Ein Käser auf Wanderschaft durch Europa: Olav Wittkowski aus Seth hat in den vergangenen vier Jahren auf Reisen eine Menge erlebt.

Seth. Nach fast vier Jahren ist Olav Wittkowski, 26, von der Wanderschaft zu seinen Eltern nach Seth zurückgekehrt. In halb Europa war er, hat Tausende Menschen kennengelernt und sich in seinem Beruf des Käsemachers fortgebildet. Nicht alle Tage hat er Sonnenschein erfahren. Dennoch sagt er: "Jederzeit wieder."

Nicht jeder ist für die Walz geschaffen, aber wer auf Wanderschaft geht, kommt als anderer Mensch zurück: reifer, erfahrener, kundiger und mit vielen Erlebnissen im Gepäck. Das war übrigens übersichtlich, als Olav, der Molkereifacharbeiter gelernt hat, losgezogen war. Mit einem Koffer kann man nicht reisen - da lacht die ganze Innung. Und Rucksäcke sind verpönt. Korrekt ist allein ein Tuch (das sogenannte Charlottenburger), in das die Habe eingewickelt wird. "Da ist alles drin, was du brauchst." Nämlich: "Zwei Sätze Arbeitsklamotten, fünf Unterhosen, Socken, Pullover, 'n dicker Schlafsack, 'ne kurze Hose, Flipflops, Arbeitshut - mit etwas Technik geht das alles da rein."

Die monotone Arbeit in seinem letzten Job hatte ihn in die Fremde getrieben. "Gouda und Edamer - mehr war da nicht." Nicht genug für einen wissbegierigen Burschen von 22 Jahren, für den das Käsemachen "mein Traumjob" ist. "Olav war seit 50 Jahren der erste Käser auf der Walz in Deutschland", berichtet sein Vater Bernd stolz.

Der Start war alles andere als romantisch. Die Rituale haben es in sich: "Bevor es losgeht, kriegt man einen Ohrring mit einem Nagel durchgehauen." Sein Vater erinnert sich an das Schauspiel: "Wir sind rausgegangen, wir wollten das nicht sehen." "Tut gar nicht weh", behauptet allerdings Olav. Ohr auf den Balken gelegt, eine Gesellin hält den Kopf fest, der Nagel wird in Schnaps desinfiziert - und dann wumm. Nagel wieder raus und Ohrring rein. "Lustiger Brauch", sagt er. Dumm nur: Den Ohrring hat er unterwegs verloren.

Nicht überall, aber sehr oft hat Olav hilfsbereite Menschen getroffen

Ohne Ziel, ohne zu wissen, wo er die kommende Nacht schläft, wo er als Nächstes arbeitet, machte er sich die ersten Tage in Begleitung eines erfahrenen Kollegen auf den Weg. Oft sei er abgebrannt gewesen, musste draußen schlafen. Nicht überall, aber sehr oft, hat er hilfsbereite Menschen getroffen, die ihm was zu essen oder einen Schlafplatz spendiert haben.

Unterwegs in Deutschland, Frankreich, Schweiz, Österreich, Liechtenstein und Rumänien hatte er zehn Arbeitsverhältnisse. Wie kommt man an einen Job? "Man geht zu einer Meierei und fragt, ob sie Arbeit haben. Meist klappt's." Ein paar Tage oder mehrere Monate - je nachdem, wie man miteinander auskommt. Olav wollte was lernen. "Ich habe mit Ziegen- und Schafmilch gearbeitet, Mozzarella und Bergkäse gemacht. Ich war auf der Alm im Berner Oberland, hab in Rumänien Käsebruch in Schweineblasen gefüllt - er könnte pausenlos weitererzählen.

Unterwegs hatte er immer wieder Kontakt zu anderen Wandergesellen: Zimmerleute, Schmiede, Schuhmacher, Elfenbeinschnitzer, Ofenbauer, Stuckateure, Blechblasinstrumentenbauer . . ., zählt er auf. Alle unterscheidet - oft nur in Details - die Kluft, die während der Wanderschaft zu tragen ist. Seine ist kariert - typisch für Lebensmittelberufe. In einigen Städten gibt es spezielle Unterkünfte für Wandergesellen. "Ich habe es geschafft, nie in einer Jugendherberge zu schlafen, weil die immer Nein gesagt haben." Wie das? Man habe ihn nicht gratis übernachten lassen. Und genau das ist eine der Vorgaben auf der Walz: "Unterwegs darf man kein Geld für Reisen und Unterkunft ausgeben", sagt Olav.

Die Kneipe ist unterwegs stets das beste Arbeitsamt gewesen

Ein Bett zu finden, ohne dafür zu zahlen, ist nicht leicht. Manchmal musste Olav auf der Parkbank schlafen, in Tiefgaragen "oder im EC-Hotel", den Vorräumen von Banken. "Da ist es wenigstens warm." "Oder bei jemandem auf dem Sofa", ergänzt er. "Die Leute freuen sich schon mal, wenn sie uns sehen." Und wie ist es mit Kontakt zu Frauen? "In jedem Städtchen ein anderes Mädchen", antwortet er vielsagend.

Manchmal war es schwer, einen neuen Chef zu finden. Wenn das nicht direkt klappt, "dann gehste in 'ne Kneipe: Die ist das beste Arbeitsamt." Einmal allerdings musste er vier Wochen suchen, bis er das nächste Engagement hatte. Stress mit der Bezahlung habe es nie gegeben. Was hat er neben beruflichen Dingen unterwegs gelernt? Olav Wittkowski: "Vom Penner bis zum Manager lernst du alle kennen. Da ist es wichtig, die Leute so zu behandeln, wie man selber behandelt werden will." Was ihn freut: "Ich bin nie richtig ausgenutzt worden." Er ist gereift, hat Neues gelernt, zahlreiche Rezepte im Gepäck.

Wer auf Wanderschaft war, hat seinen Horizont erweitert, ist für Chefs viel wertvoller geworden. Nachdem Olav zwei Wochen in einer Biomolkerei in Brandenburg gearbeitet hatte, machte ihm der Chef ein Angebot: "Du kannst im Januar bei uns anfangen. Dann schicken wir dich zur Meisterschule." "Eine Supersache", sagt sein Vater. Mit unter 30 Jahren wäre Olav dann ein gut verdienender Molkereimeister.

Er nimmt das Angebot an. "Den schönsten Arbeitsauftrag hatte ich aber in Diepholz: Da sagte der Meister: ,Hier hast du 1000 Liter Milch. Mach' mal einen Käse, den du nicht kennst und den ich nicht kenne.'" Olav stolz: "Nach fünf Tagen war alles ausverkauft."