2011 gab es in Schleswig-Holstein 2847 Anzeigen wegen Tankbetrugs. Norderstedter Pächter machen unterschiedliche Erfahrungen.

Norderstedt. Immer mehr Autofahrer tanken, ohne zu bezahlen. "Hohe Spritpreise treiben 'Benzinklau' um zehn nach oben" titelte erst kürzlich das Online-Autoportal "auto.de". Grundlage ist eine Studie, bei der die Zahlen aus 121 Städten untersucht worden waren. Danach ist 2011 ein Anstieg um zehn Prozent im Vergleich zu 2010 zu verzeichnen.

Schleswig-Holstein liegt demnach sogar über dem Bundesschnitt. Für das nördlichste Bundesland nennt die Studie 449 Fälle mehr als im Vorjahr, was einem Anstieg um 19 Prozent entspricht. Dem Landeskriminalamt in Schleswig-Holstein wurden im vergangenen Jahr 2847 Fälle von Tankbetrug gemeldet, bundesweit waren es 85 065.

Der Schaden, der jedes Jahr durch den Diebstahl von Benzin entsteht, ist beträchtlich. Die offizielle Zahl des Bundeskriminalamts liegt bei 5,75 Millionen Euro. Der Zentralverband des Tankstellengewerbes und "auto.de" gehen allerdings davon aus, dass nur 20 Prozent aller Tankdiebstähle angezeigt werden. Dementsprechend läge der Schaden bei ungefähr 30 Millionen Euro jährlich.

Bezahlen die Kunden nicht, erstattet die Mitarbeiterin Anzeige

Auch in Norderstedt sind Tankbetrügereien an der Tagesordnung. Die Mitarbeiterin einer Norderstedter Tankstelle, die nicht genannt werden möchte, spricht von mindestens einem Tankbetrug pro Tag. Die Zahl der Tankbetrügereien sei vor allem in den vergangenen Monaten stark gestiegen. "Ich bin andauernd bei der Polizei und erstatte Anzeige", sagt sie. Betrüger, die einfach wegfahren, würden zwar von den Kameras erfasst, aber aufwendig sei es trotzdem, juristische Schritte einzuleiten. Oftmals kämen die Kunden auch zum Bezahlen in den Shop, doch hätten dann kein Geld mehr auf ihren Bankkarten und könnten die Rechnung nicht begleichen. "Dann muss ich alle Personalien aufnehmen und hoffen, dass sie zum Bezahlen wiederkommen, aber meistens ist das nicht der Fall. Dann muss ich wieder Anzeige erstatten", berichtet die Mitarbeiterin über ihre Erfahrungen.

Auch Holger Kriese von der Nordoel-Tankstelle am Alten Kirchenweg beobachtet einen Anstieg der Betrugsfälle. "Früher tankte man und fuhr weg, mal mit gefälschten Kennzeichen, mal ganz ohne. Heute werden die Täter immer kreativer", sagt Kriese. Vergangene Woche behaarte ein Kunde darauf, jemand vor ihm hätte nicht bezahlt, weswegen die Zapfsäule nicht freigeschaltet war. Die Verkäuferin schaltete die Säule frei, der Kunde tankte und bezahlte. Die Analyse eines Videobands und ein Kassensturz bewiesen dann, dass der auch schon beim ersten Mal getankt hatte, aber am Ende nur für die Hälfte der Tankfüllung zahlte.

Im Schnitt habe er pro Station zweimal wöchentlich mit Tankbetrügern zu tun. Im Gegensatz zu den Erkenntnissen der Studie, demzufolge 78 Prozent aller Täter männlich sind, kann Kriese keine Geschlechtsdominanz erkennen. "Hier ist alles vertreten, ob jung, ob alt, männlich oder weiblich", sagt er. "Grundsätzlich ist nun mal am Ende des Geldes noch Monat übrig", sagt er.

Aber nicht alle Norderstedter Tankstellenpächter machen diese Erfahrung. "Ich habe zwar in den Medien von der steigenden Zahl der Tankbetrüger gehört, mich darüber aber nur gewundert", sagt die Besitzerin einer Tankstelle an der Ulzburger Straße. An ihren drei Tankstellen komme ein Tankbetrug höchstens einmal im Vierteljahr vor. "Es ist auch relativ einfach, die Täter zu fassen. Überall sind Videokameras, dann haben wir das Kennzeichen, erstatten Anzeige - und damit hat sich die Sache erledigt", sagt sie. Das letzte Mal, dass bei ihr ein Tankbetrüger mit falschen Kennzeichen tankte und das Benzin stahl, ist schon 20 Jahre her. "Mein Personal habe ich aber auch besonders auf Wachsamkeit geschult. Außerdem ist es dazu angehalten, jeden Kunden, der etwas kauft, zu fragen, ob er auch noch getankt hat."

Manchmal kommt es allerdings auch einfach nur zu Missverständnissen

Auf Videokameras vertraut auch Michael Hermann, Pächter der Aral-Tankstelle an der Ulzburger Straße. "Viele denken, es handelt sich nur um Attrappen, wie man sie von früher kennt. Aber das stimmt natürlich nicht. Mit der modernen Technik können die Täter leicht identifiziert werden." Drei bis vier Tankdiebstähle im Monat verzeichnet er aber trotzdem. "Einen Anstieg kann ich allerdings nicht erkennen", sagt Hermann.

Mirko Peters, Angestellter der Esso-Tankstelle an der Ochsenzoller Straße, sieht ebenfalls keinen Anstieg. "Seit Oktober 2011 hatten wir zwei Fälle von Tankbetrug", sagt er. Hin und wieder komme es zu Missverständnissen, wenn Kunden in dem Shop etwas kaufen und dann vergessen, das Benzin zu bezahlen. Diese Autofahrer kämen aber in der Regel wieder zurück, um ihre Schulden zu begleichen.

Maßnahmen gegen den Diebstahl von Benzin ergreift Peters aber trotzdem. Abends werden die letzten zwei Säulen seiner Tankstelle zugemacht. Diese seien nämlich für die Angestellten kaum einsehbar. "Die Videokameras heutzutage sind so gut, dass wir glücklicherweise fast alle Diebe finden können", sagt er.

Eine weitere Sicherheitsmaßnahme ist der Signalton, der im Tankstellen-Shop zu hören ist, sobald ein Kunde den Zapfhahn zurück in die Säule steckt. "Außerdem ist bei uns nie jemand alleine, wir sind immer gut besetzt und können dementsprechend gut aufpassen", sagt Peters.