Der Pensionär Bijan Saheb Divani lernt mit 72 Jahren das Spielen auf dem schwierigen Streichinstrument und spielt schon Konzerte.

Norderstedt. Als kleiner Junge hatte Bijan Saheb Divani einen Traum. Er wollte Geige spielen. Sein großes Vorbild war seine Mutter. "Sie hatte eine alte italienische Geige, da stand Cremona drauf", erinnert sich Divani, und es klingt wie ein großes Mysterium. Die mütterliche Geige blieb ein großes Geheimnis, denn erst jetzt lernt er, Geige zu spielen.

Bijan Saheb Divani ist 72 Jahre alt, die Geige ist eines der schwierigsten Instrumente, doch der Pensionär hat in kürzester Zeit sogar Kindergartenkinder überflügelt, und das in einem Alter, in dem andere Menschen Erlerntes wieder ablegen, geschweige denn, sich neue Herausforderungen suchen.

"Ich liebe die Geige, ich habe Ehrgeiz, und ich bin ein Tüftler", sagt Divani und seine Augen leuchten, wenn er seine Geige anschaut. Mittlerweile hat der Mann aus dem Iran zwei Geigen, und er hat sie genauso unbefangen und neugierig gekauft wie er gelernt hat, dem Streichinstrument erste Töne zu entlocken. "Ich habe die erste Geige einfach bei Ebay ersteigert, jetzt ist sie ein Andenken", sagt Divani.

Bijan Divani brachte sich die ersten Töne auf der Geige selbst bei

Natürlich kann, wer nahezu 65 Jahre eine Sehnsucht verspürt, nicht Ruhe geben, wenn die Erfüllung naht. Divani brachte sich die erste Töne selbst bei: "Ich merkte aber, dass Ehrgeiz allein nicht reicht und suchte nach einem Lehrer." Er fand eine Lehrerin in Itzehoe, die ihn, den 72-jährigen Geigen-Schüler, erst einmal belächelte, dann für seinen Ehrgeiz lobte, ihm nach eineinhalb Jahren Unterricht attestierte "Sie haben gestartet wie eine Rakete", ihn aber gleichzeitig wie ihre zehnjährigen Schüler behandelte. "Sie redete mit mir wie mit einem Kind", sagte Divani. Er suchte sich einen neuen Lehrer, wieder im Internet, und fand Gabriel Voicu in Norderstedt. "Ich wollte zwar nicht mehr so weit zum Unterricht fahren müssen, doch als ich merkte, dass Gabriel Voicu in Norderstedt wohnt, hatten wir uns bereits verabredet", sagt Divani. Jetzt nimmt er die lange Anfahrt gern in Kauf.

Gabriel Voicu kommt aus einer Familie mit einer 200-jährigen Musiktradition und erhielt ersten Geigenunterricht bei seinem Onkel Ion Voicu, der bei David Oistrach und Isaac Stern lernte und mit Sir Yehudi Menuhin und Christoph Eschenbach musizierte. Er spielt in ersten Orchestern und ist ein anerkannter Violinpädagoge.

"Bei Herrn Voicu habe ich das Spielen richtig gelernt", sagt Divani. "Herr Divani ist ein Phänomen, denn er hat so lange Töne und Noten probiert, bis sie stimmig waren, das geht eigentlich gar nicht", antwortet Voicu. Zudem beobachtet der Geigenlehrer, dass Divani nie auf die Noten guckt, sondern nach Gehör spielt. "Er ist ein Genie, denn so kann man nicht im Prinzip nicht Geige spielen", sagt Voicu. Der Mensch würde zwar über das Gehör lernen, doch erst, wenn er lesen könne, würde er sich ausbilden. "Man muss die Gesetze des Geigenspiels kennen, man muss erst die Technik lernen, um die Freiheit der Interpretation zu haben, und das gilt besonders für die Geige", ist Voicu überzeugt. Zudem würde Divani sehr schnell lernen und habe sich gerade ein Konzert von Oskar Reding innerhalb von drei Wochen erarbeitet. "Seine Leistungen sind aber nicht nur wegen seines großen Talents und Ehrgeizes phänomenal, sondern auch wegen seiner hohen Bildung, seiner Lebenserfahrung und seiner Herkunft", sagt Voicu.

Bijan Saheb Divani kommt aus einer alten persischen Familie in Schiras. Der Stammbaum der Familie ist bis ins 14. Jahrhundert bekannt, die große Familie war stets in ganz Persien, dem heutigen Iran, anerkannt. Als Divani 22 Jahre alt war, packte ihn das Fernweh. Doch es zog ihn nicht wie viele Freunde in die USA, er ging nach Deutschland.

"Ich kam in Hamburg an, nahm mir ein Taxi und bat den Fahrer, mich zu einem Hotel zu fahren, er hielt vor dem Vierjahreszeiten", sagt Divani und lächelt. Das aber war dem Neuankömmling nicht die richtige Herberge. Er landete in einer kleinen Pension, wohnte später in einem Zimmer in Bramfeld. Das Abitur hatte er in seiner Heimat gemacht, es wurde aber in Hamburg nicht anerkannt. Also die ganze Prozedur noch einmal.

Mit seiner zweiten Ehefrau Silke lebte er für einige Jahre in Schiras

Doch seinen Berufswunsch, Arzt zu werden, konnte er trotzdem nicht realisieren. Er scheiterte am Numerus clausus. "Also habe ich erst einmal einen Beruf erlernt, denn ich musste auch Geld verdienen, weil ich von meiner Familie nichts annehmen wollte", sagt Divani. Er lernte Elektro-Mechaniker, wurde in verschiedenen Firmen Produktionsleiter. Mit seiner zweiten Ehefrau Silke lebte er für einige Jahre in Schiras, doch dann zog es das Ehepaar zurück ins Haus im Süden Schleswig-Holsteins. "Und endlich besann ich mich wieder auf den Traum meiner Kindheit, auf die Geige", sagt Divani, setzt den Bogen auf die Saiten und spielt sein frisch einstudiertes Reding-Konzert.