Uwe Voss hat ein Stück Kulturgeschichte mitgestaltet. Der CDU-Geschäftsführer präsentiert ein Hörbuch über seine Jahre als Discjockey und die Pubertät der Popkultur

Na ja, mit diesem Spruch könnte ein Entertainer heute kaum noch ein müdes Lächeln im Publikum erzeugen: "Piesch niemals an den Elektrozaun, das könnte dir den Tag versaun!" Grottig: Fremdschämen. Aber damals? In den 60ern? Da ist der Typ mit einer so kessen Lippe der König. Uwe Voss ist die Majestät der Provinz, seine Untertanen schauen ihm gierig aufs Maul und erwarteten Sprüche, Sprüche, Sprüche. Er haut sie heraus wie am Fließband, kassiert dafür 25 Mark am Abend, mehrere Jägermeister und "One-Hour-Stands", weil "One-Night-Stands" zu zeitaufwendig sind. Geht auch so. Muss ja. Macht nichts.

Das Landei Uwe Voss, geboren und aufgewachsen in der Nähe von Hildesheim, ist ein Pionier der deutschen Disco-Szene. Er hat sie erlebt und viele überlebt, die Stars der Szene. Manche sind größer geworden als er, von manchen sind die Spuren verweht. Uwe Voss, 62, aus Nahe, Geschäftsführer des CDU-Kreisverbandes und Strippenzieher für manchen Politiker, blickt auf ein interessantes Berufsleben zurück.

Das können viele von sich behaupten, aber nicht jeder hat die Hand so dicht am Puls der Zeit gehabt, wie dieser seriöse Herr mit unverkennbar burschikosem Einschlag und den im reifen Alter dünner gewordenen grauen Haaren. Die Pubertät der Jugend- und Musikszene - Uwe Voss hat sie hautnah erlebt. Und im begrenzten Rahmen des Hildesheimer und Hamburger Mikrokosmos war er auch ihr Taktgeber.

"Einer geht noch!" ist ein Schlager, den Vossi einst in die Hitparaden gejohlt hat. Daraus ist ein Volkslied geworden, dass vor allem am Stimmtisch gerne angestimmt wird: "Einer geht noch rein!" Aber immer. Das ist auch der Titel eines gerade erschienen Hörbuches, mit dem Uwe Voss einerseits seine Lebensgeschichte erzählt, andererseits aber auch ein Sittengemälde der deutschen Jugend- und Musikszene präsentiert.

Dem jungen Uwe, gefrusteter Lehrling im Einzelhandel, geht es in den Zeiten der Studentenunruhen ähnlich wie anderen Zeitgenossen: Immer mittendrin, aber niemals dabei. "Was Rudi Dutschke gesagt hat, wussten wir nicht, aber die ganze Protestbewegung fanden wir toll." Den Sinn der Mao-Bibel erfasst er nicht. "Was wohl daran gelegen hat, dass ich sie nie gelesen habe." Aber ganz kernig, das alles.

Mit dieser idealistischen Grundausstattung fängt er in einem Dorfgasthaus an Platten aufzulegen, lernt die damals noch unbekannten Scorpions kennen und verbreitet unter den jungen, vom Kirschwein beseelten Gästen Stimmung. Das ist neu auf dem Dorf: 1966 gibt es noch keine professionellen Discjockeys in der Gegend. Uwe Voss, damals Vossibär genannt, ist einer der ersten DJs in Deutschland.

Er ist der König der Provinz, strebt aber nach Höherem und heuert in den Hamburger Kultdiscos Cleopatra und Fürstenhof an. Die Menschen hecheln nach seiner Musik: "Baby come back". Der Soldat aus der benachbarten Kaserne darf auf der Bühne "Motorbiene" krächzen, ein Feuerspucker bringt das Kunststück fertig, sich auf der Bühne selbst anzuzünden. Und immer wieder Vossi-Sprüche: "Liegt der Bauer unterm Trecker, war der Korn wohl wieder lecker!"

Für 800 Mark netto im Monat und einem Bett unter dem Dach der Disco lässt Uwe Voss jeden Abend die Sau raus. Sein Karman Ghia wird mit Tesafilm zusammengehalten, vom Geld bleibt wenig übrig - alles regelmäßig versoffen, weil er pro Getränk eine Mark zahlen muss. Vossi, Vossibär oder Uwe van de Vohs nennt er sich. Der Name ist egal, Stimmung ist wichtig. Und die verbreitet er mit immer neuen Einfällen und Aktionen. "Ich war nie ein großer Künstler oder Sänger, hatte aber die Gabe, immer fröhliche Stimmung zu verbreiten."

Später kommen die Großdiskotheken, Zeltfeste, Stadtfeste. Mit Vossis Namen wird in den Zeitungen geworben, aber die Zeiten werden ungemütlicher, die Musik progressiver und unbestimmter.

1983 dann der Richtungswechsel: Uwe Voss heuert als Diskjockey, Entertainer und Programmgestalter auf den Fähren der TT-Line an und unterhält die Gäste zwischen Travemünde und Trelleborg. Das kommt seinem Talent entgegen: Hier unterhält er Kegelklubs, Firmenbelegschaften mit Musik, eigenen Gesangsdarbietungen und illustren Gästen. Jürgen Drews, Roy Black, Rex Gildo, die Goombay Dance Band, Wolfgang Petry - alle schippern gerne mit Uwe auf der Ostsee, manche lassen sich auch gerne abfüllen. Roy Black zum Beispiel muss nach einem gemeinsamen Saufgelage über die Schulter gelegt werden, damit er sicher seine Schiffskabine erreicht. Seine Auftritte aber sind professionell.

Uwe Voss singt "Hula Hula" mit seinen Ostseesirenen und "Wenn die Mama nicht will, weil der Papa nicht kann". Alles immer nur haarscharf oberhalb der Gürtellinie, aber immer lustig. Die Menschen an Bord hauen sich vor Begeisterung die Schenkel blau. Silvester gibt's eine Polonäse durchs Schiff.

Nach 17 Jahren als Bordentertainer dann die Vollbremsung mit Kehrtwende: Uwe Voss wird "Generalsekretär" der CDU im Kreis Segeberg. Das alles ist nachzuhören in dem Hörbuch "Einer geht noch!... aus dem Leben eines Diskjockeys". Uwe Voss erzählt in gewohnter Manier - sowie ihm der Schnabel gewachsen ist. Das klingt locker, unaufgeregt, nicht abgelesen und einstudiert. Susan Tratz, versierte Rundfunkjournalistin, hat das Hörbuch mit Uwe Voss zusammen produziert. Sie interviewt ihn, hat die Fragen aber herausgeschnitten und steuert eigene Ergänzungstexte bei, in denen sie auch die Ereignisse der jeweiligen Jahre und Jahrzehnte erwähnt. Wie eine Rundfunkreportage, unterlegt mit Musik, klingt es - unterhaltsam und aufschlussreich für alle, die wissen wollen, wann die Popkultur erwachsen wurde.

Am heutigen Sonnabend stellt Uwe Voss sein Hörbuch vor - im Bürgerhaus Nahe, Segeberger Straße 90, von 20 Uhr an. Der Eintritt ist frei.