Der Kreis Segeberg muss pro Jahr 320.000 Euro mehr für die 465 Asylbewerber zahlen. Einer von ihnen ist der Afghane Mohammad Bayat.

Kreis Segeberg. Mohammad Abed Bayat lebt seit knapp drei Jahren mit Unterbrechungen im Kreis Segeberg. Nichts zieht den gebürtigen Afghanen zurück in seine Heimat. Es gibt nichts, was der 28-Jährige, der in Schmalfeld wohnt, vermisst. Das Leben des Buchhändlers, der aus Afghanistan fliehen musste, ist schlicht. "Das Geld reicht bisher für Essen und Klamotten."

Dass Asylbewerber jetzt mehr Geld bekommen, findet er gut. Der studierte Bergbau-Ingenieur will das zusätzliche Budget nutzen, um Sport zu machen oder vielleicht auch hin und wieder in die Disco zu gehen. Er sei viel zu Hause in Schmalfeld. Einkaufen gehe er immer zu Fuß; wenn er jetzt mehr Geld bekommt, würde er auch gern mal den Bus nehmen. "Die Angst gehen zu müssen ist aber viel schlimmer als wenig Geld. Wenn ich bleiben dürfte, würde ich auf alles Geld verzichten."

Seine Zukunft ist ungewiss, sein Asylantrag wurde abgelehnt - und er wird geduldet. Insgesamt leben 465 Asylbewerber im Kreis Segeberg, 160 allein in Norderstedt. Sie können sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun auf 40 Prozent mehr Geld freuen. Während es bisher 225 Euro waren, die ein allein lebender, erwachsener Asylbewerber pro Monat bekam, sind es nun 336 Euro. "Das ist ein großer Erfolg", sagt Anette Reinders, Sozialdezernentin in Norderstedt, obwohl der Satz immer noch 38 Euro unter dem für Hartz-IV-Empfänger geltenden Existenzminimum liegt.

Mit dem Urteil aus Karlsruhe wollen die Richter Asylbewerbern über das reine Überleben hinaus "ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturelle und politischen Leben" zusichern. "Das man sich mit diesem Geld einen Besuch im Theater oder der Oper leisten kann, bezweifele ich", sagt Reinders, "trotzdem ist es natürlich richtig, Asylbewerber an der Gesellschaft teilhaben zu lassen." Da die Verfahren über Jahre dauern, könne man nicht nebeneinander herleben.

Ein großes Problem sieht Reinders in dem weiterhin geltenden Arbeitsverbot für Asylbewerber. "Solange Asylbewerber nicht arbeiten dürfen, haben sie keine Chance, auf eigenen Beinen zu stehen", sagt Reinders, "außerdem knüpft man viele soziale Kontakte über den Arbeitsplatz. Dies wird Asylbewerbern somit vorenthalten."

Kreis und Land teilen sich die Ausgaben für Asylbewerber

Laut Sylvia Jankowski, Pressesprecherin der Segeberger Kreisverwaltung, muss der Kreis für die höheren Leistungen zusätzlich 320 000 Euro ausgeben. 61 Prozent entfallen auf den Kreishaushalt, 39 Prozent übernimmt das Land Schleswig-Holstein. Bisher lagen die Ausgaben bei 800 000 Euro.

"Die Zahl nimmt seit unserem historischen Tiefstand im Jahr 2006 wieder deutlich zu", sagt Rolf Meenen, Leiter der Ausländerbehörde im Kreis. Im Vorjahr hat das Land dem Kreis 142 neue Asylbewerber zugewiesen, im Jahr 2006 waren es noch 23. Für dieses Jahr sind 180 vorhergesagt. "Wenn es noch mehr werden, kommen wir an unsere Kapazitätsgrenzen und können die Flüchtlinge nur noch schwer unterbringen", sagt Meenen.

Mohammad Bayat lebt in Schmalfeld, lernt Deutsch und hat Angst, abgeschoben zu werden. Wieder zurück in ein Land, aus dem er fliehen musste. In Kabul hatte er nach seinem Studium zum Bergbau-Ingenieur einen Buchhandel geführt. "Ich hatte ein Buch, das kritisch gegen den Propheten Mohammed ist, in meiner Buchhandlung", sagt Bayat, der flüchtet, als Offizielle davon erfahren. Mit Bus, Bahn und Schiff flieht er über Paris und Köln in Richtung Schweden. In Neumünster stoppen ihn Grenzpolizisten: "Haben Sie einen Ausweis?" Bayat verneint, und die deutsche Bürokratie kommt ins Rollen. Er stellt einen Asylantrag, den die Richter ablehnen. "Die haben mir nicht geglaubt", sagt der 28-Jährige. Ihm droht die Abschiebung, daher macht er sich wieder auf den Weg nach Schweden, dann nach Finnland, dann Norwegen und Dänemark. Alle Länder weisen ihn zurück, ihm bleibt nur der Weg nach Deutschland.

Mohammad Bayat hat jede Hoffnung verloren und leidet unter Depressionen

Jetzt sitzt er mit dem gepflegt nach hinten gekämmten Haaren auf einer lindgrünen Matratze in seinem Zimmer. "Ich bin hoffnungslos", sagt Bayat, der nach eigener Aussage seit sieben Jahren unter Schlafproblemen und Depressionen leidet. "Wenn ich zurück nach Afghanistan gehen muss, wird etwas sehr Schlimmes mit mir passieren."

Vor ihm liegen zwei Übungshefte. Mohammad Bayat hat einen viermonatigen Deutschkursus gemacht und lernt auf eigene Faust weiter.

Manchmal fällt es ihm noch schwer, die richtigen Worte zu finden, aber er kann sich verständigen. Ob seine Zeit in Afghanistan mit seinen Depressionen zu tun habe? "Ich hoffe, dass mein Kopf wieder frei wird, wenn ich in Deutschland bleiben dürfte."

Seine Mutter, sein Vater und seine vier Geschwister flohen 2010 in Richtung Russland, ein Jahr nachdem er das Land verlassen hat. "Sie wollten nach Kanada. Wo sie jetzt sind, weiß ich nicht." Bayat denkt nur von Tag zu Tag. "Ich muss einfach glauben, dass ich nicht zurückgehen muss, sonst werde ich verrückt."