Zahl der Flüchtlinge steigt, Kommunen stehen vor großen Unterbringungspoblemen. Diakonie feierte am Sonntag 20 Jahre Integrationsarbeit.

Kreis Segeberg . Samiia Jomaa war schon lange in Deutschland, bevor sie es endlich wagte, sich mit der deutschen Sprache vertraut zu machen. Die Libanesin, Mutter von acht Kindern, durchlebte ein Schicksal wie viele ihrer Landsfrauen: Immer im häuslichen Bereich, nie unter Deutschen. Die Norderstedter "Mondfrauen" änderten schließlich ihr Leben: Das sind Frauen, deutsche und ausländische, die sich gemeinsam um das Wohl von Frauen mit Migrationshintergrund kümmern. Unter dem Motto "20 Jahre Willkommenskultur in Norderstedt" feierte gestern die Flüchtlings- und Migrationsarbeit des Diakonischen Werks Hamburg-West/Südholstein im Schalom-Gemeindehaus.

Die "Mondfrauen" waren dabei: Sie kümmern sich seit 15 Jahren um ausländische Frauen und wurden für ihre Arbeit bereits vom Bundespräsidenten und vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein ausgezeichnet. Das Team der Diakonie unterstützt und begleitet die Selbstorganisation von migrantischen Frauengruppen seit vielen Jahren. "Frauen mit Migrationshintergrund machen im gesellschaftlichen Alltag nicht nur am Arbeitsmarkt vielfältige Ausgrenzungserfahrungen", sagt Martin Link vom Diakonischen Werk.

Samiia Jomaa ist inzwischen fit im Umgang mit der deutschen Sprache - und mutig dazu. Mit einer augenzwinkernden Stegreifrede ließ sie die Besucher gestern im Schalom-Gemeindehaus an ihrem Schicksal und der Wendung zum Besseren teilhaben.

In diesem Jahr werden mehr als 200 Asylbewerber in den Kreis kommen

Das Schicksal von Asyl suchenden Menschen ist derzeit so aktuell wie schon lange nicht mehr. Die Gemeinschaftsunterkunft des Kreises Segeberg in Schackendorf ist an den Grenzen ihrer Kapazität angelangt. Die Flüchtlinge werden deshalb so schnell wie möglich weiterverteilt. 70 Menschen halten sich derzeit dort auf. Zum ersten Mal seit Jahren sind auch Flüchtlinge aus Serbien und Mazedonien unter ihnen. Die Zahl der Asylsuchenden aus der Region ist ab September bundesweit sprungartig gestiegen. Auch im Kreis Segeberg sind erhebliche Auswirkungen zu erwarten. "Die Schwierigkeiten werden teilweise groß sein", sagte Rolf Meenen, Leiter des Fachdienstes für Ausländer- und Asylangelegenheiten. "Die Städte und Gemeinden verfügen kaum noch über geeigneten Wohnraum und haben auch Probleme, angemessene Wohnungen anzumieten." Aktuell werden statt bisher zwei bis vier Personen nun acht Personen pro Woche auf die Städte und Gemeinden verteilt. Insgesamt müssen im laufenden Jahr schätzungsweise bis zu 205 Asylbewerber untergebracht werden; im vergangenen Jahr waren es nur 142.

Besonders in Henstedt-Ulzburg läuten deshalb die Alarmglocken. "Wir sind von der Zahl der Asylbewerber überrascht und haben im Augenblick noch keine Ahnung, wo wir sie unterbringen können", sagt der zweite stellvertretende Bürgermeister Siegfried Ramcke. "Es gibt kaum Wohnungen auf dem freien Markt." Eine kleine Zahl von Asylbewerbern könne noch in den Notunterkünften am Kirchweg und am Heideweg einquartiert werden, aber für die Masse würden andere Unterkünfte benötigt.

70 Prozent der Unterbringungskosten übernimmt das Land

Zuversichtlich ist Hauke Borchardt, Sprecher der Stadt Norderstedt: "Wir haben es in der Vergangenheit geschafft, diese Personen unterzubringen, also werden wir es auch jetzt schaffen." Notunterkünfte stünden noch in der Lawaetzstraße und im Buchenweg zur Verfügung. Die Stadt Norderstedt warte derzeit auf Mitteilungen des Kreises.

Martin Poschmann, Sprecher der Stadt Kaltenkirchen, kennt das Problem, und er gibt zu, dass man sich in der Verwaltung darüber bisher zu wenige Gedanken gemacht habe. Für Asylbewerber stehe zwar am Kamper Weg ein Gebäude zur Verfügung, doch das sei derzeit voll belegt. "Wir beschäftigen uns ab Montag intensiv mit diesem Thema", kündigt Poschmann an.

Nach Angaben von Rolf Meenen erhalten Kommunen 70 Prozent der erforderlichen Unterbringungskosten vom Land erstattet. Er geht davon aus, dass 95 Prozent der Asylbewerber aus Serbien und Mazedonien das Land wieder verlassen müssen. Zu den aktuellen Asylbewerbern kommen nach seinen Angaben etwa 200 bis 230 Personen dazu, deren Asylverfahren schon längere Zeit laufen. Ein Verfahren dauere bis zu anderthalb Jahre, die aktuellen Verfahren der Bewerber aus Serbien und Mazedonien werden seiner Einschätzung nach schneller abgeschlossen. Das Land Schleswig-Holstein müsse nach einem Verteilerschlüssel 3,372 Prozent aller Asylbewerber aufnehmen.