Der Verein Straßentiger fand das unterkühlte und orientierungslose Tier am 9. Dezember an der Gärtnerstraße in Norderstedt.

Norderstedt. Ella saß am Sonntag, 9. Dezember, ganz ruhig im Schneematsch am Rand der Gärtnerstraße. Ihr Fell war klatschnass, sie bibberte in der Kälte und wusste offenbar nicht ganz genau, wo sie eigentlich war. Denn Ella ist blind. Das Tier hatte sich ganz offenbar damit abgefunden, dass sie es nicht mehr lange machen würde. Glücklicherweise informierten Anwohner den Verein Straßentiger in Norderstedt.

"Als wir sie fanden, war sie völlig unterkühlt. Sie hatte sich aufgegeben und muss wohl schon sehr lange in der Kälte gesessen haben", sagt Claudia Keck, die Vorsitzende der Katzenhilfe. Das Tier war ziemlich verwahrlost. Die Krallen lang und gebogen, offenbar schon lange ungeschnitten. Das grau-getigerte Fell der etwa zwischen acht und zehn Jahre alten Katze war verfilzt und voller Flöhe. "Doch abgemagert ist Ella nicht. Im Gegenteil, sie scheint ganz gut genährt zu sein."

Claudia Keck brachte die Katze, die sie auf den Namen Ella taufte, zum Tierarzt. Der machte mit Ella den Test auf Katzen-Aids (FIV), Bauchfellentzündung (FIP) und Katzenleukämie (FeLV), außerdem ein Blutbild und eine Wurm- und Flohkur. Die Untersuchungen bezahlt der Verein aus Spenden.

Ellas Ergebnisse waren erfreulich: Die Katze ist gesund. Jetzt lebt sie im Katzen-Asyl des Vereins an der Stormarnstraße. "Sie ist sehr lieb und lässt sich von uns streicheln. Aber zwischendurch knurrt sie auch mal", sagt Claudia Keck. Das Tier ist orientierungslos und muss nun erst einmal lernen, wie sich ihre Umgebung gestaltet. Vorher kann sie kein Vertrauen aufbauen. "Ella frisst aber gut, und sie benutzt das Katzenklo. Eine wilde Katze würde das nicht tun, sie würde kratzen und beißen. Ein weiteres Indiz dafür, dass Ella ein Zuhause hatte und vielleicht ausgesetzt wurde", sagt Claudia Keck. Sie hat sich bereits an das Tierheim Westerwohld in Henstedt-Ulzburg gewandt, ob dort eine Katze vermisst gemeldet wurde - Fehlanzeige. Auch erste öffentliche Aufrufe blieben bislang erfolglos. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ella irgendwo abgehauen ist und sie von liebenden Tierbesitzern gesucht wird, schwindet.

Sollte es sich also tatsächlich um eine Aussetzung handeln, dann wäre das nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch ein Fall für die Polizei. "Falls der Halter der Katze ermittelt werden könnte, würden wir auf jeden Fall eine Anzeige wegen Tierquälerei stellen", sagt Claudia Keck.

Der Gesetzgeber wertet das Aussetzen einer Katze als Ordnungswidrigkeit, die je nach der Schwere des Falles mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro belegt werden kann, in weniger schweren Fällen einen Bußgeldrahmen von bis zu 5000 Euro vorsieht.

Im Fall von Ella könnte es sich aber auch um eine Straftat handeln. "Weil der Halter bei der Blindheit des Tieres und den Temperaturen den Tod des Tieres in Kauf genommen hat", sagt Keck. Der Gesetzgeber sieht hier einen Strafrahmen von Geldbußen bis hin zu dreijährigen Freiheitsstrafen vor.

In erste Linie sucht der Verein aber nun ein neues Zuhause für Ella. "Sie braucht ein ruhiges Heim, in dem nicht zu viel los ist. Blinde Tiere können das nicht gut vertragen", sagt Keck. Sie kann sich mit ihrem Hörsinn und ihren Barthaaren ganz gut in einer gewohnten Umgebung orientieren. In freier Natur können blinde Katzen trotz ihrer Einschränkung sogar Mäuse fangen. Doch in einer Wohnung brauchen blinde Katzen wenig Veränderung und feste Tagesabläufe. Halter sollten die Möbel nicht zu häufig verrücken. Bleibt die Umgebung unverändert, bemerken viele Halter gar nicht, dass ihr Tier längst blind ist - weil sich die Katze so gut orientieren kann. Die Türen weit geöffnet zu lassen, helfe blinden Katzen außerdem. Blinde Katzen sollte man erst ansprechen und die Hand vor die Nase halten, bevor man sie anfasst.

Wer sich für Ella interessiert und ihr ein neues, ruhiges Zuhause geben möchte, der wendet sich an Claudia Keck vom Verein Straßentiger Nord unter Telefon 040/55 55 53 09.