In unsere heutigen Firmenserie stellen wir Ihnen das Henstedt-Ulzburger Unternehmen Wittmann vor. Da kommen auch Taucher zum Einsatz.

Henstedt-Ulzburg. "Jetzt ist Mittagspause, ich komme nach oben", kündigt Mathias Hering an. Seine Worte sind kaum zu verstehen. Und das hat seinen Grund. Der 31 Jahre alte Berufstaucher aus Bönebüttel bei Neumünster befindet sich vier Meter unter der Wasseroberfläche. Hering ist Einsatzleiter eines dreiköpfigen Teams, das anlässlich der Erneuerung und Sanierung der Abwasserpumpstation Schusterkrug in Kiel-Friedrichsort beim Aushub einer Baugrube unter anderem nach Schadstellen sucht.

Noch steht das Grundwasser in der Grube, aus der ein mächtiger Schaufelbagger mit Hilfe einer Pumpe den Schlick holt. In einigen Wochen, wenn die Grube 15 Meter tief ist, soll auf dem Boden eine Betonsohle gegossen werden. Zuvor müssen die Taucher eine Plombe setzen, um zu verhindern, dass weiterhin Grundwasser in die Grube läuft.

Oben in einem kleinen, überheizten Container sitzt Tobias Kramer, 34, und hält über das Tauchertelefon Verbindung zu seinem Kollegen unter Wasser. Erst nach einer Viertelstunde taucht Hering auf. Der Druck auf die Lunge, das ist Tauchergesetz, muss langsam wieder verringert werden. Taucht man zu schnell auf, kann die Lunge platzen.

Mathias Hering, ein gelernter Schlosser, später Schiffsmechaniker und Obermaat bei der Bundesmarine, ist festangestellter Taucher bei der Wittmann Tauchen GmbH und Co. KG in Henstedt-Ulzburg. Seine Kollegen Tobias Kramer, Ex-Stabsunteroffizier aus Saalfeld/Thüringen, und Michael Ristock, 35, ehemaliger Bootsmann und Ausbilder auf der "Gorch Fock", arbeiten als selbstständige Taucher.

Das Handy klingelt, Mathias Hering meldet sich. "Der Chef ist dran", sagt der Einsatzleiter. Hans-Günter Wittmann, 63, fragt, ob es irgendwelche Probleme gibt. Die Antwort lautet: "Nein, alles in Ordnung." Die Jungs gehen wieder an ihre Arbeit, noch einmal springt Hering ins Wasser. Danach sind die Kollegen dran.

Tauchermeister Wittmann hatte sich aus Düsseldorf gemeldet. An der Großbaustelle Kö-Bogen gab es Probleme. "Die musste ich lösen, und deshalb war ich einige Tage vor Ort", sagt er nach seiner Rückkehr.

Zwölf Taucher stehen auf seiner Gehaltsliste, dazu kommen 15 freiberufliche Taucher. Sie sind überall in Deutschland für Wittmann im Einsatz, derzeit zum Beispiel bei der Erweiterung des Rheinkraftwerkes in Iffezheim bei Baden-Baden.

"Der Einbau von Unterwasserbeton ist Schwerpunkt unseres Unternehmens", sagt Hans-Günter Wittmann. "In diesem Bereich gelten wir als einer der größten und erfahrendsten Betriebe in Deutschland." Auch auf Spreng- und Bergungsarbeiten, Konservierung von Bauteilen, Bohr- und Stemmarbeiten, Kernbohrungen, Betonsägearbeiten, Brenn- und Schweißarbeiten sowie Verpressungen von Schadstellen ist das Unternehmen spezialisiert.

Hans-Günter Wittmann, einer von 400 gewerblichen Tauchern in Deutschland, hat 18.000 Tauchstunden hinter sich. Insgesamt mehr als zwei Jahre seines Lebens war er eingezwängt in einen Taucheranzug mit Helm bei Wassertemperaturen von oft nur drei oder vier Grad Celsius - nur über Telefon verbunden mit der Außenwelt.

Seit zwei Jahren ist dieses Thema abgeschlossen, in zwei Jahren will er in Rente gehen. "Es war eine spannende und aufregende Zeit", erzählt der gelernte Maschinenbauer, der zunächst bei der Marine anheuerte, sich auf einem Zerstörer um die Dampfkessel kümmerte, später mehrere Taucherlehrgänge absolvierte und schließlich Einsatzleiter und Offiziersausbilder auf dem Schulschiff "Deutschland" war.

1977 erhielt Wittmann einen fetten Auftrag am Persischen Golf

"Was mache ich jetzt?" fragte sich Wittmann, als er 23 Jahre alt war. "Soll ich für 800 Mark im Monat in einer Tauchschule auf Teneriffa arbeiten und den Partylöwen spielen? Nein, das war nicht mein Ding." Ein Jahr lang arbeitete er noch für die Hamburger Reederei Harms Bergung beim Bau des Elbtunnels, 1974 machte er sich dann mit seinem Partner Hermann Bruhn selbstständig und tauchte fortan um die Welt.

Ein spannendes Abenteuerbuch könnte er schreiben, mit einem längeren Kapitel über seine Erlebnisse am Südpol, wo es ihm die putzigen Pinguine besonders angetan haben. Er schwärmt noch heute davon. 1982 war er beim Bau einer Forschungsstation des Alfred-Wegener-Instituts dabei. Tauchen musste er jedoch nicht, er wurde als Platzmeister eingesetzt. Und neun Jahre später, als die erste Station im Eis und Schnee versank, baute er die nächste mit auf. Beim dritten Mal brauchten sie keinen Taucher mehr.

Wittmann hatte schon 1977 einen fetten Auftrag erhalten. Er flog mit Ehefrau Anita und dem acht Monate alten Sohn Ole nach Persien und wirkte beim Bau des Kernkraftwerkes in Buschehr am Persischen Golf als Taucher mit. Als der Schah 1979 gestürzt wurde und der Bau aus militärischen Gründen gestoppt wurde, zog Hans-Günter Wittmann weiter in den Irak.

Damit nicht genug. Er versenkte vor Helgoland die erste Atombatterie (sie soll angeblich viele Jahre Strom liefern), im Skagerrak erreichte er beim Aufbau einer Forschungsplattform auf der Doggerbank seine persönliche "Bestleistung" - Wittmann tauchte 80 Meter tief. Vor zwei Jahren ging er das letzte Mal mit Taucherhelm ins Wasser - bei der Schleuse in Brunsbüttel.

Vierzig Jahre Taucher: Hat es nie einen Unfall, nie eine brenzlige Situation gegeben? "Doch", erinnert sich Wittmann, "1975 ist mir in Wilhelmshaven bei der Bergung eines Löschkopfes in 24 Metern Tiefe der Versorgungsschlauch gerissen, weil ich nicht aufgepasst hatte. Beim Auftauchen knallte einige Meter hinter mir auf dem Weg zur Leiter ein 24-Tonnen-Betonklotz eines Krans ins Wasser. Blankes Entsetzen überall, aber abends haben wir gefeiert."

Sein Sohn Ole, heute 35 Jahre alt, hat nichts mit Tauchen im Sinn. Er hat Kunstgeschichte studiert und schreibt an seiner Doktorarbeit. Thema: "Die Haut als Kunstmaterial." Tochter Silja, 31, zuletzt Marketingkauffrau bei Universal Music Deutschland und Mitbetreuerin der erfolgreichen Gruppe Unheilig, eifert ihrem Vater nach. Sie soll eines Tages das zweite Standbein der Firma, "Wittmann Pontons", übernehmen. "Das ist der richtige Job für mich", beteuert sie. "Aber tauchen werde ich nie." Höchstens über Weihnachten und Neujahr, denn dann macht sie mit ihren Eltern eine Urlaubsreise nach Malaysia.