Der Hamburger Klebstoffspezialist Tesa zieht bis 2015 nach Norderstedt. Die Gewerbesteuer ist dort deutlich niedriger als in Hamburg.

Hamburg. Viel ist noch nicht zu sehen auf dem leeren, planierten Gelände an der Niendorfer Straße. Ein knallgelber Bagger schiebt gleich hinter der Hamburger Landesgrenze einen Berg Erde hin und her. Flugzeuge vom nahen Airport Fuhlsbüttel zerschneiden dröhnend den Himmel, und durch ein paar Bäume ist die Zentrale der benachbarten Kette Blume 2000 zu erkennen. Ein paar Hundert Meter die Straße hinauf folgen das Luftfrachtzentrum World Cargo Center und die Verwaltung des Elektronikherstellers Casio.

Hier, im Gewerbegebiet Nordport, will der Weltkonzern Tesa also bis Mitte 2015 seine neue Konzernzentrale errichten. 850 Mitarbeiter sollen vom trubeligen Eimsbüttel nach Norderstedt umziehen. 160 Millionen Euro lässt sich der Klebstoffspezialist den neuen Komplex kosten - die größte Investition in der mehr als 100-jährigen Geschichte der Beiersdorf-Tochter.

Es dürften vor allem die vielen freien Flächen gewesen sein, die Tesa vor die Tore Hamburgs gelockt haben. "An unserem alten Standort in Eimsbüttel platzen wir aus allen Nähten", sagt Tesa-Vorstandschef Thomas Schlegel, bevor er im Anzug und mit weißem Bauarbeiterhelm auf dem Kopf zum symbolischen Spatenstich schreitet. Auf dem neuen Grundstück könne man alle bislang verstreuten Konzernteile in einem Komplex unterbringen. Zu schnelleren Arbeitsabläufen, mehr Flexibilität und einer höheren Wettbewerbsfähigkeit soll das führen.

"Zudem haben wir in Norderstedt große Erweiterungsmöglichkeiten für das weitere Wachstum", betont Schlegel. Neben den klassischen Klebestreifen entwickelt das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von fast einer Milliarde Euro immer neue Produkte, die von fälschungssicheren Hightechetiketten bis zu Wirkstoffpflaster für die Pharmaindustrie reichen.

Rund 40 Standorte hat Tesa in den vergangenen Jahren geprüft, darunter auch einen Ausbau am bestehenden Firmensitz und im Hamburger Stadtteil Hausbruch, wo der Konzern verschiedene Klebebänder herstellt. "Doch am Ende hat sich Norderstedt als am besten geeignet für unsere Zwecke erwiesen", so Schlegel.

Die neue Zentrale wird sowohl die Hauptverwaltung der Beiersdorf-Tochter, als auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilung und das sogenannte Technikum umfassen, in dem Tesa neue Produktionsanlagen im Kleinformat testet. Um den Mitarbeitern den Umzug aus dem Zentrum Hamburgs ins nördliche Niemandsland schmackhaft zu machen, wird der Konzern neben Campus und Hörsaal auch einen Betriebskindergarten, Fitnessräume, eine Cafeteria und eine große Kantine errichten.

Auf dem Gelände sollen ein See und Grünanlagen für die Erholung der Beschäftigten entstehen. Eine Oase der Ruhe dürfte aus der Fläche in der Nähe des viel befahrenen Krohnstiegstunnels dennoch nicht werden. "Wir werden das Umfeld in Eimsbüttel nicht ersetzen können", sagt Schlegel. Man bemühe sich aber, den Beschäftigten den Wechsel so leicht wie möglich zu machen.

Für Norderstedt ist der Umzug in jedem Fall ein Coup, ein Sieg "David" gegen "Goliath" nach einem jahrelangen Tauziehen mit Hamburg. Der Weltkonzern Tesa soll nicht nur zusätzliche Gewerbesteuern in die Kassen der fünftgrößten Stadt Schleswig-Holsteins spülen, sondern auch weitere Unternehmen anlocken, die zusätzliche Jobs schaffen.

"Für uns als wachsende und dynamische Stadt sind die neuen Arbeitsplätze, die durch Tesa entstehen, das Wichtigste", sagt Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote. Insgesamt sind im Gewerbegebiet Nordport in den vergangenen Jahren 2000 zusätzliche Jobs hinzugekommen. Ein IT-Dienstleister und ein weiteres Unternehmen erwägen derzeit, sich in der Stadt anzusiedeln. Auf der anderen Seite haben aber auch Firmen wie der Musikgerätehersteller Roland Norderstedt den Rücken gekehrt.

Besondere Vergünstigungen habe Norderstedt Tesa nicht gewährt, betont Grote. Allerdings dürften auch die unterschiedlichen Gewerbesteuerhebesätze bei der Standortentscheidung eine Rolle gespielt haben. Während der Satz in Hamburg bei 470 liegt und Kapitalgesellschaften dadurch 16,5 Prozent ihres Gewinns abführen müssen, begnügen sich die Norderstedter mit einem Satz von 420, wodurch die Firmen nur 14,7 Prozent zu zahlen haben.

Zudem zeigten sich die Norderstedter ausgesprochen flexibel bei der Erteilung nötiger Baugenehmigungen und bei der Schaffung der notwendigen Infrastruktur für Tesa. So wird extra für den Konzern eine weitere Zufahrt zum Gelände gebaut und auch den Betrieb des Kindergartens wird die Stadt für den Klebstoffspezialisten voraussichtlich übernehmen.