56 Schüler zwischen 14 und 16 Jahren gestalteten beim Planspiel Jugend im Kreistag ihre eigene Politik. Das Abendblatt war dabei.

Der Kreispräsident schaut sich das Treiben in Reihe eins für einige Sekunden an. Sein Blick ruht auf den Abgeordneten, die so gar nicht bei der Sache sind. Irgendwann reicht es ihm, er schaltet das Mikrofon ein und spricht Klartext. "Seid ihr hier, um mitzumachen, oder nur, um keine Schule zu haben?"

Na gut, der Kreispräsident heißt im wirklichen Leben Phillip Nieter, ist 16 Jahre jung, wohnt in Rohlstorf und besucht die Richard-Hallmann-Schule in Trappenkamp. Ein Politiker ist er (noch) nicht, aber er ist keinesfalls ignorant gegenüber den wichtigsten kommunalen Fragen. Für das zweitätige Planspiel "Jugend im Kreistag" schlüpft Phillip während einer Plenarsitzung im großen Sitzungssaal in die Rolle des Kreispräsidenten.

Alle Jugendlichen sind voll und ganz bei der Sache

Die Abgeordneten vor ihm sind Neunt- und Zehntklässler von sieben Schulen aus dem gesamten Kreisgebiet: Neben der Hallmann-Schule beteiligen sich das Alstergymnasium Henstedt-Ulzburg, die Gemeinschaftsschule Kisdorf, das Städtische Gymnasium Bad Segeberg, die Sventana-Schule Bornhöved, die Jürgen-Fuhlendorf-Schule Bad Bramstedt und die Segeberger Dahlmannschule. Und dass sich Phillip qua Amt dazu berufen fühlt, eine Ermahnung auszusprechen, ist eine absolute Ausnahme. Denn die Jugendlichen sind nicht nur anwesend, sondern auch in hohem Maße inhaltlich bei der Sache.

So ist es auch gewollt. "Wer teilnimmt, geht eine Verpflichtung ein. Das sind hier nicht zwei freie Tage", stellt Winfried Zylka - der echte Kreispräsident - klar. Ganz im Gegenteil, denn das Programm hat es in sich. Schon am ersten Tag sitzen die Schüler fünf Stunden lang in fünf Arbeitsgruppen zusammen: Schule/Aus- und Fortbildung, Datenschutz und Internet, Bürgerbeteiligung, Jugendliche in schwierigen Lebenslagen, Perspektiven des ländlichen Raums. Angeleitet werden sie von erfahrenen Kreispolitikern - neben Zylka (CDU) helfen Alexander Wagner (SPD), Rosemarie Jahn und Klaus-Peter Schroeder (FDP) sowie die Grünen Arne Hansen und Peter Stoltenberg.

In diesem Rahmen werden diverse Anträge erarbeitet, die tags darauf den Kern der Plenarsitzung ausmachen. Die Jugendlichen sollen zum politischen Denken angeregt werden. Dazu gehört programmatische Arbeit im Hintergrund, aber eben auch das möglichst souveräne Vortragen der eigenen Standpunkte vor einer großen Hörerschaft. Hierfür wird extra ein Rhetorik-Seminar angeboten.

Die Schüler klingen frischer und unverfälschter als die Polit-Profis

Wenn Schüler debattieren, dann klingt das erfrischender, direkter und unverfälschter als bei Polit-Routiniers. "Ich möchte zeigen, dass meine Richard-Hallmann-Schule besser ist als ihr Ruf", sagt Phillip, nachdem er zum Kreispräsidenten gewählt worden ist. Dies geschah zuvor nicht ohne Widrigkeiten: Schließlich sollte das Präsidium des Kreistages aus drei Personen - einem Vorsitzenden und zwei Stellvertretern - bestehen. Aber sechs der acht vorgeschlagenen Mädchen und Jungen sagten "nein, danke". Teilweise, weil sie keine Lust hatten, teilweise, weil sie sich direkt an der Diskussion beteiligen wollten.

Somit standen lediglich Phillip und die 14-jährige Jasmin zur Auswahl. Die Schülerin des Alstergymnasiums erhielt 17 Stimmen, ihr Pendant wurde von der einfachen Mehrheit - 23 Delegierte - zum Kreispräsidenten bestimmt.

Dann sind die Formalitäten abgehakt. Für die jungen Abgeordneten kommt die Zeit, sich und ihre Ideen zu präsentieren. Hitzig wird es beispielsweise beim Thema Schülerbeförderung. "Die Busfahrer sind unfreundlich und können nicht Bus fahren!", wird bei der Erläuterung des Antrags behauptet. Das ist natürlich viel zu pauschal - im Plenum wird Skepsis laut. Zustimmend murmeln allerdings viele bei der Feststellung, dass oftmals Busfahrer einen Schülerpulk an der Haltestelle stehen lassen würden. Wenn die Plätze alle besetzt sind, müssen eben mehr Busse auf die Straße. Leicht gesagt. "Wir planen ja heute nur und müssen nicht über Geld entscheiden", wirft Kreispräsident Phillip ein.

Auch Bürgerbeteiligung ist ein Streitthema. Die dritte Arbeitsgruppe schlägt vor, dass Jugendliche mittels Vergünstigungen zur politischen Initiative motiviert werden könnten. Dem stimmen nur wenige Anwesende zu. "Cool, dann höre ich zur Hälfte hier zu und komme dafür billiger ins Kino", sagt ein Mädchen voller Sarkasmus. Die Nachfragen sind durchaus bissig und herausfordernd - die Schüler stellen sich gegenseitig gerne auf die Probe.

Lasse hält eine flammende Rede für das Leben in einer Dorfgemeinschaft

Der Ansatz, dass es auf Gemeindeebene überall im Kreis Jugendbeirate geben müsse, welche wiederum Vertreter zu einem Jugendkreistag entsenden sollen, findet Anklang. "Es würde uns eine Stimme geben. Dann hören die Politiker auf die Jugendlichen", hofft Lasse, 15, aus Negernbötel. Er hält im Anschluss im Namen der AG "Perspektiven des ländlichen Raums" eine flammende Rede für das Leben in einer Dorfgemeinschaft. Tenor: Kleine Gemeinden dürfen nicht aussterben. Damit trifft Lasse den Ton und erhält viel Applaus.

Die Arbeit im Kreistag soll nicht umsonst gewesen sein. Die beschlossenen Anträge gehen nun in die jeweiligen Fachausschüsse. Und Winfried Zylka verspricht: "Wir werden erörtern, ob wir einen Jugendkreistag schaffen wollen - eventuell mit einem Budget."