Ein Besuch bei der Norderstedter Traditions-Bäckerei Schmidt, die die Bürger bereits seit 80 Jahren mit Backwaren versorgt.

Rente? Müßiggang? Erholung vom arbeitsreichen Leben? Nichts für Werner Scholgar. 71 Jahre ist er jetzt alt, doch wenn er nicht mehr in der Backstube stehen dürfte, würde seine Welt zusammenfallen wie ein Soufflé in der Kälte. Geschickt formt der gebürtige Österreicher aus einem Strang Teig leckere Franzbrötchen. Die kannte der gelernte Bäcker aus Graz noch nicht.

"Franzbrötchen habe ich erst hier in Deutschland kennengelernt, als ich bei der Bäckerei Heidenreich in Niendorf anfing", sagt Werner Scholgar. Quer durch die Republik hat er gebacken, bis er in Hamburg hängen blieb. In der Bäckerei Heidenreich lernte er seine jetzige Chefin Iris Schmidt kennen, die ihn später mit ihrem Ehemann Volker Schmidt in die eigene Backstube nach Norderstedt holte, nach Harksheide. Warum aber ist er vom romantischen Österreich in den hohen Norden gezogen? "Warum wohl", sagt Scholgar und lächelt. Die erste Liebe ging vorüber, Scholgar ist geblieben.

Auch Ursula Zeulner kann sich ein Leben ohne Brot, Brötchen und Torten nicht vorstellen. Unverwüstlich steht sie mit 72 Jahren hinter dem Tresen, wuselt durch die Backstube, packt an, was erledigt werden muss. Ihre Favoriten sind Obsttorten, Franzbrötchen und Schwarzbrot. Seit 1975 arbeitet sie in der Bäckerei Schmidt, vormals Möller, an der Ulzburger Straße 254 in Norderstedt. Die Inhaber Iris und Volker Schmidt und die Kollegen wurden zur Familie.

Ein Familienbetrieb, das ist die Bäckerei auch in diesen Zeiten der Großbäckereien mit vielen Filialen. "Wir machen keinen Backmischungssack auf, kippen Wasser drauf, rühren um, und fertig sind die Brötchen", sagt Iris Schmidt. "Bei uns wird alles noch von Hand gemacht, auch die Rose als Verzierung auf der Hochzeitstorte", sagt Scholgar und nickt zufrieden.

1982 übernahmen Iris und Volker Schmidt die Bäckerei Möller

80 Jahre gibt es die Bäckerei an der Ulzburger Straße 254 in Norderstedt schon. Gegründet hat sie das Bäcker-Ehepaar Möller. Von deren Tochter Marga Möller hat das Ehepaar Iris und Volker Schmidt die im damaligen Harksheide renommierte Bäckerei Möller im Jahr 1982 übernommen.

"Wir hatten damals eine Bäckerei in Hamburg-Langenhorn", sagt Iris Schmidt. Das Ehepaar wohnte an der Falkenbergstraße und oft, wenn sie frühmorgens an der Bäckerei Möller vorbeifuhren, sagte Ehemann Volker, dass er die Bäckerei einmal unbedingt übernehmen möchte.

"Als wir dann hörten, die Bäckerei solle verkauft werden, haben wir sofort reagiert", sagt Iris Schmidt. Ihr Ehemann ist vor neun Jahren gestorben. Seitdem wuppt die quirlige Einzelhandelskauffrau das Geschäft allein. Seit einigen Monaten unterstützt sie ihr Sohn Alexander. Der Betriebswirt ist für den kaufmännischen Bereich zuständig. "Mein Mann hat mir alles beigebracht, was zum Bäcker- und Konditorhandwerk gehört", sagt Iris Schmidt. Doch er hinterließ ihr eine Bäckerei mit sieben Filialen, eine sogar in Henstedt-Rhen. "Das kann man allein nicht managen, und deshalb habe ich sie alle abgegeben und nur dieses Hauptgeschäft behalten", sagt Schmidt. Der Neustart war schwierig, aber sie hat es geschafft. Heute gehören neben ihrem Sohn zwei Bäckergesellen und drei Teilzeitkräfte zu ihrem Team.

Das Getreide für Brot und Brötchen wird selbst gemahlen

Die Schmidts sind für ihr gutes Handwerk bekannt und mahlen das Getreide für Brot und Brötchen selbst. "Da ist keine Chemie drin", sagt Iris Schmidt. Das brachte ihr Aufträge von sieben Kindergärten ein. Auch die Stadt Norderstedt bestellt bei Iris Schmidt Kuchen und Torten, beispielsweise für die Altenfeiern im Advent. "Ich hoffe, dass ich in diesem Jahr wieder den Zuschlag bekomme", sagt Schmidt. Sie liefert auch an Norderstedter Hotels und Firmen. Mit dem Laden allein könne sie nicht existieren.

Berühmt ist der Schmidtsche Butterkuchen. Locker kommt er auf den Teller, nicht fettig und flach. Das Rezept hat Ehemann Volker kreiert, und das wird nach guter Tradition nicht verraten. 30 Jahre gibt es Schmidt jetzt. "Wir machen fröhlich weiter, auch wenn wir wirtschaftlich oft kleine Brötchen backen müssen", sagt Iris Schmidt.