Die 23-jährige Bönningstedter Auszubildende der Bäckerei Kolls ist die Landessiegerin aller Auszubildenden in Schleswig-Holstein.

Norderstedt. Der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise verdankt sie, dass ihre einmalige Begabung für das Bäcker-Handwerk doch noch entdeckt wurde. Michaela Graf hatte bereits vor drei Jahren ihre Lehre als Industriemechanikerin erfolgreich abgeschlossen, doch ihr Arbeitgeber, der die Automobilindustrie beliefert und in eine Krise geriet, konnte sie nicht weiter beschäftigen. Darum beschloss die heute 23-Jährige, eine zweite Ausbildung zur Bäckerin zu beginnen.

"Da ich immer so gern Kuchen backe, dachte ich mir, ich mache einfach mein Hobby zum Beruf", sagt die Norderstedterin. Sie fing bei der Bäckerei Kolls im Nachbarort Bönningstedt an und wurde jetzt nicht nur die Jahrgangbeste aller neun Bäckerinnungen mit etwa 200 Auszubildenden in Schleswig-Holstein. Michaela Graf hat nun auch den Landessieg errungen und wurde zur besten Nachwuchsbäckerin im nördlichsten Bundesland gekürt. Im November misst sie sich mit den anderen 15 Landessiegern um den Bundessieger-Titel.

"Darauf sind wir natürlich mächtig stolz", sagt Bäckerei-Inhaber Rainer Kolls. "Innungsbeste hatten wir schon einige. Aber einen Landessieger noch nie." Dabei hat der größte Bäckereibetrieb im Kreis Pinneberg, der 140 Mitarbeiter in 23 Filialen beschäftigt, in den 50 Jahren seines Bestehens etwa 250 junge Bäcker ausgebildet.

Besonders stolz war auch Heinrich Kolls, 74, der 1962 das Unternehmen in Neumünster gegründet und 1986 nach Bönningstedt verlagert hat. Der Seniorchef hatte den Wanderpokal gestiftet, der jedes Jahr dem Landessieger als Trophäe überreicht wird. Erstmals konnte er nun einer Nachwuchsbäckerin zum Sieg gratulieren, die in seinem Betrieb gelernt hat, den inzwischen seine Kinder, die Bäckermeister Rainer Kolls und Susanne Neuendorf führen.

Dass Michaela Graf ein großes Geschick und Talent für den Beruf entwickelte, war ihren Chefs schnell klar. "Das haben wir sofort gemerkt", sagt Rainer Kolls. Ob am Ofen, beim Backen oder in der Konditorei - Michaela Graf hatte immer das richtige Händchen und erfasste sofort, was sie dabei zu beachten hatte. Ihre Ausbildung konnte sie am Ende wegen ihrer Topleistungen sogar um ein halbes Jahr verkürzen.

Das täglich frühe Aufstehen mache ihr nichts aus, sagt Michaela Graf. Ihr Arbeitsbeginn war auch während der Ausbildung immer dann, wenn manch andere in ihrem Alter erst ins Bett gehen: um 2.30 Uhr in der Frühe. "Da gewöhnt man sich schnell dran", versichert Michaela Graf. Schwerer fiel ihr eher, dem theoretischen Unterricht in der Berufsschule in Elmshorn zu folgen, der einmal wöchentlich von 8 bis 16 Uhr lief. "Alle Bäcker-Lehrlinge hingen dort ab 13 Uhr in den Seilen", erzählt sie. Aber der Note 1 in Theorie- und Praxis bei der Gesellenprüfung tat das keinen Abbruch. Ihr Fachlehrer Winfried Scheidweiler übte sogar extra mit seiner beste Schülerin für den Landeswettbewerb.

Da überzeugte Michaela Graf die Fachjury in zwei Tagen mit ihren ebenso originellen wie auch gut schmeckenden Backwerken. So formte sie ein Brot als Schaustück mit den olympischen Ringen, die als Motto vorgegeben waren. Sie backte mit Weizen- und Rosinen-Brötchen wie verlangt zwei verschiedene Sorten, machte Partygebäck, Plunderkuchen, zwei Brote, Zöpfe und eine Minz-Schoko-Torte. Das alles klappte und schmeckte so gut, dass Michaela Graf von den acht teilnehmenden Innungsbesten klar zur Landessiegerin erklärt wurde. Außer dem Pokal und einer Urkunde bekam Michaela Graf dafür einen Scheck über 150 Euro und einen Gutschein für eine Fortbildung ihrer Wahl. Die ersten vier Plätze blieben zudem in weiblicher Hand.

Um ihre berufliche Zukunft braucht sie sich keine Sorgen zu machen. Selbstverständlich hat die Bäckerei Kolls ihre beste Nachwuchskraft übernommen. Ansonsten hätte Michaela wohl auch Probleme zu Hause bekommen. "Meine Familie ist inzwischen so verwöhnt, weil ich immer frische Brötchen mit nach Hause bringe."