SPD-Fraktion in Norderstedt regt Reformen an. Ist aber skeptisch, ob diese umgesetzt werden können. Es fehlt an qualifiziertem Personal.

Bad Segeberg. Die ersten reflexartigen Forderungen hatten nicht überrascht. Mehr Personal, bessere Qualifizierung, weniger Kooperation mit freien Trägern und mehr Transparenz. Aus der Kreispolitik kamen viele Vorschläge, wie die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe infolge des "Kellerkind-Skandals" nicht nur effizienter, sondern durchweg effektiv werden können.

Nur: Können die Maßnahmenkataloge der Realität standhalten? Die SPD-Fraktion im Kreistag hat während einer Wochenend-Klausur erarbeitet, welche Reformen sie sich vorstellt. Doch wenn die Fraktionsvorsitzende Edda Lessing die Details erläutert, schwingt Skepsis mit hinsichtlich der Machbarkeit. Dort sind die Hürden teils erheblich. Dies beginnt allein schon damit, fachlich geschulte Sozialarbeiter - etwa aus Hamburg - für den Kreis zu gewinnen.

Die Anreize, nach Bad Segeberg zu ziehen, müssen verstärkt werden

"Es muss etwas passieren, damit das Jugendamt sich attraktiver darstellt. Die Menschen gehen dorthin, wo ihnen die Arbeit gefällt", so Lessing. Zum Zeitpunkt, als der dreijährige Junge am Segeberger Bussardweg befreit wurde, hatte es schließlich bereits fünf offene Stellen beim Kreisjugendamt gegeben. Damit, weitere Jobs auszuschreiben, ist den Mängeln also nicht beizukommen. Für die SPD ist klar: Die Anreize, aus dem städtischen Raum in eine ländlich geprägte Region ziehen zu wollen, müssen verstärkt werden.

Eine Option sind höhere Einstiegsgehälter und garantierte Kita-Plätze. "Es kann nicht sein, dass sich jemand bewirbt, die Stelle antritt, aber nach kurzer Zeit sagt, es gefällt ihm nicht und dann nach Kiel geht", sagt Edda Lessing. Personelle Kontinuität ist auch nötig, damit die vom Kinderschutzexperten Reinhart Wolff angeregten Fortbildungen, Gruppenbetreuungen und Spezialisierungen auf "resistente" Fälle einen positiven Effekt haben. Es bringt schließlich wenig, wenn die kompetenten Kräfte nur über einen kurzen Zeitraum mit einer Familie zu tun haben; die unverzichtbare Vertrauensbasis kann so nicht hergestellt werden.

Ergänzend dazu steht der Einsatz von "Sozialpaten" zur Debatte. Nachbarn oder Verwandte sollen nach diesem Modell als ehrenamtliche Helfer, vermittelt vom Jugendamt, in der Betreuung mitarbeiten.

Dass - wie vereinzelt gefordert - die Zusammenarbeit mit freien Trägern eingestellt wird, ist übrigens rechtlich nicht möglich. Im Sozialgesetzbuch heißt es explizit: "Soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können, soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen."

Zwischen den Parteien herrscht Einigkeit, dass Veränderungen herbeigeführt werden müssen. Aus Sicht der FDP sagt der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schnabel: "Als ersten entscheidenden Schritt muss die Verwaltung der Politik konkrete Vorschläge machen, wie Fortbildung und Supervision zur Beseitigung der Schwächen intensiviert werden können."

Sein Pendant Claus-Peter Dieck (CDU) sieht ebenfalls die Verwaltung in der Pflicht. "Es gilt, der Politik einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Problemlage vorzulegen."

Personelle Konsequenzen wird es nicht geben. "Die vorzeitigen Rücktrittsforderungen gegen den Leiter des Jugendamtes haben sich als offensichtlich haltlos erwiesen", so Dieck. Nun sind also die Politiker am Zug, wobei Edda Lessing einschränkt: "Alles, was wir fordern, kostet Geld und hat Auswirkungen auf den Haushalt. In welcher Höhe, müssen wir sehen."