Elektroautos, die serien- und familientauglich sind", sagt Schilling. Diese Kriterien sah er beim zum Elektro-Fahrzeug umgebauten Fiat 500, mit dem Karabag die Glashütter Dorfbewohner ausstatten wollte, nicht erfüllt. Auch die Reichweite war ihm zu gering.

Nun ist ein Betrieb mit im Boot, der schon lange in Norderstedt vertreten ist. Das Autohaus Thomsen liefert den Nissan Leaf, einen alltagstauglichen Viertürer, der Platz für vier Erwachsene bietet und mit voll geladenem Akku je nach Fahrweise gut 200 Kilometer zurücklegen soll.

"Insgesamt zahlen die künftigen Bewohner des Solardorfes rund 30.000 Euro mehr als für eine normale Immobilie", sagt Schilling. Und die Mehrausgaben amortisierten sich. Pro Jahr werde jeder Haushalt gut 1800 Euro sparen, bei steigendem Strompreis sogar mehr. Nach Schillings Kalkulation entfallen die Kosten für die Wartung der Heizung und für den Schornsteinfeger, die Stromkosten reduzieren sich um zwei Drittel, das Elektroauto kostet gut 1000 Euro weniger als ein Benzin- oder Dieselfahrzeug.

Am 1. März sollen die Erschließungsarbeiten für das Solardorf beginnen. Vorher muss das Projekt noch eine letzte Hürde überspringen: Am 19. Februar werden die Stadtvertreter die Pläne beschließen. Davon geht Schilling jedenfalls aus. In den Fachausschüssen habe es bisher einstimmige Beschlüsse zugunsten des innovativen Bauvorhabens gegeben.

Weihnachten sollen die ersten ihre Häuser an der Müllerstraße beziehen

"Mitte April wollen wir mit dem Bau der Doppelhäuser beginnen", sagt Uwe Panzlaff von der Olwo Hochbau GmbH. Weihnachten sollen die Neubürger eingezogen sein. Und während sich Panzlaff auf die anstehenden Arbeiten konzentriert, habe Schilling und sein Sohn Tobias schon die nächsten Bausteine ihres Ökonetzes im Fokus.

Sie haben ein Grundstück an der U-Bahnstation Richtweg in Norderstedt gekauft und wollen rund 100 Wohnungen bauen - und eine Tiefgarage, in der die Bewohner des Solardorfs die Batterien ihrer Elektroautos aufladen können, wenn sie mit der U-Bahn zur Arbeit fahren. "Außerdem sind wir im Gespräch mit Supermärkten, die auf ihrem Gelände eine Ladestation installieren", sagt Schilling.