Rolf Koschorrek, CDU-Abgeordneter im Bundestag, unterliegt im Kampf um die Direktkandidatur. Auch er soll mit Vorträgen Geld verdient haben.

Kreis Segeberg. "Ein Paukenschlag" sei es gewesen, ein Ereignis, das so nicht erwartet worden war, und das sogar in der Bundesregierung mit Erstaunen registriert worden sei: Mit 80 zu 219 Stimmen wurde der Bundestagsabgeordnete Rolf Koschorrek bei der Kandidatenkür der CDU im Wahlkreis Steinburg - Dithmarschen-Süd abgestraft. Direktkandidat wird im nächsten Jahr bei der Bundestagswahl der weit weniger bekannte Mark Helfrich sein. Ein viel größeres Politikum aber sind die Gründe, die zur Abwahl Koschorreks führten.

Direkt nach der Abstimmung stand Koschorrek völlig bedröppelt neben dem strahlenden Sieger, nicht einmal ein gequältes Lächeln brachte er zustande. Die jungen Christdemokraten hingegen feierten den Sieg ihres Kandidaten Mark Helfrich euphorisch. Dem Doktor aus Bad Bramstedt hingegen, der sich ihrer Meinung nach zu oft in Berlin herumtrieb und zu selten im heimischen Wahlkreis, hatten sie die Stimmung gründlich vermiest.

Neben der mangelnden Präsenz in der Heimat gab es einen weiteren Vorwurf: Die Höhe der Nebeneinkünfte des Kandidaten Koschorrek sei viel zu hoch, hieß es schon vor der Wahl. In der Tat hielt Rolf Koschorrek laut der Internet-Plattform abgeordnetenwatch.de seit 2009 immerhin 36 Vorträge für Unternehmen und Verbände. Seine Dienste ließ er sich fürstlich entlohnen: In den meisten Fällen lag sein Honorar zwischen 1000 und 3500 Euro, in einem Fall bei mehr als 3500 Euro. Dazu kommen zahlreiche Aufsichts- und Beiratsfunktionen in Unternehmen und Verbänden und seine Tätigkeit als Präsident des Bundesverbands der Freien Berufe. Zwischen 3500 und 7500 Euro verdient der Zahnarzt allein damit - jeden Monat.

Aktuell rangiert Koschorrek so unter den Topverdienern des Bundestages in Sachen Nebeneinkünfte; in Kombination mit der langen Abwesenheit im Wahlkreis habe dies das Fass zum Überlaufen gebracht, bestätigt Heiner Rickers, Kreisvorsitzender der CDU in Steinburg. Besonders entscheidend: Koschorrek habe bei den obligatorischen Vorstellungsrunden offen zugegeben, dass er die zahlreichen Nebeneinkünfte brauche, um auch nach der Politik eine berufliche Perspektive zu haben. "Das will natürlich keiner hören. Die Niederlage war deshalb eine mit Ansage", sagt Heiner Rickers. "Allerdings ist es in der CDU unüblich, jemanden so abzusägen, wenn er nicht große Fehler gemacht hat."

Selbst Mark Helfrich, der als Gewinner ausdrücklich "nicht mehr in alten Wunden bohren" möchte, sieht den Grund in der Wechselstimmung nicht nur bei sich selbst. "Das ist eine heftige Entscheidung, die dort getroffen wurde", sagt er. "Ich habe für mich persönlich bereits vorher entschieden, dass ich Abgeordneter in Vollzeit sein werde. Nebentätigkeiten vertragen sich meiner Meinung nach nicht mit dem Amt."

Koschorrek sagt, dass er in vier Jahren nur 28 Vorträge gehalten habe

Rolf Koschorrek selbst ist "überrascht und enttäuscht". Die Vorwürfe, er habe sich nicht um seinen Wahlkreis gekümmert, treffen den Zahnarzt hart. "Das stimmt nur für mehrere Monate in 2011 und 2012", sagt er. Koschorrek litt unter einer schweren Krankheit - "Ich war vier Tage klinisch tot" - und musste sich einer langen Rehabilitation unterziehen. In dieser Zeit sei ein Netzwerk gegen ihn geknüpft worden, glaubt der Christdemokrat. Vor und nach der Krankheit sei er im Wahlkreis "sehr präsent" gewesen. Vielleicht sei sein Kontakt zur örtlichen Politik nicht eng genug gewesen, um die Stimmung gegen seine Person vorherzusehen, räumt Koschorrek ein.

Der Christdemokrat wehrt sich gegen den Vorwurf, durch seine Vortragstätigkeit habe er nicht genügend Zeit für die politische Arbeit gehabt. In vier Jahren habe er 28 Vorträge gehalten. "Daraus kann niemand ableiten, dass ich keine Zeit habe", sagt Koschorrek und fügt mit einem Anflug von Bitterkeit hinzu: "Vielleicht gehöre ich einfach nur zu den Blöden, die alles angeben." Seine Arbeit als Präsident des Bundesverbands der Freien Berufe bezeichnet er als ehrenamtliche Tätigkeit, für die er eine Aufwandsentschädigung erhalte. Die Partei habe ihn sogar "wild ermuntert", als erster CDU-Politiker die Leitung dieses Spitzenverbandes zu übernehmen. Bis zum Ende der Legislatur wolle er sein Mandat mit vollem Engagement ausüben. Auch danach wolle er weiter Politik machen.