Ein Archäologen-Team stieß auf der geplanten A-20-Trasse auf fünf Langhäuser und ein kleines “Werkhaus“ aus der frühen Bronzezeit.

Schmalfeld. Für einen jungen Archäologen wie Benjamin Irkens ist das mindestens so viel wert wie ein Fünfer mit Zusatzzahl: In Schmalfeld ist er mit seinen Helfern auf Relikte von fünf Häusern gestoßen, die nahezu einmalig in Schleswig-Holstein sind. Sie werden auf die Zeit zwischen Jungsteinzeit (Neolithikum) und Frühe Bronzezeit taxiert, etwa 2000 vor Christus.

Seit Juni 2011 gräbt Irkens in Schmalfeld auf der geplanten Trasse der A 20. Dort war man 2009 auf Funde gestoßen. Doch bereits vor Jahrzehnten hat hier der Lehrer Dahl "viele Artefakte, die auf eine Siedlung hinweisen, geborgen und alle im Landesamt in Schleswig abgegeben: Keramiken, Handmahlsteine und vieles mehr", berichtet Irkens. Inzwischen haben die Archäologen dort über einen Hektar Land "umgegraben".

Man wusste also, dass hier einst Menschen gelebt haben mussten. Dennoch hat es Monate gedauert, bis der 30-Jährige mit seinem Team endlich auf das Jahrtausende alte kleine Dorf stieß. Für den Laien ist das, was gefunden wurde, nicht der Rede wert. Für Irkens, der gerade an seiner Doktorarbeit schreibt, ist es ein Durchbruch. Dunkle Verfärbungen im Sandboden erwiesen sich als Pfostenlöcher. Vom Holz ist nichts mehr da, aber die symmetrische Anordnung der Löcher machte rasch klar: Man ist auf ein Haus gestoßen. Dann noch eins - fünf insgesamt. Irkens ist sicher, dass die Bauwerke nicht zugleich dort gestanden haben, sondern zeitlich bis zu 700 Jahre versetzt und aus der Zeit zwischen Neolithikum und Bronzezeit stammen: "Das ist etwas sehr Besonderes, weil es in Schleswig-Holstein erst ein bis zwei solcher Häuser gibt - "und hier fanden wir gleich fünf auf einem Fleck".

Die Haustypen waren alle gleich: zweischiffige Langhäuser mit je 17,50 bis 20 Metern Länge und fünf bis sechs Metern Breite. Und ein kleines "Werkhaus" zum Arbeiten. Ob Mensch und Tier unter einem Dach gehaust haben, soll noch ermittelt werden. Die Archäologen haben 600 Quadratmeter Boden geborgen, der Meter für Meter auf seinen Phosphatgehalt untersucht wird. Der nämlich gibt Aufschluss, wo sich in den Häusern überwiegend Menschen oder Vieh aufgehalten haben. "Das ist aus der Intensität der Urin- und Dungverteilung - beide enthalten Phosphat - ablesbar", erklärt Irkens.

In Süddänemark wurden derartige Häuser schon gefunden

"Die Häuser hatten in der Mitte zentrale Firstpfosten, die die Hauptlast des Daches getragen haben." Das sehe man an den breiteren Löchern, die massivere Balken aufgenommen haben. Deren Verfärbungen im Boden seien am besten erhalten. Irkens ist begeistert: "Bei einem Haus können wir sogar die Eingänge, es waren zwei, nachweisen." Ganz charakteristisch sind die Seitenstränge der Langhäuser: Sie sind leicht nach außen gewölbt. Irkens: "Das ist einzigartig, Pendants in Schleswig-Holstein haben wir bisher nicht." Hier sei Stoff, mit dem man "ein Forschungsdefizit füllen" könne. In Süddänemark habe man derartige Häuser schon gefunden. Der Archäologe: "Die sind absolut identisch mit den Schmalfelder Häusern." Damit sei davon auszugehen, "dass wir es hier aller Wahrscheinlichkeit mit Gebäuden aus der frühen Bronzezeit zu tun haben".

Dass die fünf Häuser zeitgleich dort standen, hält Benjamin Irkens für ausgeschlossen. Dazu sei der überhöht liegende (und daher trockene) Sporn in diesem ehemals feuchten Gebiet nicht groß genug. Früher hat die in 150 Metern Entfernung fließende Schmalfelder Au wild mäandriert. Er vermutet, dass hier jeweils eine Sippe aus zwei, höchstens drei Generationen gelebt und Landwirtschaft betrieben hat. Irkens: "Perfekte Siedelbedingungen waren das hier." Vermutlich sei aber stets nur ein Haus (vielleicht ein weiteres) bewohnt gewesen. Die Stützpfeiler werden in dem feuchten Gebiet keine lange Lebensdauer gehabt haben, glaubt er. Ungewöhnlich: Eigentlich sind die Häuser nach Ost-West ausgerichtet. Hier aber in nordwest-südöstlicher Richtung, also quer zum Wind. Irkens führt das auf die Form des erhöhten Sporns zurück. Menschenreste wurden übrigens nicht gefunden. Dafür einige Vorratsgefäße und Kochutensilien. Irkens: "Reine Nutzgefäße, schmucklos, auch ein Indiz für die Bronzezeit."

Irkens Team hat lange graben müssen, bis sich Erfolg einstellte. "Das war nervig, da muss man durchhalten. Aber wir wussten ja durch die Funde des Hobby-Archäologen, dass hier was sein muss", sagte er. Dass über "sein" bronzezeitliches Dorf später einmal Autos auf einem fünf Meter hohen Damm die A 20 entlang rasen, stört ihn nicht wirklich. "Was hier war, nehmen wir ja mit."